Was für ein enorm tiefer Einschnitt! Noch nie seit der Kurfürstenzeit hat man den Besuchern des Mannheimer Nationaltheaters so lange „ihr“ Stammhaus weggenommen wie jetzt. Am Sonntagabend ist, auch wenn noch eine Vorstellung der „Götterdämmerung“ folgt, der Vorhang offiziell gefallen – und erst irgendwann im Herbst 2027 soll es ein Wiedersehen am Goetheplatz geben. Zumindest, wenn alles gutgeht, denn Überraschungen sind bei solchen alten Gebäuden leider nie ausgeschlossen.
Seit 1777 war das Nationaltheater im Quadrat B 3, und nachdem dieser Barockbau im Zweiten Weltkrieg 1943 zerstört wurde, entstand bereits 1945 das Theater in der Schauburg in K 1. 1957 wurde es abgelöst vom Neubau am Goetheplatz. Der war 1992/1994 zwar schon mal für eine Sanierung geschlossen – aber nur eineinhalb Jahre. Jetzt werden es fünf lange Jahre sein – mindestens.
Wie sehr dieses Theater den Menschen ans Herz gewachsen ist, hat die gute Resonanz auf das Abschiedsfest am Wochenende gezeigt. Da war ganz viel Wehmut, ganz viel Hang zu Nostalgie zu spüren – übrigens quer durch die Generationen.
Nun steht das Theater vor der enormen Herausforderung, dass das Publikum die Ersatzspielstätten annimmt, die am Luisenpark und auf Franklin neu gebaut sowie in Ludwigshafen oder Schwetzingen angemietet werden. Da wird es viel Neugier, aber auch manche Scheu und Zurückhaltung geben. Geschicktes Marketing ist da ebenso dringend nötig wie ein attraktives, ja populäres, niederschwelliges Programm und das Angebot von Pendelbussen – denn einige Ersatzspielstätten sind aus vielen Stadtteilen keineswegs so gut an den Nahverkehr angeschlossen wie das die Stadt behauptet.
Die gleiche Herausforderung wird aber sein, dass sich das Publikum vom Haus am Goetheplatz nicht entfremdet. Das darf in den fünf Jahren nicht zur Blackbox werden, bei der niemand weiß, was sich hinter dem Bauzaun tut. Kontinuierliche Information ist da unverzichtbar.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Historischer Einschnitt
Peter W. Ragge zum Abschied des Theaters vom Goetheplatz