Mannheim. Auch am zweiten Tag des 14. und letzten Maifeld Derbys halten die Hauptattraktionen, was die großen Namen versprechen: Allen voran Franz Ferdinand, The Notwist aus Oberbayern und „Festival-Veteran“ Konstantin Gropper, der als Wahl-Mannheimer die kürzeste Anfahrt hatte. Der Kopf hinter der Indie-Pop-Attraktion Get Well Soon war mit dieser Band 2011 einer der ersten Headliner bei der Premieren-Ausgabe des Festivals – und Derby-Veranstalter Timo Kumpf spielte bis vor sechs Jahren darin Bass. Ihre kleine Wiedervereinigung beim Projektkonzert „Konstantin Gropper & Friends“ sorgte für anrührende Szenen auf dem Parcours d‘Amour.
Die kleine Bühne vor der Tribüne macht ihrem Namen alle Ehre: Denn als Gropper Kumpf für zwei eindrucksvolle Get-Well-Soon-Klassiker auf die Bühne holt, verteilt das Publikum von den voll besetzten Rängen eine riesige Welle aus Dankbarkeit Liebe. Es gibt sofort und mehrfach Standing Ovations, „Timo, Timo“ wird skandiert und dann andächtig der Musik gelauscht, wie es sich beim Maifeld Derby gehört. Der Maifeld-Macher zeigt sich gerührt, hält aber keine große Dankesrede, sagt nur mit Blick auf den Get-Well-Soon-Kopf: „Es ist mir eine wahnsinnige Ehre, mit diesem Menschen auf einer Bühne zu stehen.“
Alex Mayr widmet dem Maifeld Derby ein Liebeslied
Zuvor hatte Groppers Kompositionspartnerin Alex Mayr an gleicher Stelle einen ähnlichen Effekt ausgelöst, als sie ihr Konzert mit einer sehr persönlichen Hymne an der Maifeld Derby abschloss. Mit dem lautstark umjubelten Refrain „Maifeld Derby, ich liebe deine Natur, und den Sonnenuntergang im Parcours d‘Amours.“ Diese Lektionen in Wehmut treffen absolut den Nerv des sentimental anmutenden Publikums.
Davor spielt die Wahl-Mannheimerin ein eigenes Konzert mit wechselnder Bandbesetzung und unter anderem Gropper an der Gitarre. Dabei sind erstmals seit dem Pandemie-Album „Park“ (2021) und dem kreativen Abo, das Netflix auf Serienmusik und Soundtrack-Beiträge von Mayr und Gropper hat, neue Songs wie „Taxi“, der Schlussnummer ihrer geplanten nächsten Platte, zu hören, die allesamt ein wenig schwermütig daherkommen.
Festival als Kristallisationspunkt der Mannheimer Indie-Pop-Szene
Die 39-Jährige ist auch Teil des Freundeskreises, der Groppers („Ich wollte nie unter meinem bürgerlichen Namen auftreten“) mit Spannung erwartete All-Star-Show begleitet. Mit Verena Gropper an der Geige und als effektvolle Background-Sängerin kommt das Lineup der ersten Get-Well-Sonn-Besetzung zeitweise recht nah. Neben Mayr und Kumpf bekommt Ziggy HasArdeur einen Platz im Rampenlicht. Das wirft ein Schlaglicht, dass das Maifeld Derby auch ein Kristallisationspunkt einer zum Großteil an der Popakademie sozialisierten Mannheimer Indie-Pop-Szene ist. „Hier haben wir unser Studiokollektiv gegründet“, sagt Gropper mit Blick auf HasArdeur.
Zu hören gibt es gemeinsame Lieder, etwa über die Multihalle. Auch mit Mayr gibt es erstmals live Auszüge aus der gemeinsamen Arbeit für diverse Medien. Die Show endet mit Elton Johns „Goodbye Yellow Brick Road“, das Gropper zur Geschichte Timo Kumpfs umdeutet: „Was viele nicht wissen: Der Song handelt von einem jungen Mann, der aus dem Odenwald in die große Stadt zieht, um ein Indie-Festival zu gründen.“
Laut, direkt und elektrisierend: Franz Ferdinand feiern beim Maifeld Derby
Das ist wie immer ambitioniert und hochklassig. Die Umstellung auf den sehr viel gradlinigeren Dampfhammer-Indie-Ansatz von Headliner Franz Ferdinand im Palastzelt ist danach (und dem wie immer großartigen Auftritt von The Notwist) gar nicht so einfach. Wobei das Gros des dortigen Publikums hörbar wegen der Gitarrenrocker um Sänger Alex Kapranos gekommen sind. Der lässt sich von der druckvollen Begeisterung aus dem Publikum euphorisieren. So schaukelt sich die Stimmung vom ersten Song, dem Klassiker „The Dark Side Of The Matinee“ immer weiter hoch, die gut verteilten Hits „Take Me Out“ oder „This Fire“ als letzte Zugabe könnten die am lautesten bejubelten Songs der Festivalgeschichte sein.
Selbst Kapranos würdigt mehrfach das letzte Jahr des Festivals, das einen der sehr rar gesäten Auftritte von Franz Ferdinand nach Mannheim gebracht hat. Bislang war die Band in der Region in der Region nur einmal live zu erleben, 2013 beim Rock-`n‘-Heim-Festival auf dem Hockenheimring. Im mit wunderbar krachender Gitarrenarbeit ausgedehnten „This Fire“ eskaliert Kapranos Euphorie total, und er dichtet die letzten Zeilen um zu „Maifeld Derby is out of control, we‘re gonna burn this city!“
Auch das Unwetter kann die Stimmung nicht trüben
So schlimm wird es aber nicht. Auch das am frühen Abend vorüberziehende Gewitter wird mit großer Festival-Routine ausgesessen. Das Publikum wird gebeten, unter der Tribüne des Reitstadions oder im Palastzelt Schutz zu suchen. Dort verlängert Songwriterin Sophia Kennedy, die als Krankheitsfall-Vertretung kurzfristig für Sylvie Kreusch eingesprungen war, ihr Konzert ein wenig.
Aus dem in manchen Momenten cineastisch anmutenden, dunkel-opulenten Pop-Sound der Musik Sophia Kennedys eine Verbindung zum James-Bond-Film „Skyfall“ (übersetzt: Wolkenbruch) abzuleiten, mag gerade nicht die kreativste Gedankenleistung sein. Aber als die Sängerin und Keyboarderin mit ihrem Trio im Palastzelt spielt, hat es zu winden begonnen, Regen setzt ein. Im Zuge einer vom Deutschen Wetterdienst ausgegebenen Unwetterwarnung werden die Besucherinnen und Besucher auf dem Festivalgelände dazu angehalten, das Zelt (respektive die Tribüne beim Parcours D‘damour) aufzusuchen und dort zu verbleiben. Gegen 18.45 Uhr kann Festivalleiter Timo Kumpf endgültig Entwarnung und somit nach halbstündiger Verzögerung auch die Open-Air-Bühne(n) wieder frei geben. Es regnet zwar noch, und der folgende Programm- und Zeitplan des Festivals wird von dem Gewitter nicht unbeeinflusst bleiben, aber immerhin: Es geht weiter!
Die Leichtigkeit des Pop gegen die trübe Witterung
Strongboi, die Formation um Keyboarder Ziv Yamin und Sängerin Alice Phoebe Lou, setzen der trüben Witterung unter freiem Himmel die unbedingt erträgliche Leichtigkeit des Pop entgegen - was sich wie eine licht-luftige The-Cardigans-Sonnendusche gegen jeden Anflug von Tristesse anfühlt.
Während über der Palastzeltbühne gleich wieder neue Wolken aufziehen - diesmal aber sind sie musikalischer Natur und hochwillkommen: Das britische Duo King Hannah, alias Sängerin Hannah Merrick und Gitarrist Craig Whittle, spielen mit ihrer Band wunderbar spröde, mit dunkler Ennui-Energie geladene Post-Punk-Variationen, die einen in satten Sonic-Youth- und PJ-Harvey-Stimmungen schwelgen lassen.
Die von den Singer-Songwritern Francesco Wilking und Moritz Krämer gegründete Gruppe Die Höchste Eisenbahn legt bei ihrer Open-Air-Durchfahrt dann wieder eine bestechend heitere Indie-popmusikalische Unbekümmerheit an den Tag.
Uzi Freyja kann derweil ihren Auftritt in der Freiluft-Arena-nachholen, was die französische Rapperin mit nachgerade umwerfender Electro-Punk-Energie tut. Ähnlich kraftvoll-wuchtig gerät zu späterer Stunde am selben Ort der Auftritt des österreichischen NNDW-Punk-Sängers Salò und seiner Mitstreiter.
Die oberbayerischen Granden des Indietronic-Rock: The Notwist
Mit dem Auftritt von The Notwist erreicht das Festival dann wieder vollends den vorgesehenen Zeittakt und findet zugleich zu einem programmatischen Höhepunkt: Die oberbayerischen Granden des Indietronic-Rock kreieren auch bei ihrem dritten Maifeld-Auftritt aus nachgerade mathematischer Klangkomplexität und entrückt scheinender, subtil-sensibler Melodik eine unverwechselbare, auratische Klangsynthese. Wobei die Gruppe um Sänger und Gitarrist Markus Acher sowie Bassist Micha Acher in manchen, packend eruptiven Momenten auch ihre Vergangenheit als Hardcore-Punk-Band aufscheinen lässt.
Auf der Open-Air-Bühne liefert die Band Psychedelic Porn Crumpets anschließend schneidend scharf geschliffenen psychedelischen Hardrock, den die Australier mit frappierender Verve aus den Lautsprechern hervorbrechen lassen.
Der zweite Festivaltag endet elektronisch um 2 Uhr, mit einer erstaunlich organisch klingenden Techno-Art mit Live-Instrumenten der Belgier Tukan.
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