Schillertage

„Geld ist Klasse“ - Marlene Engelhorn bei Schillertagen in Mannheim

Von mehr als 27 Millionen Euro, die ihr durch die Großmutter zufielen, hat sie nur zwei Millionen behalten. Die Erkenntnisse von Marlene Engelhorn bringt das Stück „Geld ist Klasse“ im Franklin-Kino auf den Punkt

Von 
Christel Heybrock
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Ungleichheit und Überreichtum thematisiert Lothar Kittsteins Theaterstück. Hier ringen (von links) Volker Lösch, Marlene Engelhorn und Marlene Reiter spielerisch um Macht und Geld. © Christian Knieps

Mannheim. Dass unvorstellbare Reichtümer von gefährlichen Politclowns wie Donald Trump oder genialen Irren wie Elon Musk nicht mit rechten Dingen zugehen, ist wohl jedem klar. Aber auch hierzulande gibt es Vermögen, die weder durch seriöse Arbeit noch durch zündende Patentideen zustande kamen – es sei denn das Patent, unterm Mantel der Seriosität illegal zu handeln… - wie war das noch mit Cum-Ex?

Reichtümer können nicht legal ständig weiter wachsen

Reichtum, sagt Millionenerbin Marlene Engelhorn, kann niemals durch Arbeit erworben werden, vergessen Sie dieses Märchen. „Geld ist Klasse“ heißt das Theaterstück von Lothar Kittstein, das ihre soziofianziellen Erkenntnisse auf den Punkt bringt, „Klasse“ in mehrfacher Hinsicht, aber Geld ist vor allem Macht, Machtmissbrauch – und ein großes Vermögen einfach kriminell: Der Besitzer nimmt es anderen Leuten legal weg, Politik und bürgerliche Gesetze machen’s möglich.

Marlene Engelhorn hat von mehr als 27 Millionen Euro, die ihr durch die Großmutter zufielen, nur zwei Millionen behalten – ein Bürgerrat entschied über die Verteilung. Sie ist nicht nur durch die zahlreichen Stiftungen ihrer Familie in Mannheim ein Begriff, sondern nun auch bewundertes Beispiel für ethisches Handeln.

Marlene Engelhorn, progressive Erbin und Spenderin Mannheimer Millionen, bei ihrem Auftritt in "Geld ist Klasse!" bei den Schillertagen im Alten Kino Franklin. © Christian Knieps

Im Rahmen einer bis Ende Februar dauernden Tournee steht sie auf der Bühne und spielt sich selbst, begleitet von Marlene Reiter und dem temperamentvollen Agitprop-Theatermann Volker Lösch.

Der heizt ordentlich ein. Die Bühne im brechend vollen Franklin-Kino ist zwar schwarz und leer bis auf zwei goldene Schemel, auf denen die Akteure immer mal diskutieren, aber dafür dröhnt der Saal von Löschs herausgeschleuderten Sentenzen, von Statistiken, bekannten und verheimlichten Fakten aus der Finanzwelt, denen die beiden Marlenes sekundieren oder je nach Aussage widersprechen.

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Ein fiktiver Auftritt Christian Lindners ist auch dabei

Eine verbale Daueremphase braust einem entgegen, mitunter gesteigert durch rhythmisch bunte Lichteffekte. Und die Agitprop-Hämmerei, die das Bewusstsein des Publikums wecken soll, ist nicht alles. Szenische Effekte wie ein langes Seil, an dem die unendliche Ferne der Milliardenvermögen von den Einkünften kleiner Leute demonstriert wird, sind steigerungsfähig, etwa durch einen fiktiven Auftritt Christian Lindners oder die choreographisch gestylte „Neid-Debatte“.

„Leute, werdet solidarisch, gründet Bürgerinitiativen!“

Es ist Theater wie aus alten Zeiten, aber von Wut und Erkenntnis getrieben – handelnde Personen sind keine Individuen, sondern Repräsentanten von Thesen. Mitunter dämmert gar mittelalterliches Mysterienspiel herauf, etwa wenn Marlene Reiter als „Republik“ in weißem Gewand mit roter Toga argumentiert und entkräftet zu Boden sinkt.

Dass die zweifelhaften, aber effektiven Gesetze der Finanzwelt nicht zum Spaß vorgeführt werden, erweist sich zum Schluss, als das Team die Zuschauer zu Solidarität und Gründung von Bürgerinitiativen ermuntert. Und das Publikum ist völlig aus dem Häuschen, stehende Ovationen, Begeisterungsschreie, das Kino vibriert.

Leute, wenn ihr dieses Temperament bis zur nächsten Wahl durchhaltet, könnte aus dem Land noch was werden!

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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