Verkehr

So reagiert die Deutsche Bahn auf den Brandbrief aus der Metropolregion

Die Bahn steckt in einer tiefen Krise, aber nicht wegen der Streiks. Das Problem ist auch ein gesellschaftliches. Hoffnung scheint es für die Stellwerke zu geben

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Stephan Alfter
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Totentanz am Knotenpunkt: Der weitaus überwiegende Teil der Züge von und nach Mannheim fuhr am Freitag wegen des Streiks der Lokführer nicht. © C. Blüthner

Rhein-Neckar. Es gibt böse Zungen, die behaupten, dass es egal sei, ob Lokführer bei der Bahn streiken oder nicht, das Ergebnis für Nutzer sei ja dasselbe. Und weil sich dieses Gefühl bei Bahnkunden spätestens in diesem Jahr einigermaßen manifestiert hat, macht der Arbeitsausstand des Zugpersonals Ende dieser Woche den Bock dann auch nicht mehr fett. So könnte man jedenfalls die Worte deuten, die ein am Schalter eingesetzter Mitarbeiter am Freitagvormittag in Speyer findet: „Die Leute haben sich langsam daran gewöhnt“, drückt er aus, während er auf einen leer gefegten Bahnsteig blickt. Nur alle zwei Stunden kommt hier am Freitag ein Zug Richtung Mannheim an. Ansonsten Totentanz.

Brandbrief an die Deutsche Bahn: Landrat platzt der Kragen

Es ist etwas mehr als eine Woche her, dass einem pfälzischen Landrat wegen der Misere auf Gleisen der Metropolregion der Kragen platzte. Ein Brief an Bahnchef Richard Lutz, den der Landrat in seiner Funktion als Vorsitzender des Zweckverbands Öffentlicher Personennahverkehr (ZÖPNV) schrieb, sollte auf den Punkt bringen, dass es so nicht weiter geht.

Unbesetzte Stellwerke zwischen Neustadt an der Weinstraße und Neckargemünd bringen den Verkehr im Rhein-Neckar-Raum nicht nur an Wochenenden und spät abends mitunter zum Erliegen. Kürzlich stand ein Zug eine halbe Stunde im pfälzischen Bahnhof Böhl, weil ein Stellwerker in Ludwigshafen Pause machen musste. Allenthalben werden Fahrpläne ausgedünnt und Ortschaften abgehängt, obwohl die Mobilitätswende das Gegenteil verspricht. Eine Replik des Bahnchefs auf den Brief des Landrats liegt bisher nicht öffentlich vor, aber sie könnte sich ungefähr so lesen, wie das, was seine Pressereferenten dieser Redaktion auf sieben konkrete Fragen nach fünf Tagen Wartezeit antworteten. Selbstkritik? Woher denn? Stattdessen der Verweis auf eine herausfordernde Situation im Bereich Personal.

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Rechtfertigungsschrift aus der Bahnzentrale

„Kaum ein Unternehmen in Deutschland“, so beginnt die Rechtfertigungsschrift aus der Berliner Bahnzentrale, stelle gerade so viele neue Mitarbeitende ein wie die Deutsche Bahn - rund 130 000 allein in den vergangenen fünf Jahren. Es folgt ein Satz, der einem Offenbarungseid gleicht: „Wir spüren, dass wir uns für den zunehmenden demografischen Wandel aufstellen müssen.“ Verrät sich die Bahn hier etwa selbst? Man beginnt also erst jetzt damit, sich aufzustellen, obwohl Wissenschaftler und Experten nun schon seit mehr als einer Generation darauf hinweisen, dass mit dem Eintritt der sogenannten Babyboomer ins Rentenalter eine neue Zeitrechnung am Arbeitsmarkt beginnt. Dass die Bahn auf diese neue Zeitrechnung nicht vorbereitet ist, gibt sie hier also indirekt zu. In den kommenden Jahren verlassen Statistiken zufolge fast doppelt so viele Menschen den Arbeitsmarkt wie neue Kräfte hinzukommen.

Dass die Probleme mit der Besetzung der Stellwerke im Zuge der Digitalisierung teilweise aber auch hausgemacht sind, wie der VRN-Geschäftsführer Michael Winnes vor wenigen Wochen dieser Redaktion in einem Interview sagte, findet im Antwortschreiben der Bahn mit keinem Wort Erwähnung. Stattdessen gibt es Hinweise auf Bautätigkeiten zur Sanierung der Infrastruktur, die dazu führten, dass noch mehr Mitarbeitende eingesetzt werden müssen. Wenn Züge länger führen, etwa wegen Umleitungen, dann müssten auch mehr Schichten besetzt werden. Die Bahn baue nicht nur deshalb gerade massiv Personal auf - eben um die klimafreundliche Schiene zu stärken. Allein für die Stellwerke haben man in diesem Jahr über 1 500 Zugverkehrssteuerer an Bord geholt.

Erhöhte Krankenstände verschärfen die Problematik

Spürbar war davon im Rhein-Neckar-Raum bisher nicht viel. Schichten im für die ganze Region so wichtigen Stellwerk in Ludwigshafen blieben vielfach unbesetzt. Erklärung der Bahn dafür: Lokführer und Fahrdienstleiter seien für bestimmte Strecken, Baureihen und Techniken spezifisch ausgebildet und könnten erst nach Weiterbildungen beispielsweise nach Ludwigshafen wechseln. Zur Problematik hinzu gesellten sich erhöhte Krankenstände. Man versuche, die Fahrgäste so gering wie möglich zu belasten - etwa durch flexible und vorausschauende Planung. Auf manchen Verbindungen habe man vollständig auf Busse umgestellt. Fritz Brechtel, der Landrat, der den Brandbrief an Richard Lutz verschickte, spricht indessen von einer dramatischen Situation, die unhaltbar sei - gerade auch mit Blick auf die Riedbahnsperrung.

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Ganz anders klingt das im Antwortschreiben der Bahn an diese Redaktion. „Die DB hat ein leistungsstarkes Verkehrskonzept mit den beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträgern entwickelt“, heißt es da. Während der Generalsanierung setzt die DB neben den Regional- und S-Bahn-Verbindungen demnach 150 barrierefreie Überland- und Gelenkbusse ein. In der Bauphase vom 1. bis 21. Januar seien bereits 70 Fahrzeuge der modernen Flotte mit WLAN, USB-Ladebuchsen und Sicherheitsgurten am Start. Weitere 80 Busse würden von anderen Busunternehmen bereitgestellt. Die Anwerbung von rund 400 Fahrern und Fahrerinnen laufe europaweit. Die Busse sollen mindestens alle fünf bis 15 Minuten verkehren - in Summe seien es über 1 000 Fahrten pro Tag. Wird am Ende also doch alles gut?

„Erwachet“ steht auf einem Heft, das Zeugen Jehovas am Freitag in einem menschenleeren Speyerer Bahnhofsgebäude anbieten. Vielleicht meinen sie die Bahn...

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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