Musiktheater

"Rita" im Nationaltheater: Der Kochlöffel als Waffe

Gaetano Donizettis musikalische Komödie „Rita“ wird zum ersten Mal in Mannheim aufgeführt - und zwar sehr sehens- und hörenswert vom Nationaltheater-Opernstudio in der Alten Schildkrötfabrik

Von 
Hans-Günter Fischer
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Eine Frau, zwei Männer: Szene aus „Rita“ mit Yaara Attias zwischen Niklas Mayer (links) und Jordan Harding. © Maximilian Borchardt

Mannheim. Ziemlich appetitlich sieht hier schon der Umschlag des Programmhefts aus, er zeigt dem Operngänger eine cremige Polenta mit Spinat und Pilzen. Das Rezept liegt bei. Und wer beim Nachkochen bemerken sollte, dass die scheinbar einfachen Gerichte oft die schwersten sind, kann das auch umstandslos auf musikalisch-künstlerische Angelegenheiten übertragen. Letztere indessen glücken an einem Premierenabend, der sich einer Erstaufführung widmet - einer Mannheimer zumindest: Gaetano Donizettis „Rita“ gab es hier noch nie. Jetzt kann man sie in einer Produktion des Nationaltheater-Opernstudios in der Alten Schildkrötfabrik goutieren, und so viel gleich vorneweg: Sie ist tatsächlich etwas für Genießer.

Rita ist die Wirtin der oft ausgebuchten Gaststätte „La vecchia Tartaruga“, diese „Alte Schildkröte“ ist für ihre Polenta nahezu berühmt. Die Wirtin allerdings setzt ihren Kochlöffel nicht nur zum Rühren, sondern auch als Waffe ein - um ihren (zweiten) Gatten, den Pantoffelhelden Beppe, möglichst klein zu halten. Meistens freilich setzt es Ohrfeigen. Sorgfältig hat sie Beppe ausgesucht, denn: „Nur ein Holzkopf ist ein Mustergatte.“ Alles steht also zum Allerbesten. Bis der totgeglaubte erste Ehemann erscheint. Und die Musikkomödie mit ihren bewährten, uralten Versatzstücken richtig in Fahrt kommt.

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„Rita“ ist ein Einakter und dauert lediglich knapp eineinviertel Stunden. Dass diese Geschichte nicht ganz abendfüllend ist, wusste gewiss schon Donizetti selbst. Es geht um Leichtigkeit und Kurzweil - auch wenn stets ein ernstes Thema mitschwingt und gewissermaßen seine Hiebe austeilt: Rita nämlich, das erfährt das Publikum schon früh, schlägt hauptsächlich, weil sie in ihrer ersten Ehe selbst geschlagen worden ist: von Gasparo, dem Rückkehrer. Gesungen und gespielt wird er von Jordan Harding, der „bei allen Zähnen eines Haifischs“ schwört und stets die Hosen (-Träger) anhat, wie man für gewöhnlich sagt. „Der Mann ‚gibt‘ es der Frau - in gut geführten Ehen“, ist sein Credo: „Zu viel Liebe irritiert das Herz.“ Die Sache hat „System“, das Wort benutzt er selbst. Und sie folgt einem Grundsatz: „Schlagen ja, aber nicht töten.“

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„Rita“, die Komödie, handelt somit prominent das heikle Thema „Häusliche Gewalt“ ab. Das lässt sich nicht ignorieren, heutzutage gilt es eher noch verstärkt. Die Regisseurin Claudia Plaßwich macht die Pflicht aber gottlob zur Kür. In einer Szene führt zwar Gasparo ein paar maskierte Opfer seines übergriffigen „Systems“ herein, aber das wird dem Stück nicht aufgezwungen, es ergibt sich völlig zweifelsfrei aus dem Gesangstext. Überhaupt weiß Plaßwich alle Ingredienzen dieser Aufführung sehr überzeugend zu verbinden: Lustspiel und Gewaltdarstellung, aber auch, genauso fließend, deutsche Sprech- und italienische Gesangstexte (die zusätzlich noch übertitelt werden). Sogar die Statisten sind voll in die Handlung eingebunden und viel stärker individualisiert als sonst. Als Gäste des Lokals von Rita werden sie auf dem Programmzettel auch namentlich genannt.

Plaßwich weiß, wie gutes Handwerk funktioniert

Der Puls der guten Laune reißt dabei nicht ab, die Inszenierung trifft den richtigen Komödien-Ton. Sie schlägt den Operngänger nicht, sondern umschmeichelt ihn. Wird dabei freilich nie klamottig oder albern. Claudia Plaßwich ist eine im Ganzen vielleicht unspektakuläre, aber reife Leistung zu bescheinigen. Als Leiterin des szenischen Bereichs im Nationaltheater-Opernstudio, wo die besten Nachwuchssänger ausgebildet werden, weiß sie halt, wie gutes Handwerk funktioniert. Apropos unspektakulär: Vom Bühnenbild von Davide Raiola lässt sich das sogar verstärkt behaupten, es besteht aus blütenweißem Vielzweck-Mobiliar, das ebenso als Bühne wie als Bett verwendbar ist.

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Mit ihrem roten Kleid sticht Yaara Attias als Rita davon deutlich ab, sie füllt die Rolle generell mit sehr viel Leben, als patente Seele des Betriebs. Dass die Polenta-Wirtin zwar gesanglich wenig schuldig bleibt, aber am Ende keine Haute-Cuisine kredenzt, dass ihre Ziertöne nicht wie ein Feuerwerk emporschießen und wetterleuchten, ist völlig okay. Ihre Kollegen aus dem Opernstudio - alle übrigens sind Rollendebütanten - machen ihre Sache gleichfalls gut: Der schon erwähnte Jordan Harding zeichnet Gasparo in vielen Farben, vielen Tonfällen, verleiht dem alten Haifisch etwa auch die Fähigkeit zum falschen Schmachten. Während Niklas Mayer dem Pantoffelhelden Beppe in „Allegro io son“, einer Parade-Arie für einen Tenor-Buffo, zu echter Freiheits-Euphorie verhilft. Natürlich kann die nur vorübergehend sein. Das gilt auch für Bettina Ostermeiers stimmungsvolle Einlagen auf dem Akkordeon. Anfangs sind sie tänzerisch, später auch melancholisch. Wie zu einer zarten Nachtmusik zerrinnend.

Italienisch kocht der Chef natürlich selbst: Roberto Rizzi Brignoli leitet das Orchester. Und der Generalmusikdirektor ist der Richtige für diese kleine Donizetti-Kostbarkeit, das durfte man erwarten.

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Stefanie Ball
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Die Belcanto-Phrasen blühen auf, mitunter wird der Apparat auch kurzzeitig dramatisch hochgefahren - manchmal bereits beim Zerbrechen einer Kaffeetasse. Aber manchmal herrscht auch eine fast schon mozartische Feinheit. Im Foyer hängt eine Speisekarte, die Rizzi Brignoli mit den „Casoncelli“ in Verbindung bringt, den Teigtaschen aus der Region um Bergamo. Also mit raffinierter Hausmannskost. Das passt.

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