Mannheim. „Ein Meilenstein“ wird an diesem Montag bei der Generalsanierung des Nationaltheaters erreicht. So formuliert es Marcus Augsburger, der Technische Betriebsleiter. Bauarbeiter schaffen dann in einem sehr diffizilen Verfahren die Voraussetzung für den Bau des unterirdischen Orchesterprobensaals auf der Ostseite des Spielhauses. Dazu wird die Last des bestehenden Baus statisch von den Wänden und Pfeilern auf eine neue, provisorische Stahlträger-Unterfangung umgelagert, um dann darunter graben zu können.
„Aber ich bin guten Mutes, dass das klappt und das Haus am Montagabend noch steht“, kommentierte Augsburger vor den Freunden und Förderern des Nationaltheaters die sich den ganzen Tag hinziehende Millimeterarbeit.
Bauarbeiten am Nationaltheater laufen seit einem Jahr
Der bisherige Orchesterprobensaal ist viel zu klein für die 100 Musiker, die daher beim Einstudieren neuer Werke aus Arbeitschutzgründen Ohrstöpsel tragen müssen. Daher wird der Saal unterirdisch erweitert, um mehr Raumhöhe und Volumen zu erreichen. „Zehn Meter Höhe, 400 Quadratmeter Grundfläche – das ist die Größe einer Schulturnhalle, die wir da einbauen“, verdeutlicht Augsburger.
Seit über einem Jahr laufen jetzt die Bauarbeiten. Das Theater leitet sie selbst, hat dazu eine Geschäftsstelle Generalsanierung mit 24 Mitarbeitern eingerichtet. Das sei „anstrengend“, so Tilmann Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant. „Aber es ist entscheidend, dass Theaterleute in der Bausitzung dabei sind, sonst bauen die Firmen nach DIN-Norm, und das wird der Kunst nicht gerecht“. So könne man beim „täglichen Ringen um Optimierung“ dabei sein.
Pröllochs äußerte sich aber zuversichtlich, dass die Generalsanierung 2028 – wenn das Haus seine 250. Spielzeit feiert– abgeschlossen ist. Geplant war mal 2027. Die – schon lange bekannte – einjährige Verzögerung erklärte Augsburger erneut mit Kampfmittelfunden und Schadstoffen. So habe man „mehr gefunden, als uns lieb war“, insbesondere habe sich zwischen Planung und Baubeginn die Klassifizierung einiger Stoffe geändert.
Unter allen Sitzen in Oper- und Schauspielhaus tauchten Lüftungseinsätze aus Eternit auf. Daher habe man 1800 Kernbohrungen vornehmen müssen, um diese Einsätze zu entfernen. Aber alle Schadstoffe seien „in gebundener Form“ im Haus gewesen, „weshalb keine Gesundheitsgefahr von ihnen ausgegangen ist“, versicherte er. Sie müssten nur raus, weil eben im Zuge der Sanierung Wände, Böden und Decken geöffnet würden.
Land soll mehr zahlen
Wie sich die Verzögerung auf die Kosten auswirkt, blieb offen. Inflation und Lieferkettenprobleme seien etwas, „was uns bei dem ganzen Projekt beschäftigt“, deutete Augsburger nur an: „Das trifft uns bei allem.“ Konkret genannt wurden nur die vom Gemeinderat bereits beschlossenen Mehrkosten beim Bau der Ersatzspielstätte „Oper am Luisenpark“ (Opal) von 6,7 Millionen Euro. Der Gemeinderat wurde kürzlich über 11,6 Millionen Euro Kostensteigerung aus bisherigen Vergaben informiert, die noch im endgültigen Budgetrahmen liegen. Dieser beträgt für die reine Spielhaus-Sanierung 248 Millionen Euro, wovon 120 Millionen Bund und Land tragen.
„Da wird man politisch noch mal beim Land vorsprechen müssen“, meinte Kulturbürgermeister Michael Grötsch, denn die damalige Zusage „ist nicht mehr das wert, was sie mal war“, verwies er auf Inflation und Kostensteigerungen, ohne sie zu beziffern. Nicht immer würden „Vergabegewinne“ (gemeint sind niedrigere Angebote von Firmen als kalkuliert) die höheren Forderungen an anderer Stelle ausgleichen.
Grötsch sprach deshalb von „vielfältigen Herausforderungen“ und forderte das Theater auf, „die Menschen wieder ins Theater zu holen“. Das hänge auch vom Programm ab. Natürlich dürfe das Theater „nicht nur Blockbuster“ spielen, aber es müsse „auf das Publikum zugehen“.
Von einer „ganz schwierigen Phase“ des Theaters, weil es „erheblich um Zuschauerzahlen und Akzeptanz kämpfen muss“, sprach auch Oberbürgermeister Christian Specht, der erstmals zu den Theaterfreunden gekommen war. Ihnen dankte er für ihr Engagement, „dass sie dem Theater die Treue halten“. „Es ist ein Kraftakt, der uns noch einiges abverlangen wird“, kommentierte Specht die Generalsanierung. Er wisse, dass das Theater für viele Menschen eine Herzensangelegenheit sei. „Umso wichtiger ist, dass wir das gut steuern und alles im Griff behalten, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen“, so der OB.
Nach seiner Ansicht hat sich Mannheim mit den Ersatzspielstätten „deutlich übernommen“. Er bekannte, dass er „nie einen Hehl daraus gemacht habe, dass ich ein Gegner von Opal bin“. Ludwigshafen hat Mannheim aber nur wenige Wochen im Jahr Platz im Pfalzbau eingeräumt. Specht bedauerte, dass kein gemeinsamer Theaterbetrieb mit Ludwigshafen vereinbart werden konnte. Dabei erinnerte er daran, dass dies schon mal in der Amtszeit von OB Hermann Heimerich (1949-55) diskutiert wurde. „Ich finde das schmerzlich, dass das nicht gelungen ist, angesichts der finanziellen Situation beider Städte“, so Specht, denn so könne man künstlerisch besser dastehen und Publikum aus der ganzen Region besser binden.
Intendant Holtzhauser widerspricht OB Christian Specht
Auffallend deutlich widersprach Schauspielintendant Christian Holtzhauer dem Oberbürgermeister – und Opernintendant Albrecht Puhlmann pflichtete Holtzhauer bei. Zwar könne Mannheims Theater finanziell nicht mit den großen Häusern mithalten, und der Schillertage-Etat sei seit 25 Jahren nicht erhöht worden, kritisierte Holtzhauer. „Aber künstlerisch halten wir mit, da sind wir erste Liga“, betonte er. Und auch wenn die Arbeitsumstände teils „schmerzhaft“ seien, so forderte der Intendant von der Politik, „nicht immer nur darüber zu sprechen, wie schwer es ist, sondern auch, welche Chancen darin stecken“. Auch Puhlmann äußerte mit Blick auf die Generalsanierung „den festen Glauben, dass es gelingt“.
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