Frankenthal. "Ich weiß nicht, was ich denken soll", sagt Eyüp Torun. Der Sohn des getöteten Ludwigshafener Unternehmers Ismail Torun wirkt erschöpft. Wieder hat er mit seiner Familie stundenlang jenen drei Menschen gegenüber gesessen, die für die Entführung und den Tod des geliebten Vaters sowie eines Brühler Geschäftsmannes verantwortlich sein sollen. Zum ersten Mal geht es dabei nicht um juristische Plänkeleien, sondern um die Taten.
So belastet der 38-jährige Angeklagte Hüseyin T. seinen mutmaßlichen Komplizen Ramazan G. (49) schwer. Dieser soll beide Morde allein begangen haben. Er und die 43 Jahre alte Yasemin T. - die an den Füßen gefesselt hinter ihm auf der Anklagebank sitzt - seien nicht eingeweiht gewesen. Nach T.'s Darstellung hatte das Trio besprochen, die Entführten freizulassen - selbst wenn sie nicht bezahlen sollten.
Hüseyin T. formuliert diese Aussage nicht selbst. Sein Verteidiger Peter Deschka trägt vor, welche Rolle der Mann mit den grauen Schläfen bei der kaltblütigen Tat gespielt haben soll. Dabei lässt dieser keinen Zweifel daran, dass Ramazan G. der Kopf der Bande war. So habe der 49-Jährige den Brühler Automatenaufsteller als erstes Opfer ausgesucht. "Ich habe die beiden nur bekannt gemacht, das war mein Fehler." Dennoch sei niemals ein Mord geplant gewesen. "Wir wollten nur das Lösegeld kassieren und ihn dann auf dem Land aussetzen." Von der Erdrosselung des Brühlers will Hüseyin T. überhaupt nichts mitbekommen haben. "Sonst hätte ich später nicht mehr mitgemacht. Ich habe den Transporter gefahren, während G. hinten bei dem Entführten im Laderaum saß. Als wir angekommen sind, hat er mir gesagt, dass der Mann einen Herzinfarkt erlitten hat und gestorben ist. Das war für mich nicht so abwegig." Bei diesem Satz geht ein Raunen durch die Reihen.
Dritte Entführung verhindert?
Das nächste Opfer hätte eigentlich ein in Ludwigshafen bekannter Lebensmittelhändler sein sollen. Aber die ebenfalls angeklagte Yasemin T. und er hätten seine Verschleppung verhindert. "Sie hat ihn gewarnt." Danach habe G. sie beide massiv bedroht und Ismail Torun als nächstes Opfer vorgeschlagen. Begründet habe er die Wahl damit, dass er wegen des Unternehmers einen finanziellen Schaden von zwei bis drei Millionen Euro erlitten habe. "Das Lösegeld steht mir sowieso zu", hat er immer wieder gesagt.
Wie beim ersten Mal lockte das Trio den ahnungslosen Geschäftsmann in eine Lagerhalle nach Mannheim. Doch scheinbar hat sich Torun nicht so leicht überrumpeln lassen. So berichtet T. von einem Handgemenge, in dessen Verlauf Ramazan G. seine Maske verloren und Torun ihn in den Finger gebissen habe. Dennoch konnte G. ihn überwältigen: "Dann war er unser Gefangener." Nach der Zahlung von 975 000 Euro sei Torun in einen Lieferwagen gesetzt worden, um ihn aufs Land zu bringen. Er selbst habe später 40 000 Euro von der Beute bekommen. "Ich bin wieder gefahren, G. hat gar keinen Führerschein, und der Mann lag gefesselt auf der Ladefläche." Zunächst sei sein Komplize bei ihm vorne gesessen, "bei einem Stopp ist er dann nach hinten gegangen. Ich habe aber nicht mit einem Mord gerechnet", lässt er vortragen.
Gelbe Schnur am Hals
Sehen konnte er die Tat nicht. "Ich habe unklare Geräusche gehört, aber keinen Schuss und keine Hilferufe. Als Ramazan G. wieder nach vorne kam, sagte er, dass Torun tot ist und ich ihm helfen muss, ihn wegzubringen. Der Leichnam hatte am Hals eine Schnur von gelber Farbe", berichtet er. "Ich war entsetzt von seiner Skrupellosigkeit." Als er nicht beim Abladen helfen wollte, habe G. ihn mit einer Pistole auf den Kopf geschlagen. Auf der Heimfahrt sei G. aber sehr gut gelaunt gewesen: "Siehst Du, es ist ohne Zwischenfall gegangen, Bruder", habe er lachend gesagt. Eyüp Toruns Blick scheint bei diesen Worten zu erstarren.
Im Saal wird es unruhig, während Yasemin T. schluchzend von ihrer "Elternhölle" berichtet - einer von Gewalt, Folter, Drohungen und sexuellem Missbrauch geprägten Kindheit, der frühen Ehe, von Jobs und Depressionen. Zu den Vorwürfen schweigt die dreifache Mutter.
Als der Vorsitzende die Sitzung schließt, wirkt Eyüp Torun müde. "Ich kenne alles, was heute vorgetragen wurde, aus den Akten. Aber es ist etwas ganz anderes, demjenigen, der das getan haben soll, gegenüber zu sitzen", sagt er leise.
Fakten zum Prozess
- Die drei Angeklagten Ramazan G. (49), Hüseyin T. (38) und Yasemin T. (43) sollen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft einen Brühler Automatenaufsteller unter einem Vorwand zu einem Treffen gelockt haben, um ihn zu verschleppen und Geld aus ihm herauszupressen. Dem Tatplan gemäß sei der 64-Jährige später erdrosselt worden.
- Auch Ismail Tourn ist laut Anklage in eine Lagerhalle nach Mannheim gelockt, überwältigt und zur Zahlung von 975 000 Euro gezwungen worden. Um die Tat zu verdecken, sei auch Torun erdrosselt worden.
- Ramazan G. will sich weder zu den Vorwürfen noch zu seiner Person äußern - jedenfalls nicht, solange er keinen neuen Verteidiger hat. Über den Antrag auf Entpflichtung seiner Anwältin will das Gericht noch entscheiden.
- Allerdings hat G. betont, die Mitangeklagten hätten ihn gezwungen, mitzumachen. Die Mittel, die sie dazu eingesetzt hätten, beträfen seine Intimsphäre. Deshalb hat das Gericht entschieden, dass die Öffentlichkeit den Saal verlassen muss, wenn ein Videofilm gezeigt wird. Zudem wurden bis Juli 2018 Termine festgelegt.
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