Mannheim. Es hängen noch ein paar Kabel von der Decke, im Foyer fehlt die Theke für Kasse und Café, in einer Toilette fließt noch kein Wasser, und der Boden ist teilweise mit Folie abgedeckt – aber egal: An diesem Dienstag beginnt das Nationaltheater im Alten Kino im Neubaugebiet Franklin mit den Endproben, und mit der Premiere am 10. Februar wird die neue Ersatzspielstätte für Schauspiel und Ballett dann endgültig eröffnet.
„Die wichtigsten Arbeiten sind abgeschlossen – ich bin optimistisch“, freute sich Schauspielintendant Christian Holtzhauer, als er und Tanz-Intendant Stephan Thoss symbolisch die Schlüssel für das Gebäude übernahmen. Die übergab Achim Judt, der Geschäftsführer der städtischen Entwicklungsgesellschaft MWSP, die für das Neubaugebiet verantwortlich ist. Sie baute seit November 2021 das ehemalige Kino der amerikanischen Streitkräfte, in dem 2011 der letzte Film lief, für das Nationaltheater um.
Kosten erhöht
Der Umbau verzögerte sich allerdings – ursprünglich sollte Einzug im September 2022 und im Dezember die erste Premiere sein. „Das haben wir nicht ganz geschafft“, räumte Judt jetzt ein und sprach von einer „enormen Herausforderung“ angesichts von Lieferschwierigkeiten, Corona-Pandemie und Problemen beim Umbau des alten US-Gebäudes. Die Umbaukosten hätten sich daher auf 15 Millionen Euro erhöht, so Judt, „während der Bauzeit sind aber auch die Anforderungen gestiegen“, so der MWSP-Geschäftsführer.
Das Eröffnungswochenende
- Eröffnet wird die Spielstätte am Freitag, 10. Februar, um 19 Uhr mit der Premiere Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ zum 125. Geburtstag des Autors. Brecht schrieb von 1938 bis 1940 an diesem Klassiker über die Regeln des Kapitalismus und die Ungerechtigkeiten, die er produziert.
- Am 11. und 12 Februar ist das Eröffnungswochenende mit Theaterführungen (Reservierung erforderlich unter Tel. 0621/1680-150), Kostümversteigerung, einem Solo von Matthias Breitenbach aus „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, Tanzvorführungen und Kostümverkauf.
- Anfahrt: Haltestelle „Platz der Freundschaft“ der Linien 5 (Straßenbahn), 56 und 66 (Bus), dann kurzer Fußweg. Es gibt Fahrradstellplätze und eine VRNnextbike-Station.
- Es sind kostenpflichtige Parkplätze neben dem Gebäude vorhanden.
Das maximal 501 Plätze in einem flexiblen Zuschauerraum, ein bespielbares Foyer und ein Theatercafé bietende Gebäude wird von der MWSP für die Zeit der Generalsanierung des Nationaltheaters, derzeit geplant sind fünf Jahre, vermietet. Die Bühne verfügt über eine feste Drehscheibe für schnelle Verwandlungen, aber keinen Bühnenturm. Ein Großteil der Licht-, Ton- und Videotechnik wurde am Goetheplatz ausgebaut und hier installiert.
Und auch wenn es nur „fast fertig“ sei, fand Kulturbürgermeister Michael Grötsch mit Blick in den großzügigen Zuschauerraum „den ersten Eindruck grandios“. Der Umbau sei zwar „kein einfacher Prozess“ gewesen, berichtet er: „Es gab die einen oder anderen Reibereien“, so Grötsch. Doch nun stehe dem Nationaltheater eine beeindruckende Ersatzspielstätte zur Verfügung, die weit mehr sei als eine Notlösung.
Zugleich äußerte er die, wie er sagte, „Erwartungshaltung“, dass sich „dies auch in einem adäquaten Programm widerspiegelt“. Zudem bezeichnete Grötsch den Umbau als „Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung“, denn hier werde ein Bestandsgebäude der alten US-Siedlung neu genutzt und zugleich ein Beitrag zur kulturellen Entwicklung des noch jungen Stadtteils geleistet. Bei dem Kino handelt sich um eines der wenigen Gebäude der ehemals größten amerikanischen Wohnsiedlung in Deutschland, die bestehen bleiben, während ein Großteil der Wohnblocks ja abgerissen wurde oder noch wird. Judt wertete den Erhalt des Gebäudes neben der ebenso bewahrten Sports Arena als Beispiel dafür, dass die MWSP die Historie des Orts als amerikanische Wohnsiedlung weiter pflegen wolle. Dazu sei ab dem nächsten Jahr auch eine Dauerausstellung in der früheren Vorschule geplant.
Viele junge Bewohner
Die hinter dem Kino ergänzten Container für Garderoben und Büros werden nach der Nutzung durch das Nationaltheater zwar wieder abgebaut. Das neu ergänzte Foyer bleibe aber erhalten, und so werde auf Dauer eine kulturelle Stätte für den Stadtteil geschaffen, dessen derzeit 5500 Bewohner zu immerhin 44 Prozent im Alter von 19 bis 39 Jahren und zu 28 Prozent unter 18 sind. Holtzhauer versprach daher gleich, auch das Junge Nationaltheater werde auf Franklin Präsenz zeigen. Geplant seien 50 Neuproduktionen mit über 1000 Veranstaltungen. Dem Ensemble sei bewusst, dass es kulturelle Pionierarbeit in dem neuen Stadtteil leiste. Es wolle dort „große Stoffe und pure Emotion“ bieten und auch an die Geschichte des Gebäudes sowie der Siedlung anknüpfen, etwa mit dem Stück „Casablanca – Gehen und Bleiben“ nach dem Film-Klassiker von Michael Curtiz.
Holtzhauer dankte den Kommunalpolitikern für diese Ersatzspielstätte, appellierte aber auch an den Gemeinderat, bei der Erschließung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr und der Ausschilderung noch nachzubessern. „Das ist deutlich komplizierter, als wir uns das vorgestellt haben“, so der Schauspielintendant.
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Das Ballettensemble ist laut Tanz-Intendant Stephan Thoss „ganz aufgeregt“, dass es hier auftreten darf. „Wir werden überwältigt sein, das wird der Company einen zusätzlichen Push geben“, äußerte Thoss sich überzeugt.
Von einem „glücklichen Vormittag“ für das Nationaltheater sprach Tilmann Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant. Er hoffe, dass man auch „die anderen Aufgaben zu einem guten Ende bringen kann“, sagte er mit Blick auf die Generalsanierung. Die ist am Goetheplatz mit ersten Arbeiten am neuen Orchesterprobensaal angelaufen, aber die Fertigstellung der Ersatzspielstätte „Oper am Luisenpark“ ist nach der Insolvenz des Generalunternehmers immer noch völlig offen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neue Nutzung vom Alten Kino in Mannheim: Gelungener Umbau