Nationaltheater - Debatte über Generalsanierung / Kritik an Kündigung von Ateliers im Trafowerk Käfertal

Stadträte billigen höhere Kosten

Von 
Peter W. Ragge
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2022, spätestens 2023 wird es für die Generalsanierung geschlossen: das Spielhaus des Nationaltheaters am Goetheplatz. © Thomas Tröster

Mannheim. „Zähneknirschend“ tat es Birgit Reinemund (FDP), andere Fraktionen dagegen sogar ohne jede Wortmeldung: Einstimmig hat der Kulturausschuss des Gemeinderats die von 200 auf 247 Millionen Euro gestiegenen Kosten für die Generalsanierung des Nationaltheaters gebilligt und das von Architekt Andreas Schmucker geleitete Planungsteam mit den weiteren Arbeiten beauftragt. Der genaue Zeitplan und Details zu Ersatzspielstätten blieben offen.

SPD-Stadtrat Thorsten Riehle wagte gar die Prognose, die Kosten würden am Ende einschließlich der Ersatzspielstätten 300 Millionen Euro überschreiten. Beim jetzigen Betrag „wird es nicht bleiben“, so Riehle. „Hut ab vor Ihrer Leistung“, dankte er aber Marcus Augsburger, Leiter der Geschäftsstelle Generalsanierung am Theater. „Wir haben als Stadt eine Verpflichtung, das Haus für den Spielbetrieb zu ertüchtigen - es ist unser Haus“, begründete Riehle die Zustimmung der SPD. Zudem sei der Beschluss ein wichtiges Signal für Bund und Land, die 120 Millionen als Zuschuss beisteuern.

„Der Beitrag des Landes ist mit 40 Millionen aber sehr schwäbisch bemessen, da hoffen wir noch auf eine Erhöhung“, sagte ML-Fraktionschef Achim Weizel mit Blick auf die eine Milliarde Euro, die für das Staatstheater Stuttgart veranschlagt sind. Die Mannheimer Planung sei „solide“, die Kostensteigerung gut begründet. „Sehr beunruhigt“ äußerte sich Weizel indes, dass noch nicht entschieden ist, ob es Einzelvergaben an verschiedene Baufirmen oder einen Generalunternehmer geben wird. „Diese Entscheidung müssen wir bald treffen“, mahnte er.

„Das müssen wir erst mit Bund und Land als Zuschussgebern klären“, antwortete Marc Stefan Sickel, der Geschäftsführende Intendant. Derzeit nehme man an, dass ein Generalunternehmer günstiger arbeite. „Einzelvergaben können noch viel teurer sein“, so Sickel.

„Überzogen ist nichts“

„Ich habe die 200 Millionen Euro ohnehin nicht geglaubt“, begründete Reinemund ihre Zustimmung. Zwar sei ein so hoher Betrag „in Krisenzeiten nicht ganz einfach zu vermitteln“, doch die Kostensteigerung sei „gut begründet und nachzuvollziehen“. „Eine sorgsame Planung“ bescheinigte ebenso Gerhard Fontagnier (Grüne) dem Theater. Man habe bei dem Betrag zwar „kräftig schlucken“ müssen, doch „wir wollen das Flaggschiff Nationaltheater gut über die Zeit bringen“.

Von einer „soliden Planung und Begründung“ sprach gleichfalls Angela Wendt (Grüne), „auch wenn mir bei diesen Zahlen ganz schwindelig wird“. Sorgen machte sie sich wegen des undichten Bunkers, der das Fundament des Theaters bildet.

„Die maroden Teile brechen wir ab, der Rest ist tragfähig und hält noch 100 Jahre“, beruhigte Augsburger. Er informierte, dass trotz der steigenden Kosten alle Anforderungen von Baurecht, Arbeitsschutz, Brandschutz und Denkmalpflege („Wir haben den gleichen Status wie das Heidelberger Schloss“) nach wie vor nur „minimal“ erfüllt seien. „Überzogen ist bestimmt nichts“, verteidigte auch Sickel die Kosten.

„Tatbestand Wucher“

Fragen von Helen Heberer (SPD) zur künftigen Personalausstattung, mit der das Theater die Generalsanierung organisiert, sowie zu Ersatzspielstätten blieben aber unbeantwortet. Riehle bot ausdrücklich an, dass auch die Gemeinderatsfraktionen sich rheinüberschreitend vermittelnd einschalten könnten, wenn es wegen des Pfalzbaus zu keiner Einigung mit Ludwigshafen kommt. Über deren Miet-Angebot hatte Jurist Sickel geklagt, dass es „den Tatbestand Wucher“ erfülle.

Begrüßt worden waren die Stadträte vor der Sitzung von zehn Demonstranten, musizierend und mit dem Sprechchor „Wir wollen bleiben“. Sie wandten sich dagegen, dass das Theater die einer Spedition gehörende Halle „Trafowerk“ in der Boveristraße in Käfertal anmieten will, in deren Nebengebäude sich Ateliers von Künstlern befinden.

Das Theater habe damit „Porzellan in der Kulturszene zerdeppert“, kritisierte Gerhard Fontagnier und nannte die Vorgehensweise „unglücklich“. Sickel gestand ein, gar nicht gewusst zu haben, dass sich dort „eine Problemlage ergebe“, sprich dass sich da Ateliers befinden. Erst auf Nachfrage von Kulturbürgermeister Michael Grötsch stellte er klar, dass es bislang keinen Mietvertrag, sondern lediglich eine Absichtserklärung („Letter of Intent“) zur Anmietung gebe.

Grötsch erfuhr erst in der vergangenen Woche davon. Der Vermieter habe den Künstlern unabhängig vom Theater aus Brandschutzgründen gekündigt. „Aber es ist klar, dass man ihnen helfen muss, da sind wir dabei“, so Grötsch. Zu so günstigen Mieten werde man Ersatzräume aber „sicher nicht“ finden, ergänzte Carolin Ellwanger vom Kulturamt. Thomas Hornung (CDU) sah daher den Gemeinderat in der Pflicht: „Wir müssen den Bildenden Künstlern Raum geben“, forderte er.

Der Zeitplan

  • Lange war von einem Beginn der Generalsanierung zum Spielzeitanfang 2021/22 die Rede, dann wurde Mitte 2022 angegeben.
  • Doch jetzt heißt es, „frühestens“ ab Spielzeitbeginn 2022 sei ein Bezug der Ersatzspielstätten realistisch – da gibt es zahlreiche Verzögerungen.
  • Die Betriebsgenehmigung für das Haus am Goetheplatz endet wegen zahlreicher Brandschutzmängel und Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften am 31. Dezember 2022.
  • Womöglich gibt es noch eine weitere halbe Spielzeit im Haus am Goetheplatz bis etwa März 2023, dann würde der Umzug beginnen.

Redaktion Chefreporter

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