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Schillertage in Mannheim starten mit „Still I Choose to Love“-Premiere

„Still I Choose to Love“ von Lakshman KP thematisiert das Kastensystem in Indien. Inspiriert hat den Theatermacher Schillers „Kabale und Liebe“.

Von 
Martin Vögele
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Regisseur und Autor Lakshman Kachanahalli Poojahanumaiah vorm Theaterhaus G7, wo sein Stück „Still I Choose to Love“ geprobt und Premiere feiern wird. © Martin Vögele

Mannheim. Von Schillers Drama „Kabale und Liebe“ ließ sich der indische Theatermacher Lakshman Kachanahalli Poojahanumaiah (kurz: KP) zu seinem Stück „Still I Choose to Love“ inspirieren, das am 19. Juni zur Eröffnung der Schillertage am Mannheimer Theaterhaus G7 aufgeführt wird. Wir sprachen mit KP über seine Uraufführung und wie sich darin das indische Kastenwesen widerspiegelt.

Herr Kachanahalli Poojahanumaiah, die indische Regierung will ab nächstem Jahr eine Volkszählung durchführen, bei der nicht nur die Zahl der Menschen erfasst werden soll, sondern auch, welcher Kaste sie angehören. Offiziell ist das Kastensystem seit langem verboten. Welche Rolle spielt es in der Realität?

Lakshman KP: Ja, laut unserer Verfassung ist es illegal, das Kastenwesen zu praktizieren. Aber wir tun es. Wir sehen es überall. Die Kaste ist präsent in dem, was man isst, wo man lebt, mit wem man zu tun hat, in wen man sich verliebt, wen man heiratet. Im Grunde genommen beeinflusst die Kaste jeden einzelnen Bereich des Lebens in Indien – tagtäglich.

„Still I Choose to Love“ ist inspiriert von Schillers „Kabale und Liebe“, das vom Adeligen Ferdinand und der Bürgerlichen Luise erzählt, deren Beziehung durch eine höfische Intrige tödlich endet. Wie stellen Sie die Verbindung her?

KP: In der indischen Gesellschaft wirkt das Kastenwesen wie eine unsichtbare Intrige, die das Liebesleben und die Beziehungen beeinflusst. Und hier, in „Kabale und Liebe“, sieht man, wie die Hochgestellten diese Intrigen spinnen. Sie wollen Macht. Und dafür lassen sie die Untergebenen tragisch sterben. Meiner Meinung nach propagiert der indische Staat – auch wenn wir ihn eine Demokratie nennen – das Kastenwesen. Er sorgt dafür, dass die Kasten und ihre Hierarchien existieren. Selbst, wenn es sich so anfühlt, als stünde es einem offen, jeden zu wählen, jeden zu lieben, ist das nicht der Fall. Deshalb versuche ich, diese Ebene der Kaste als unsichtbare Intrige einzubringen. Die Liebesgeschichte aus dieser Perspektive zu betrachten, daran konnte ich anknüpfen.

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Sie inszenieren mit zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspielern – die vier Sprachen sprechen?

KP: Ja, wir haben Chandrashekara (Kempaiah), der aus Karnataka kommt und Kannada spricht – was auch meine Muttersprache ist. Schauspielerin Devaki (Rajendran) kommt aus Südindien, aus Kerala, sie spricht Malayalam. Und zwei von uns kommen aus Deutschland (David Smith und Larissa Voulgarelis), als gemeinsame Sprache haben wir Englisch. Unser Stück spielt in einem sehr lokalen Kontext, und um eine sehr lokale Geschichte zu erzählen, war es für mich wichtig, diese Sprachen zu bewahren. Wenn ich Chandrashekara auf Kannada spielen sehe, hat das eine ganz andere Qualität, eine ganz andere Ausdruckskraft. Die Sprache bringt ihren eigenen Rhythmus und ihre eigene Schönheit mit in die Performance.

Bringt das Ensemble neben der Sprache oder auch eigene Hintergründe mit ein?

KP: Sie bringen buchstäblich alles mit ein. Wir haben die Figuren gemeinsam entwickelt, wir haben diskutiert, wer sie sind, woher sie kommen. Wir haben diese Figuren kollektiv aus unser aller Vorstellungskraft kreiert. Sie bringen ihre Erinnerungen, ihre Verbindung zur Welt und zur Liebe, zur Kaste, zu Gender mit ein.

Stichwort Gender: Wie sehr geht es beim Blick auf die Kaste auch um die Frauen in der Gesellschaft?

KP: Ich denke, Kaste und Geschlecht sind sehr eng miteinander verbunden in Indien. Das Kastenwesen überlebt, weil es versucht, Macht über Frauen auszuüben. Seine fundamentale Regel ist, dass es dir nicht erlaubt ist, jemanden aus einer anderen Kaste zu heiraten, und du darfst dir auch nicht aussuchen, wen du innerhalb deiner Kaste liebst. In dem Moment, in dem wir über die Kaste sprechen, sprechen wir auch über Genderfragen. Die Kaste ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die mit so vielen anderen Dingen verbunden ist.

Zum Stück

  • Die 23. Internationalen Schillertage des Nationaltheaters Mannheim (NTM) finden von 19. bis 29. Juni statt.
  • Die deutsch-indische (deutsch und englisch übertitelte) Koproduktion „Still I Choose to Love“ ist in Zusammenarbeit von Theaterhaus G7 und NTM entstanden. Die (ausverkaufte) Premiere ist am 19. Juni im Theaterhaus G7. Weitere Vorführungen gibt es am 21., 23., 25., 27. und 28. (jeweils 20 Uhr) sowie 29. Juni (18 Uhr), am 21., 25., und 27. mit Nachgesprächen.
  • Am 22. Juni, 17 Uhr, ist KP zudem bei der NTM-„Vorgarten“-Publikumsakademie am Alten Kino Franklin zu Gast.
  • Info: www.nationaltheater-mannheim.de. mav

Noch einmal zu „Kabale und Liebe“: Wie viel Schiller findet sich in „Still I Choose to Love“?

KP: Für mich ist der Eindruck sehr wichtig, den ein Text beim Lesen hinterlässt. Der Eindruck von Schiller ist hier ziemlich stark. Wenn man sich zum Beispiel Luise ansieht: Sie ist ein so unschuldiger Charakter und doch so kraftvoll. Wir transformieren und verteilen diese Eindrücke gewissermaßen. Schiller ist präsent in einem tieferen Sinn. Ich habe begonnen, ihn mit der Welt, aus der ich komme, zu verbinden. Und es ist so interessant zu sehen, dass eine Geschichte in verschiedenen Ländern leben kann. Sie kann reisen, verändert vielleicht ihre Gestalt und ihre Farben, aber findet dann an einem anderen Ort ihren Platz.

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