Mannheim. Friedrich Schillers bürgerliches Trauerspiel „Kabale und Liebe“ hat viele Facetten. Es erzählt die unbotmäßige Liebe des Adeligen Ferdinand und der Bürgerlichen Luise, handelt von der Auflehnung gegen die Eltern und von einem unheilvollen Ränkespiel, das die jungen Liebenden in den Tod reißt. Regisseurin Charlotte Sprenger inszeniert „Kabale und Liebe“ zum Auftakt der Schillertage am Mannheimer Nationaltheater, Premiere ist am 19. Juni im Alten Kino Franklin.
Auf welchen Aspekt legt die Regisseurin ihren Fokus? Natürlich sei es ein Stände-Drama, auch wenn sie in dieser Hinsicht vieles geändert hat seit dem späten 18. Jahrhundert. Ebenso sei das Generationen-Drama darin sehr wichtig, meint Sprenger. „Aber es gibt noch eine andere Spur in dem Stück, die ich ebenfalls interessant fand“, sagt sie – nämlich, dass es „ein Macht-Krimi“ sei.
Darin werde von einem Vater erzählt, Präsident von Walter (gespielt von Boris Koneczny), der sich an seine Macht klammert, der um seinen Stand und Ruf fürchtet, nachdem er unerhörte Schuld auf sich geladen hat: Ein Mord ebnete ihm einst den Weg ins Amt. „Er ist wirklich ein Verbrecher“, so Sprenger.
Sein Sohn Ferdinand (Bruno Akkan) soll mithin unter dynastischen Gesichtspunkten standesgemäß verheiratet werden. „Das habe ich gestärkt, dass er wirklich um den Machterhalt geht und der Sohn dafür benutzt wird“, führt die Theatermacherin aus. Luise (Shirin Ali) „ist im Endeffekt als Mensch nicht genug wert“, in einem „durchkapitalisierten System“, in dem die Liebe als Ware gehandelt werde. In dem Stück, in dem die Männer bis zum Schluss so schamlos agierten, spiele zudem eben jene Scham eine wesentliche Rolle: „Wer sollte sich schämen, wer schämt sich und was löst die Scham aus?“
Schillers Sprache: „Extreme Dichte“ und „eine Kunstform“
Sie lasse eher viel weg, „als dass ich viel verändert hätte“, beschreibt die Regisseurin ihre Textfassung. Schillers Sprache besitze „eine extreme Dichte, über die sich viel transportiert, auch über den Rhythmus“, sie sei „eine Kunstform“. „Deswegen haben wir sie sehr ernst genommen, ich glaube, sonst muss man das Stück nicht machen.“ Aber es wurde gleichwohl stark gekürzt und manches auch geändert. Die vielleicht größten dramaturgischen Veränderungen seien einerseits, dass Luise bei ihr keinen Vater, sondern nur eine alleinerziehende Mutter (Ragna Pitoll) hat – die aber viel Stücktext des Vaters spricht.
Daneben ist Hofmarschall von Kalb hier die Frau von Kalb (Rahel Weiss): eine Art „Verwandlungskünstlerin“, die uns im Unklaren lässt, wo sie im Macht-Spektrum zu verorten ist. „Ein bisschen eine Narrenfigur“. Aleksandra Pavlovićs Bühne sei eine Art abstrakter Palast, ein geschlossener zweistöckiger Raum, der etwas von einem Atrium oder Innenhof habe. Versteckt dahinter gebe es drei Privatzimmer, in denen die Intrigen gesponnen werden. Viel werde mit Videos und medialen Mitteln gearbeitet, Jonas Landerschier sorgt indessen für Livemusik.
Nach „Der gute Mensch von Sezuan“ ist „Kabale und Liebe“ Sprengers zweite Inszenierung in der Schillerstadt Mannheim. „Und ich habe bei der genauen Beschäftigung mit dem Stück gemerkt, wie gerne ich es mag“, erläutert sie: „Es wächst und wächst, wie eine Blume, die immer mehr aufgeht.“ Es sei „wirklich eine schöne Erfahrung“.
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