Mannheim. Bei jedem Wort war spürbar, wie schwer allen diese Entscheidung fällt. Aber am Ende gab es eine große Mehrheit: Der Hauptausschuss des Gemeinderats hat die Fortsetzung der Generalsanierung des Nationaltheaters trotz der Kostensteigerungen von 62,5 Millionen Euro beschlossen. Um sie teilweise zu decken, soll auf den Bau des geplanten Kulissenlagers im Hafen verzichtet werden. Das bedeutet eine Mittelumschichtung von 23 Millionen Euro. Wie die restlichen fehlenden 39,5 Millionen Euro zu decken sind, ist offen.
„Es gehört zur Wahrheit, zu sagen, dass wir dafür noch kein Konzept haben“, räumte Oberbürgermeister Christian Specht ein. Er sprach von einer „absolut schwierigen Vorlage“ und einer „unschönen Situation“: „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, gestand er. Mit der Umschichtung der für das Lager gedachten Mittel wolle man „Zeit kaufen“, um den Bau nicht sofort einstellen zu müssen. Dann habe man am Goetheplatz eine Ruine „und riesige Nachfolgeprobleme“.
Nationaltheater Mannheim muss „mehr auf Breite der Gesellschaft zugehen“
Die große Mehrheit der Stadträte signalisierte Zustimmung, so dass die endgültige Abstimmung im Gemeinderat in der nächsten Woche nur noch Formsache ist. „Die Umschichtung ist alternativlos, auch wenn ich das Wort hasse - aber ein Baustopp wäre ein Unding“, gab Birgit Reinemund (FDP) mit der ersten Wortmeldung die Richtung vor. Allerdings habe sie „massives Bauchweh“ und die Entscheidung müsse „ein Weckruf für alle sein, die nächste Woche noch Ausgaben reinverhandeln wollen“, sagte sie mit Blick auf die Etatberatungen.
Von einer schwierigen Entscheidung und „gigantischen Herausforderungen“ sprach Reinhold Götz (SPD). „Wir haben leider keine andere Möglichkeit, alles andere wäre verheerend“, so der Sozialdemokrat, doch sei nun „eine Grenze erreicht“. So forderte er, alles daranzusetzen, um den Zeitplan einzuhalten und weitere Kosten zu vermeiden. Zudem meldete er Zweifel an, ob für die Umgestaltung des Goetheplatzes wirklich 10,5 Millionen Euro ausgegeben werden sollten.
Diese Summe ist auch Claudius Kranz (CDU) „aufgestoßen“, wie er sagte, und er halte sie in dieser Höhe für übertrieben. Auch wenn die CDU jetzt den von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg mitgehe, so müsse sich das Theater doch an den Bau des Hauses am Goetheplatz 1957 erinnern. Der sei damals „von der ganzen Stadtgesellschaft getragen“, ja „eine Massenbewegung“ gewesen. Daher müsse das Nationaltheater jetzt unbedingt „mehr auf die Breite der Gesellschaft zugehen und ihr etwas anbieten“, denn das könne die Politik nicht leisten. In diesem Zusammenhang empfahl Bernhard Boll (SPD) dem Nationaltheater, auf breiter Basis eine Spendensammlung zu starten. Er erwähnte auch, dass bereits in der - nichtöffentlichen - Sitzung des Kulturausschusses ein stärkeres Marketing des Theaters eingefordert worden ist.
Unterschiedliches Abstimmungsverhalten gab es bei den Grünen. Fraktionsvorsitzende Gabriele Baier verkündete, dass die Fraktion die Vorlage mittrage, obgleich es „eine schwierige Sache“ sei. Auch die zehn Millionen Euro für die klimaresiliente Umgestaltung des Goetheplatzes verteidigte sie. Chris Rihm, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, machte dagegen Gewissensgründe geltend und votierte gegen die Vorlage. Er halte das Risiko, dass die Kosten weiter steigen und das Vorhaben nicht rechtzeitig fertiggestellt werde, für viel zu hoch.
Holger Schmid beklagte für die Mannheimer Liste, dass die Mehrheit des Gemeinderats trotz der angespannten Etatsituation die Fortsetzung der Sanierung der Multihalle beschlossen habe. Im Gegensatz zu ihr gebe es für das Nationaltheater „seit Jahrhunderten ein Nutzungskonzept“, wie er sarkastisch anmerkte.
Bund hat höhere Förderung schon abgelehnt
Heinrich Koch (AfD) forderte, die Stadt müsse sich „ehrlich machen“, wie es mit der Generalsanierung des Nationaltheaters weitergehen solle und was nur Wunschvorstellung sei. Er sprach sich einerseits gegen eine Bauruine aus, trug aber auch die Vorlage der Verwaltung nicht mit. Die AfD wolle sich der Stimme enthalten: „Wir beobachten die Situation“, sagte er. Dennis Ulas (LTK) knüpfte dagegen an die Aussage von Birgit Reinemund zu Beginn der Debatte an. Auch er halte die Umschichtung der Gelder und die Fortsetzung der Generalsanierung für „alternativlos“, wenngleich die Kostensteigerung ärgerlich sei. „Viele Menschen können das nicht nachvollziehen“, so Ulas. Er forderte, das Theater müsse „näher an die Stadtbevölkerung“ rücken, die Finanzlücke durch mehr Sponsoring, aber auch höhere Zuschüsse von Land und Bund ausgeglichen werden.
Allerdings hat die Stadt vom Bund, der 80 Millionen gibt, schon eine Absage erhalten. Man habe die Antwort, dass man sich „keine weitere Förderung vorstellen kann“, so Oberbürgermeister Specht. Er versicherte, dass Stadt und Theater „organisatorisch gut aufgestellt“ seien und alles versuchten, weitere Kostensteigerungen zu verhindern. Die Generalsanierung sei aber „eine Operation am offenen Herzen“ und „eine ambitionierte Planung, das haben alle gewusst“, so Specht. Das Theater sei auch bereits dabei, sich mehr auf die Stadtgesellschaft zuzubewegen, „aber wir brauchen da noch mehr Fahrt“, bekräftigte er.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Dramatische Situation beim Nationaltheater