Mannheim. „Crazy“ sei der Tag gewesen, also verrückt, gibt Christian Holtzhauer zu, der Schauspielintendant. Und doch lässt er am ersten Tag in der neuen Ersatzspielstätte seines Ensembles, dem umgebauten früheren Kino der US-Armee in Franklin, bei der Hauptprobe zu Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ Publikum zu – auch wenn noch nicht alles klappt. Die offizielle Premiere ist ja erst am Freitagabend.
Bereits in der Stadtbahn aus der Innenstadt spürt man, wer an diesem Abend ins Schauspiel geht – es sind die Menschen, die sich unsicher umblicken, um ja die richtige Haltestelle nicht zu verpassen. Die Nahverkehrsanbindung ist nicht so gut wie bei der Vorstellung der Ersatzspielstätte angepriesen. Die Linie 5 verkehrt nur alle 20 Minuten, nachts und sonntags alle halbe Stunde.
Eröffnung
- Eröffnet wird die neue Spielstätte am Freitag, 10. Februar, mit der (ausverkauften) Premiere von Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“.
- Am 11. und 12 Februar ist das Eröffnungswochenende mit Theaterführungen (Reservierung erforderlich unter Tel. 0621/1680-150), Kostümversteigerung, einem Solo von Matthias Breitenbach aus „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, Tanzvorführungen, Kostümverkauf und Bühnendarbietungen von Schauspiel und Tanz.
Wer aussteigt, steht im Dunklen – die Haltestelle ist schlecht beleuchtet. Bis die ersten (im Dunklen sichtbaren) Schilder auftauchen, die auf den neuen Theater-Standort hinweisen, dauert es. Ein großes Schild an der Fassade gibt es dort nur, wenn man aus der anderen Richtung kommt. Und an den unsicheren Schritten vieler Menschen merkt man: Es ist eine Gegend, in der viele Mannheimer noch nie waren – es lebten ja hier lange nur Amerikaner.
Für 15 Millionen Euro wurde ihr altes Kino zur Ersatzspielstätte umgebaut – und der erste Eindruck der Besucher ist sehr gut. „Sehr positiv“ empfinde er die Atmosphäre, lobt Gunter Würthwein. Er habe das Gebäude sofort gefunden, sei am Parkplatz eingewiesen worden. „Sehr positiv“ ist auch die erste Reaktion von Johanna Reiser: „Improvisiert, aber sehr offen, bunt, freundlich – man muss sich halt darauf einlassen“, meint sie. „Bunt, schön, begeisternd“, ergänzt Hedwig Winkler. „Großartig, sehr munter von der Farbe her“, lobt ebenso Gert Otto.
Kaffeemaschine fehlt
Denn obgleich die Wände überwiegend schwarz sind, so tauchen doch an vielen Stellen sehr farbenfrohe Akzente auf – gelb, grün, blau, rot, lila, orange. Und in dieser Palette sind zudem Tische und Stühle von Foyer und Theatercafé gestrichen. Es handelt sich um das alte, verkratzte, aber nun gut aufgearbeitete Mobiliar der Kanine des Nationaltheaters am Goetheplatz und ist nicht mehr wiederzuerkennen.
Im Theatercafé gibt es noch keinen Kaffee – die Kaffeemaschine ist bisher nicht geliefert. Einen Pächter hat das Nationaltheater noch nicht gefunden; daher bedient nun das Team vom Werkhaus-Casino. Das sind an dem Abend, zu dem überwiegend die Freunde und Förderer des Nationaltheaters eingeladen worden sind, eindeutig zu wenig Leute, weshalb es vor dem Tresen viel Gedränge gibt.
Und nicht nur da, auch vor den Toiletten, an der Garderobe, am Eingang. „Es ist schon ein bisschen eng“, findet Olaf Rinio: „Mein Eindruck ist, dass, wenn viele Besucher gleichzeitig kommen, dann das Foyer zu eng ist – aber das ändert sich vielleicht im Frühjahr, wenn die Leute dann auch draußen stehen“, hofft er. Aber an dem Abend stehen die Besucher im Foyer so dicht beieinander, dass manch einer plötzlich seine Maske aus der Tasche holt und sie aufsetzt. „Wenn es so voll ist, ist es schon heftig, schon sehr eng“, findet auch Elke Lüdecke.
Akustik und Lüftung
Das Einlasspersonal – alle in neuen T-Shirts mit dem Aufdruck „Theater ist jetzt großes Kino“ – hat enorm viel zu tun, ist aber wie immer sehr freundlich, sehr hilfsbereit. Schließlich kennt hier keiner die Wege zu den Plätzen, es ist ja alles neu. Viele Menschen tun sich schwer, weil Handläufe an den Treppenaufgängen fehlen. „Da müssen unbedingt noch Geländer hin“, findet daher Elfriede Breitwieser. Das Gebäude sei „soweit ok – wenn etwas Vernünftiges aufgeführt wird“, schränkt sie ein, aber beim Umbau habe man das Beste aus dem Gebäude gemacht, und auch die Akustik sei gut. „Das Haus ist sehr gut gelungen, und selbst wenn noch einiges zu tun ist – das kriegen die hin“, äußert sich Petra Eder, stellvertretende Vorsitzende der Freunde und Förderer des Nationaltheaters, überzeugt.
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Die 501 weinrot gepolsterten Stühle finden viele Leute sogar bequemer als die Klappsitze im Schauspielhaus am Goetheplatz. Aber dass etwa die Nummerierung der Stuhlreihen viel zu klein und sehr schlecht lesbar ist, fällt an dem Abend auch Schauspielintendant Christian Holtzhauer gleich auf. „Wir kommen ja gerade erst hier an“, erklärt er in seiner Begrüßung – und tatsächlich ist bis kurz vor der Öffnung im und am Haus gearbeitet worden. Manche Kleinigkeiten werden noch gerichtet oder verändert, als sich längst das Publikum im Foyer befindet.
Holtzhauer dankt seinen Mitarbeitern daher, dass sie „dennoch die Nerven behalten“ haben. Man werde „mindestens viereinhalb Jahre hier bleiben“, verweist er auf die geplante Dauer der Generalsanierung am Goetheplatz, doch noch sei alles neu und nicht fertig. „Wir müssen erst herauskriegen, wie bestimmte Dinge funktionieren, und werden dazu eine Weile brauchen“, wirbt er etwa mit Blick auf Akustik und Klimaanlage um Verständnis. Und prompt gibt es Probleme mit der Entlüftungsanlage, weshalb die Luft so stickig wird, dass einige Leute in der Pause gehen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neue Nutzung vom Alten Kino in Mannheim: Gelungener Umbau