Mannheim. Nicht immer stehen der Stiftung Künstlernachlässe die Räume in S 4 zur Verfügung, man war lange auf wechselnde Schauräume angewiesen. Zwar gibt es neben dem Depot auf der Rheinau mittlerweile auch Ausstellungsmöglichkeiten, aber zum 20-jährigen Bestehen ist das Team in der Innenstadt zurück, schließlich geht es speziell um Mannheimer Künstler und lokales Kunstschaffen. Das bedeutet, historisch zu denken – und zugleich nach vorn.
Norbert Nüssle konnte nicht nur Stadtpanoramen, auch Karikatur
Die Räume in S4 bieten einen klaren Überblick über die 16 Künstler, deren Nachlässe zurzeit betreut werden – plus einen Vorlass aus dem Schaffen von Bildhauer Gerd Reutter. Von jedem sind jeweils nur zwei oder drei Arbeiten zu sehen: Gemälde, Grafik, Skulpturen, einige Videos. Kuratorin Sophia Denk hat eine kluge Auswahl getroffen, den Exponaten Raum zum Atmen gelassen und die Besucher mit manchem Werk überrascht. So ist von Collagenkünstler Norbert Nüssle (1932–2012) außer einem großen Stadtpanorama auch eine witzige Papierarbeit von 1969 dabei: „Vater Mutter Kind“, eine pummelig behäbige Familie in karikaturistischen Konturen, der Papa hat Undefinierbares im Kugelkopf, bei Mama leuchten rote runde Bäckchen.
Zur Ausstellung
- S 4, 17–22
- bis 26. Juli, Do/Fr 16–19 Uhr, Sa 13–17 Uhr
- Begleitbuch „Kunst als Erbe“, 25 Euro
Ungewöhnlich Walter Stallwitz nicht nur mit einem seiner menschenleeren Interieurs („Sessel mit Lichteinfall“ (1993)), sondern auch mit dem Bild „Verletzungen (fehlt noch ein Wort)“ von 2011: zu erahnen Personen im Innenraum am Tisch, die Szene überfangen durch eine von Schüssen durchlöcherte Fensterscheibe mit Glasbruchlinien. Dass Stallwitz, in dessen Bildern der Mensch so oft auf seine Dinge reduziert wird, ein politischer Künstler war, fällt einem hier wieder ein.
Von Filmpionier Franz Schömbs jedoch ist man nur Dinge gewöhnt, die aus dem Rahmen fallen – wunderbar drei kosmische Pastelle zur „Geburt des Lichts“ von 1946, Beispiele eines Ringens um Phänomene wie Licht und Energien. Unablässiges Ringen ist wohl keinem Künstler fremd – wie dunkel und tiefgründig die Ergebnisse aussehen, lässt sich an Edgar Schmandt, aber auch, wie kraftvoll und dynamisch sie sein können, bei Trude Stolp-Seitz erkennen.
Eine Übersichtstafel fasst alle 17 mit biografischen Angaben zusammen und enthält auch Namen, die wenig geläufig sind, wie etwa Alice Richter-Lovisa, die mit einem Kupferrelief vertreten ist – man hätte gern auch eine ihrer feminin skurrilen Arbeiten gesehen, aber nicht immer war der Kuratorin nach Leichtigkeit zumute.
Peter Schnatz‘ Hölzerlips-Zyklus auch im Schaufenster zu sehen
Das betrifft gewiss Peter Schnatz, von dem zwei Arbeiten mit Verschnürungen präsent sind, etwa die große schwarze „Erdhaut“ (1992). Aber zu Schnatz‘ Hauptwerk, dem „Hölzerlips-Zyklus“, ließ sich die Stiftung eine Schaufensterfolge am Kaufhof einfallen, bei der die schreckliche Geschichte der Räuberbande erzählt wird bis zur Hinrichtung der Männer 1812 in Heidelberg. So nah der Schnatz-Zyklus die Personen bringen kann – ihr soziales Umfeld, Hunger und Elend werden hier noch einmal anders vermittelt.
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