Justiz

Neuer Prozess im Fall Torun: Skurille Anträge und Anschuldigungen

Wie gefährlich ist der Doppelmörder Ramazan G.? Um diese Frage dreht sich die Wiederaufnahme des Prozesses am Frankenthaler Landgericht. Gefängnismitarbeiter berichten, wie sie G. erleben

Von 
Agnes Polewka
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Der verurteilte Doppelmörder Ramazan G. zu Beginn des neuen Prozesses mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Johann Bugday aus Haßloch. © Agnes Polewka

Ramazan G. formuliert seine Gedanken gerne schriftlich aus. Einige davon hat er in einem Leitz-Ordner abgeheftet, den er sich am Montag im Sitzungssaal 10 des Frankenthaler Landgerichts vor das Gesicht hält. Seit Mitte Februar steht er dort wieder vor Gericht, wegen eines Verbrechens, das bereits vor über fünf Jahren juristisch aufgearbeitet worden ist: Der 56-Jährige wurde im September 2018 von Frankenthaler Richtern wegen der Morde an dem Ludwigshafener Immobilienunternehmer Ismail Torun und einem weiteren Unternehmer aus dem badischen Brühl zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Dabei stellten die Richter die besondere Schwere der Schuld fest, die eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausschließt. Und: Sie ordneten Sicherungsverwahrung für G. an. Damit legte die Kammer fest, dass G. auch nach dem Ende der regulären Haftstrafe nicht frei kommen dürfe – zum Schutz der Allgemeinheit.

Mitarbeiter der Gefängnisse Franketnhal und Diez als Zeugen geladen

Doch der Bundesgerichtshof hat das Urteil in Teilen aufgehoben, und so muss über die Frage der Sicherungsverwahrung neu entschieden werden. Bereits zu Beginn des Verfahrens Mitte Februar hatte der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch angekündigt, keine vollständige Beweisaufnahme aufrollen zu wollen. Ganz konkret geht es nämlich nur noch um eine Frage: Wie gefährlich ist der Doppelmörder Ramazan G.?

Um sich Antworten darauf zu nähern, hat die Kammer für den Montag, den zweiten Prozesstag, Vollzugsabteilungsleiter aus den Gefängnissen in Frankenthal und Diez als Zeugen geladen, die beschreiben sollen, wie G. so ist, als Mensch, als Insasse.

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Ein Mitarbeiter der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt (JVA) in Diez, in der G. aktuell untergebracht ist, berichtet von „skurrilen Anträgen“. Darin soll der 56-Jährige etwa spezielle Parkas für Gefängnisinsassen landesweit gefordert haben. An anderer Stelle habe er schriftlich dargelegt, warum er eine bestimmte Zahnbürste haben muss, so der Gefängnismitarbeiter. Wortreich habe er sich auch einen PC für seine Zelle erstreiten wollen. „Er macht einem den Jusitzvollzugsalltag insgesamt nicht leicht.“

Im persönlichen Umgang sei Ramazan G. freundlich, so der Diezer Vollzugsabteilungsleiter – „im Unterschied zu seinen Schriftsätzen.“ Aber: Viele Dinge, die er behaupte, hätten sich im Nachhinein nicht bestätigen lassen. Ramazan G. soll beispielsweise mehrfach angegeben haben, bedroht worden zu sein. Von Problemen, Übergriffen „aus Rache“, vor allem durch türkische Mitgefangene, spricht er an diesem Montag auch vor Gericht. Ins Detail will er aber nicht gehen. Generell möchte er lieber keine Fragen beantworten, „weil alles, was ich bisher gesagt habe, sowieso umgedreht wurde“.

Dominantes Verhalten

„In vierzig Jahren ist es mir zum ersten Mal passiert, dass jemand die evangelische Anstaltsgeistliche beschuldigt hat, ihm ein Schnittwerkzeug untergeschoben zu haben“, sagt ein anderer Zeuge vor Gericht, ein pensionierter Vollzugsabteilungsleiter der Frankenthaler JVA. Nachdem man ein selbstgebautes Schnittwerkzeug – die Klinge eines Einwegrasierers, eingeschmolzen in den Griff einer Zahnbürste – in seinem Spind gefunden habe, habe G. die Pfarrerin und andere Gefangene beschuldigt, ihm das Werkzeug untergeschoben zu haben.

Mit den anderen Insassen sei er insgesamt nicht besonders gut ausgekommen. „Er hat versucht, über alles zu bestimmen, hat versucht, den anderen Anweisungen zu geben“, so der Zeuge. „Die Gefängnisinsassen hatten den Eindruck, er wolle eine Art ,Bürgermeister’ werden.“

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Und dann geht es am Montag noch um einen Brief, den G. auf seiner Schreibmaschine im Gefängnis an seinen Komplizen geschrieben, in dem er ihn bedroht haben soll. Dazu liest der 56-Jährige aus seiner seitenlangen Stellungnahme vor, die er in seinem Ordner abgeheftet hat. Sinngemäß bestreitet er darin, den Brief verfasst zu haben, Passagen habe er aber früher einmal aufgeschrieben. Auch hier wolle ihm wieder jemand etwas anhängen, so G. Mit ihm waren im ersten Prozess ein zweiter Entführer – mutmaßlich der Adressat des Briefs – und eine Frau mitangeklagt, auch sie wurden wegen Mordes verurteilt.

Die Frau lockte die beiden Opfer mit einer „Geschäftsidee“ in einen Hinterthalt. Anshcließend überwältigten G. und sein Komplize die Männer, forderten hohe Geldsummen – und töteten sie anschließend. 6000 Euro erpressten sie von einem Brühler Automaten-Aufsteller, rund eine Million Euro trieb Torun auf, in der Hoffnung, freigelassen zu werden. Ein großer Teil der Summe ist bis heute verschwunden.

Redaktion

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