Nationaltheater - Drei musikalische Paraden zum Klimawandel durch die Innenstadt eröffnen den „Mannheimer Sommer“

„Mannheimer Sommer“ eröffnet: Eine Umweltdemo als Kunstform

Von 
Peter W. Ragge
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Zum Auftakt vom Festival "Mannheimer Sommer" gab es drei musikalischen Paraden, die parallel vom Marktplatz, Kunsthalle und Collini-Center zum Theater führten. © Michael Ruffler

Mannheim. Manche Leute blicken irritiert, andere amüsiert, teils neugierig. Sie essen Eis oder Döner, sitzen in Lokalen oder Bars, rauchen Wasserpfeife, schauen aus dem Fenster, genießen die herrliche Sonne an diesem frühen Sonntagabend – und zücken dann doch das Handy, um das zu fotografieren, was sie da sehen: Eine Demonstration, die keine richtige Demo ist, aber doch irgendwie politisch – „Roll out“ genannt und als musikalische Parade inszeniert vom „Kommando Himmelfahrt“ zur Eröffnung vom „Mannheimer Sommer“ des Nationaltheaters.

Die Sprüche sind bekannt von „echten“ Demos. „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut“, skandiert nur hier eine Dame in Reifrock und mit gepuderter Perücke, nämlich Carmen Zehentmeier als Maria Theresia, die von 1740 bis 1780 Österreich regiert hat. Dass es sie jetzt, Jahrhunderte später, nach Mannheim zu einer Umwelt-Demonstration verschlägt, erklärt sie dem Publikum zunächst in der Marktplatzkirche, wo eine hölzerne Attrappe einer Rakete auf dem Boden liegt. Die habe sie in die Neuzeit katapultiert, so die berühmte Fürstin aus dem Hause Habsburg.

Carmen Zehentmeier als Maria Theresia. Der "Mannheimer Sommer" setzt sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit der ökologischen Krise auseinander. © Michael Ruffler

Und nicht nur sie ist quasi wieder zurückgekehrt aus der Vergangenheit. Auch den Philosophen Anton Wilhelm Amo und den Mannheimer Naturforscher Cosimo Alessandro Collini hat das „Kommando Himmelfahrt“ zum Leben erweckt, sie marschieren jeweils zeitgleich mit Demonstrationszügen am Collini-Center und an der Kunsthalle los – alle mit dem Ziel Nationaltheater.

Vom "Mozartsommer" zum Klimawandel

Der dort und in Schwetzingen nun bis 26. Juni stattfindende „Mannheimer Sommer“, 2007 als „Mozartsommer“ und Hommage an den immerhin 176 Tage in Mannheim wirkenden berühmten Komponisten gedacht, spannt den Bogen inzwischen viel weiter und thematisiert künstlerisch den Klimawandel.

Schließlich war Mozart Freimaurer, lebte im Zeitalter der Aufklärung. Auch heute brauche man wieder eine neue Form der Aufklärung, meint Festival-Dramaturgin Julia Warnemünde. Die damaligen Erkenntnisse der Aufklärung hätten, so begründet das Regiekollektiv „Kommando Himmelfahrt“ seinen Ansatz, statt zu allgemeiner Glückseligkeit doch zur schlimmsten ökologischen Katastrophe seit dem Aussterben der Dinosaurier geführt. Also hat „Kommando Himmelfahrt“ die gedankliche Konstruktion erfunden, Maria Theresia, Anton Wilhelm Amo und Cosimo Alessandro Collini hätten sich als aufklärerischer Geheimbund formiert, seien per Rakete zur Erde zurückgekehrt, um eine neue Art der Aufklärung zu betreiben.

Finale mit Feuerwerk

  • Das Finale vom „Mannheimer Sommer“ findet am Sonntag, 25. Juni ab 20 Uhr unter dem Titel „Schloss in Flammen“ im Schwetzinger Schlossgarten statt.
  • Geboten wird eine Opern-Gala mit dem Orchester und den Solisten des Nationaltheaters. Es dirigiert Generalmusikdirektor Alexander Soddy.
  • Das Abschlussfeuerwerk wird partiturgerecht zur Musik abgefeuert.
  • Karten bei allen Vorverkaufsstellen, an der Theaterkasse/Goetheplatz, sowie telefonisch unter 0621-1680150. 

Maria Theresia begründet das auch mit der Verantwortung für ihre immerhin 13 Kinder. „Ich habe es ganz gerne gemacht, man hat mich nicht dazu gezwungen, es hat Spaß gemacht“, sagt sie, als der Demonstrationszug gerade vor der Gaststätte „Kurfürst“ hält. Zuvor, in der Kirche St. Sebastian, bedauert sie erst ein bisschen, dass ihre Rakete („Sie ist ein bisschen ungenau“) sie in Mannheim abgesetzt hat, denn die Stadt sei langweilig und Kurfürst Carl Theodor ja auch von hier geflohen. Doch jetzt sei sie ja da, um Tipps für das gute Regieren zu geben.

Aber zwischendurch gibts auch kulinarische Tipps. Kaiserschmarrn, so ruft Maria Theresia den Gästen im „Kurfürst“ zu, esse sie gerne. Gute Verwaltung, Bildung und Recht nennt sie als ihre Leitlinien für gute Politik, und diese Worte lässt sie die Teilnehmer der Demo, von einem Schlagzeuger begleitet, auch immer wieder skandieren, ebenso wie Selbstbezichtigungen, sie seien „geistige Kastraten“ und „ökologische Bankrotteure“.

Theater inszeniert Umweltdemo mit historischen Persönlichkeiten: v.l. Oliver El Fayoumy als Anton Wilhelm Amo, Carmen Zehentmeier als Maria Theresia und Fabian Gerhardt als Cosimo Alessandro Collini. © Michael Ruffler

Passanten fordert die Kaiserin lautstark auf „Leute lasst das Glotzen sein, reiht Euch in die Demo ein!“ Auch „Yes, we Can!“ ertönt, wobei auffällt, dass das Publikum – im Zug durch die Konkordienstraße etwa 50 Leute – die Parolen doch sehr zurückhaltend mitskandiert oder ganz schweigend mitläuft, andere Teilnehmer aber äußerst eifrig einstimmen und die Demochoreographie bestens beherrschen. Es sind Mitglieder vom Alphabet-Chor, dem Bürgerchor des Nationaltheaters, der die Performance mitgestaltet. Was im Gegensatz zu einer normalen Demonstration auch fehlt, ist die Polizei. Taxifahrer bilden Spitze und Abschluss des Zuges, und statt Polizeimotorrädern stoppt eben eine Regieassistentin des Theaters per Fahrrad den Autoverkehr.

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Als alle drei musikalische Paraden am Nationaltheater aufeinandertreffen, entsteht ein heftiges Streitgespräch zwischen den drei historischen Vertretern der Aufklärung. „Aber nur die Aufklärung kann uns retten“, verweist Opernintendant Albrecht Puhlmann auf die Herausforderungen des Klimawandels, denen das Theater mit Mitteln der Kunst begegnen wolle – besonders bei diesem Festival. Man werde dabei zeigen, dass die Oper zwar immer viel mit Vergangenheit zu tun hätten, aber „trotzdem auf das Morgen weist“, ergänzt Jan Dvorák, künstlerischer Leiter des Festivals.

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