Mannheim. „Jetzt haben wir die großen Themen der Zeit durch – gibt‘s Fragen?“ So knapp, trocken und trotzdem witzig wie seine gut 100 Minuten Programm im fast ausverkauften Mannheimer Capitol gerät auch Rolf Millers Überleitung zur kurzen Zugabe – die pointiert an die kabarettistische Frühzeit des 58-Jährigen als Radio-Parodist erinnert.
Ansonsten ist bei seiner 1998 mit dem Heidelberger „Zungenschlag“-Macher Axel Naumer kreierten Kunstfigur der Programmtitel „Wenn nicht wann dann jetzt“ Programm: Die rund 600 Zuschauenden lachen über Lückentexte und verdrehte Halbsätze im Odenwälder Dialekt, bei denen Pausen, Auslassungen und Verdrehungen ein semantisches Flimmern ergeben, das alles, was die so bodenständige wie breitbeinige Hauptfigur im Brustton der Überzeugung an Lebensweisheiten von sich gibt, infrage stellt. Einfaches Beispiel: „Nach mir die Waldfee …“ – holla!
Der „Struwwelpeter“ zum Einschlafen und die Folgen
Was ganz gut ist, weil der Typ der in kurzer Hose durchweg sitzend bemerkenswert austrainierte Fußballerwaden zur Schau stellt, ist ein typischer älter werdender weißer Mann. Seine eigene Familie ist eher ein Klotz am Bein, auch wenn erstmals von drei Kindern im Hause Miller die Rede: Beim Ältesten fällt ihm gerade der Name nicht auf, die Mittlere ist lobenswert unsichtbar… vermutlich ein normales Familienbild, wenn man selbst den „Struwwelpeter“ zum Einschlafen vorgelesen bekommen hat. Das habe mit dem „Hans-Guck-Ding“ am Ende aber gut funktioniert….
Er spottet auch gern und ausführlich über den Rest der weinerlichen Jugend von heute, Klimakleber, Veganer, Windräder und so weiter. Wenn er nicht vom Rand der Metropolregion Rhein-Neckar käme, könnte er glatt vom Verzehr von Grillgut leben und bayerischer Ministerpräsident werden. Spannend ist dabei, dass so die Inhalte in der Schwebe bleiben: Es ist ja nicht alles grundfalsch, was er da daherredet – aber alles ist hintersinnig. Vermutlich … So entsteht Kabarett im Dialekt-Comedy-Pelz…
An diesem Abend ist aber nicht nur die Gedankenarbeit anstrengend fürs Publikum. Der Ton kommt an einigen Stellen im Saal etwas zu leise an. Das erschwert das Zuhören, auch wenn man und frau in Mannheim Millers Mundart normalerweise gut verstehen. Kein Wunder, hat der studierte Verwaltungswissenschaftler am Anfang seiner Karriere doch einige Zeit im Stadtteil Neckarau gelebt.
Millers Programme sind nie komplett neu. Man begegnet auch immer wieder bekannten Modulen. Die funktionieren dann wie Popsongs: Man freut sich, sie wieder zu hören. Auch, wenn Klimakleber kaum noch aktiv sind und Nancy Faeser nicht mehr SPD-Innenministerin. Der Gag über ihre Auftritte bei der Fußball-WM in Katar mit Regenbogen-Insignien sind trotzdem zeitlos: „Deutsche Außenpolitik mit Armbinde – Obacht! Das ist ein … ganz schmaler Spagat.“
„Ich will hier niemand unnötig beruhigen“
Überhaupt spielt Politik eine deutlich größere Rolle als früher bei Miller. Und wenn man das Programm Revue passieren lässt, versucht er tatsächlich eine positive inhaltliche Klammer um den Blick auf all das Elend aus Krisen, Kriegen, Bundesregierungen, Familie und Fußball („noch drei Bundestrainer bis zur WM“) zu legen: Er beginnt mit „Ich muss sagen: einwandfrei! (…) So gut war es noch nie“ – was nicht nur sein eigenes keckerndes Lachen provoziert. Und obwohl Miller zwischendurch treffend falsch formuliert, dass die Deutschen heute nur noch die Besten darin seien, „immer keine Panik zu vermeiden“, endet die Show beinahe hoffnungsvoll: „Ich will hier niemand unnötig beruhigen, aber Du musst nach vorn … dann siehst du den Tunnel am Ende vom Licht.“ Ansonsten gilt: „Das Leben ist kein Pony-Ding… kein Pony-Schlecken.“
Die nächste Gelegenheit Rolf Millers aktuelle Show zu sehen, bietet sich schon am 10. Oktober im Bensheimer Parktheater. Im Schwetzinger Lutherhaus spielt er am 24. Januar. Im Mannheimer Capitol ist er zwar wieder am 3. Oktober zu sehen, aber erst 2027. Dann mit dem neuen Programm „Ich sag nix“ – auch der Titel klingt programmatisch. Alle Termine: rolfmiller.de.
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