Justiz Warum man im Marktplatz-Prozess von akribischer Aufarbeitung sprechen kann

Der Tod von Ante P. auf dem Mannheimer Marktplatz machte Schlagzeilen, vor Prozessbeginn gab es viel Kritik. Gerichtsreporterin Agnes Polewka bewertet die juristische Aufarbeitung

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Mannheim. Vor Beginn des Prozesses um den Tod von Ante P. auf dem Mannheimer Marktplatz nach einem Polizeizeinsatz gab es viel Kritik, vor allem eine Frage trieb viele Menschen um: Warum hat das so lange gedauert? Es gab Verschwörungstheorien, man munkelte, das, was passiert sei, solle unter den Teppich gekehrt werden. Im Netz wurde bis zuletzt gepöbelt, die Staatsanwaltschaft wolle die „ihren“ decken. „Krähen unter sich“ ist da noch einer der freundlicheren Kommentare.

Simple Gründe für lange Verfahrensdauer

Aber das ist Unsinn. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall akribisch gearbeitet. Diese Redaktion hat eine Vielzahl interner Papiere gesichtet, die dies belegen. Dass der Fall erst zwanzig Monate nach dem Tod von Ante P. und ein Jahr nach der Anklageerhebung vor Gericht gelandet ist, ist äußerst ungünstig, hat aber simple Gründe, einer davon: Das Schwurgericht war mit einer Vielzahl von Haftsachen ausgelastet, die vorrangig abgearbeitet werden mussten. Viele dieser Fälle hat diese Redaktion medial begleitet, etwa die juristische Aufarbeitung des getöteten polnischen Zeitarbeiters, die Autoattacke in der Rhenaniastraße oder das abgestellte Sauerstoffgerät im Theresienkrankenhaus, um nur einige zu nennen.

Die Kammer hat versucht, kleinste Details auszuleuchten. Und dabei zeigte sich einmal mehr: Je weiter man in die Tiefe geht, umso komplizierter kann es werden.

Rechtsanwalt Engin Sanli, Nebenklage-Vertreter der Schwester des Opfers , hat vor Prozessbeginn die lückenlose Aufklärung des Geschehens gefordert und tatsächlich ist man in diesem Prozess, der öffentlich oft zum Inbegriff für den Umgang der Justiz mit Polizeigewalt wurde, ganz besonders in die Tiefe gegangen.

Die Kammer hat versucht, kleinste Details auszuleuchten. Und dabei zeigte sich einmal mehr: Je weiter man in die Tiefe geht, umso komplizierter kann es werden. Über die Todesursache entbrannte ein Streit der Gutachter. Und die neuen, von der Verteidigung beauftragten Sachverständigengutachten bedingten eine Kehrtwende der Staatsanwaltschaft, die für den Hauptangeklagten „nur“ noch eine Verurteilung wegen Körperverletzung im Amt forderte, aber die Unverhältnismäßigkeit der Gewalt eines Polizeibeamten weiter verfolgte, anprangerte.

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Wenn man etwas in der Aufarbeitung kritisieren will, dann das, was der Nebenklage-Vertreter Thomas Franz auf den Punkt gebracht hat: Natürlich war das Pfefferspray nicht todesursächlich. Und offenbar auch die Schläge nicht, zumindest gibt es daran Zweifel. Aber: Ante P. Wäre am 2. Mai um 13.44 Uhr nicht gestorben, wenn es den Polizeieinsatz nicht gegeben hätte. Oder um es mit Aristoteles zu sagen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Ante P. Wäre am 2. Mai um 13.44 Uhr nicht gestorben, wenn es den Polizeieinsatz nicht gegeben hätte. Oder um es mit Aristoteles zu sagen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

So ist der Prozess aber mit einem Urteil zu Ende gegangen, das die Angehörigen schmerzt, weil es ihren Verlust nicht ansatzweise auszugleichen vermag. Und es hat ihnen auch nicht die Genugtuung verschafft, die ihre Anwälte gefordert haben.

Doch das ändert nichts daran, dass der Vorfall mit der notwendigen Sorgfalt aufgearbeitet worden ist.

Redaktion

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