Ludwigshafen. Am Westende der Hochstraße Nord, dort, wo sie mit der Südtangente zusammentrifft und in die A 650 nach Bad Dürkheim übergeht, können Beobachter schon sehen, wie die Vorarbeiten für die neue Stadtstraße voranschreiten. Da sind die Baugruben bereits ausgehoben und Spundwände tief ins Erdreich gerammt.
Weitaus unauffälliger finden die Arbeiten dagegen am anderen Ende der Hochstraße statt. Hier, unter dem Brückenkopf kurz hinter der Kurt-Schumacher-Brücke, ist die Firma Sonntag schon seit dem vergangenen Sommer dabei, einen zentralen Abwasserkanal neu zu verlegen. Und keiner bekommt’s mit. Ein Ortstermin auf Einladung der Stadtverwaltung und des Wirtschaftsbetriebs Ludwigshafen (WBL) zeigt, wie komplex die Arbeiten im Untergrund sind.
Die neue, bis zu 1,60 Meter dicke Abwasserleitung muss fertig sein, bevor auch nur ansatzweise mit den Bauarbeiten im Bereich des Brückenkopfs begonnen werden kann. „Das Abwasser der Stadt und weiterer südlicher Gemeinden muss auch während der Bauarbeiten weiter permanent abfließen können“, erläutert Baudezernent Alexander Thewalt die Problematik. Müsste es – auch nur kurzfristig – gestaut werden, würde die Innenstadt von Ludwigshafen im Abwasser ertrinken.
Da die alten Rohrleitungen der neuen Stadtstraße und den Fundamenten für den neuen Brückenkopf zur Kurt-Schumacher-Brücke im Weg sind, muss der Kanal auf mehrere hundert Meter komplett neu verlegt werden. Die neue Leitung beginnt nordwestlich der Rhein-Galerie und verläuft dann etwa entlang der Straße Unteres Rheinufer zum bisherigen Übergabepunkt südlich der BASF, wo es unterhalb des Werks in gewohnten Rohren zur Kläranlage weiterfließt.
145 Meter lange Rohre im alten C-Tunnel
Zum Teil werden die Stahlbetonrohre im sogenannten Pressdruckverfahren durch das Erdreich gedrückt, zum Teil wird die Leitung aber auch im alten C-Tunnel verlegt. Wo bis zum Jahr 2008 die Straßenbahn unterirdisch in Richtung Haltestelle Rathaus entlangrollte, fließt bald das Ludwigshafener Abwasser in zwei jeweils einen Meter dicken Rohren.
Das Material – glasfaserverstärkter Kunststoff – ist dünn und leicht, aber extrem stabil. 145 Meter lang sind die beiden parallel verlaufenden Rohrleitungen. Davon hat die Baufirma die ersten 110 Meter binnen drei Wochen verlegt. Dies alles in eine dickere Leitung zu packen, war nicht möglich. Die Höhe der Tunneldecke reicht nicht aus, um das ohnehin schon sehr schwache Gefälle aufrechtzuerhalten. Denn das Abwasser soll aufgrund der Rohrneigung von alleine fließen und nur an wenigen Stellen weitergepumpt werden.
Weil aber auch der Tunnel in Richtung Rathaus permanent abfällt, musste jedes einzelne Rohrstück individuell ausgemessen, jeder Ständer individuell angefertigt werden, berichtet Heike Kamenz, Bereichsleiterin des Wirtschaftsbetriebs Ludwigshafen (WBL) beim Gang durch den dunklen Tunnel. Der befindet sich auch 60 Jahre nach seinem Bau in einem erstaunlich guten Zustand. Die Straßenbahngleise sind allerdings längst entfernt.
Die akribisch genau berechneten Arbeiten hatten einen entsprechend langen Vorlauf: „Wir haben fünf Jahre daran geplant“, sagt Baudezernent Thewalt. Aber letztlich sind die Bauarbeiter auch nicht vor Überraschungen gefeit. „Vor der Hacke isses dunkel“, zitiert Oberbauleiter und Projektleiter Kurt Rohbeck eine alte Bergarbeiter-Weisheit, will sagen: Es können immer Überraschungen kommen. Die habe man auch schon erlebt, wenn auch nicht in großem Umfang. Zeit hat’s auch nicht gekostet: „Wir liegen voll im Plan“, sagt Rohbeck.
Hoher Grundwasserspiegel wegen des benachbarten Rheins
Spannend findet der Experte die Baustelle ohnehin, weil hier viele verschiedene Bautechniken auf engstem Raum angewandt werden. Außerdem sorgt der benachbarte Rhein für einen hohen Grundwasserstand. Es ist eine zusätzliche Herausforderung, die Baugruben trocken zu halten. „Das alles ist keine normale Baustelle und macht richtig Spaß hier“, sagt Rohbeck.
Teile des neuen Kanals außerhalb des C-Tunnels sind schon fertig, andere noch nicht. Insgesamt soll der neue Abwasserkanal im Juli 2025 bereit sein und in Dienst gestellt werden. Erst dann können die Gründungsarbeiten für die neue Helmut-Kohl-Allee beginnen.
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