Landgericht Frankenthal

Kind in Speyer misshandelt: So wird das Urteil gegen die Eltern begründet

Ein sechs Monate altes Kind kommt mit lebensbedrohlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Jetzt sind die Eltern verurteilt worden. Der Richter spricht von Taten, die an die Grenzen des Vorstellbaren reichen

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Julian Eistetter
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Die Angeklagten Demetrius H. und Tanja H. mit ihren Verteidigern Alexander Kiefer (v.l.), Inga Berg und Matthias Klein. © Julian Eistetter

Frankenthal/Speyer. Die Frage nach dem Warum wird am Ende unbeantwortet bleiben. Warum musste der kleine Maxim aus Speyer solche Qualen erleiden? „Auf diese Frage haben wir keine Antwort gefunden“, sagt Uwe Gau. Die Motive bleiben unklar, so der Vorsitzende Richter.

Darüber aufklären könnten wohl nur der kahlköpfige Mann und die braunhaarige Frau auf der Anklagebank, die der Urteilsverkündung an diesem Dienstagvormittag mit gesenktem Blick und geröteten Augen folgen. Maxims Eltern. Wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen soll Demetrius H. für fünf Jahre ins Gefängnis. Gegen seine Ex-Frau Tanja H. spricht die Kammer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassung aus. Sie wird zur Bewährung ausgesetzt.

Der 39-jährige Vater soll das Kind aktiv misshandelt haben

Die Richter waren nach der Hauptverhandlung überzeugt, dass der 39 Jahre alte Vater seinen wenige Monate alten Sohn über eine längeren Zeitraum hinweg „durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Bauch“ misshandelt hat. Dies sei vor allem zu Gelegenheiten geschehen, bei denen die Mutter nicht anwesend gewesen sei.

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So auch am 12. Juli 2020, als der damals sechs Monate alte Maxim mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und nur durch eine Not-OP gerettet werden konnte. Mehrere Stunden war er zuvor mit seinem Vater allein in der Speyerer Wohnung gewesen. Tanja H. hatte mit der gemeinsamen Tochter die Großeltern besucht.

Beide Elternteile wiesen die Misshandlungsvorwürfe von sich

Wie genau der Vater seinem Sohn die Verletzungen zugefügt haben soll, bleibe genauso wie die Frage nach dem Warum ungeklärt. „Dazu hätte es eines Geständnisses oder Zeugen bedurft“, sagt der Vorsitzende Richter. Doch beide Elternteile hatten die Vorwürfe von sich gewiesen. Sie hätten dem Kind nichts angetan und auch nie etwas derartiges beobachtet. Für Uwe Gau sind Faustschläge in den kleinen Bauch die naheliegende Verletzungsursache. Am 12. Juli hätten diese zu einem Riss im Darm des Kindes geführt und in der Folge zu einer lebensbedrohlichen Entzündung.

Auch gegen den Kopf sei Gewalt ausgeübt worden. Maxim habe Scheitelbein-Brücke rechts und links erlitten. Das Köpfchen sei wohl vom Vater gegen harte Gegenstände geschlagen worden, führt Gau aus, der von einem Verfahren spricht, „das einen an die Grenzen dessen bringt, was man sich vorstellen kann und will“.

Die Mutter hätte die Gefahr laut Gericht früher erkennen müssen

Für die Kammer ist es klar, dass Tanja H. auf ein schwer verletztes Kind getroffen sei, als sie wieder nach Hause kam. Dass sie letztlich den Notruf wählte und die Rettung einleitete, legt die Kammer der 32-Jährigen positiv aus, dennoch hätte die Alarmierung früher erfolgen können. Insbesondere werfen die Richter der Mutter vor, dass sie die vom Vater ausgehende Gefahr nicht deutlich vor dem 12. Juli erkannt hatte. „Sie hat durch Unterlassen in Kauf genommen, dass weitere Misshandlungen stattfinden“, so Gau.

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Anzeichen habe es genug gegeben, etwa einen untypischen Knochenbruch im Alter von sechs Wochen. Und spätestens im Mai habe nach einer Krankenhauseinweisung durch die Kinderärztin erstmals offen der Verdacht eines „Battered Childs“, also eines schwer misshandelten Kindes im Raum gestanden.

Keine Hinweise auf ein aktives Handeln der Mutter

Konkrete Hinweise darauf, dass die Mutter der aktive Part bei den Misshandlungen gewesen sei, haben sich laut Gericht nicht ergeben. Daran änderte auch der zwischenzeitlich geäußerte Verdacht des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms nichts. Dabei handelt es sich um eine artifizielle Erkrankung, bei der betreuende Personen, zu 98 Prozent Frauen, Krankheitssymptome bei einem Kind provozieren, die einen Kontakt zum Arzt rechtfertigen. Als theoretische Möglichkeit bleibe auch das stehen, sagt Gau.

Letztlich habe es die Kammer mit einem Fall zu tun gehabt, in dem es nur Verlierer gibt. In erster Linie die Kinder, die unmittelbar nach dem 12. Juli aus der Familie genommen worden seien. Aber auch die Angeklagten, deren familiäre Zukunftspläne krachend gescheitert seien.

So geht es dem als Kleinkind misshandelten Maxim heute

Bei aller Grausamkeit und Tragik schließt Gau aber mit etwas Positivem, einem Hoffnungsschimmer. Denn das Kind, dessen Leben „allein durch ärztliche Kunst“ habe gerettet werden können, mache heute gute Fortschritte. „Die Verletzungen sind zum Glück gut verheilt. Maxim ist ein aktives, lebhaftes und fröhliches Kind“, sagt er. Und auch wenn wegen der Beschädigungen des Darms noch weitere Operationen anstehen, so sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Junge ohne schwere Folgeschäden aufwachsen könne.

Das sagt der Amtsvormund des Jungen

Das freut auch Maxims Amtsvormund Jochen Götzmann. Doch es sei nicht nur die ärztliche Kunst gewesen, die das Kind gerettet habe, sondern auch die Liebe der Pflegefamilie, sagt er. Seine Hoffnung ist, dass nicht nur die körperlichen Folgen der Misshandlungen verheilen, sondern auch die seelischen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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