Mannheim. Musik ist viel Arbeit. Und die Komponistin Cecilia Arditto Delsoglio ist nicht gut im Urlaubmachen. Sagt sie im Porträt-Konzert. Nach der Uraufführung ihrer Kammeroper „Der Fremde“ nach der Erzählung von Albert Camus beim diesjährigen „Mannheimer Sommer“ wolle sie jetzt aber eine Pause einlegen und nachdenken. Als Komponistin müsse man gerade bei einem traditionell ausgebildeten Ensemble sehr flexibel sein. Das kostet Energie. „Deeply happy“ sei sie über den Erfolg bei Publikum und Presse.
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Gut ein Dutzend Interessierte haben sich in der Werkhaus-Lobby zum Musiksalon eingefunden - Festivalleiter Jan Dvorák nennt dies die „Versammlung einer kleinen, aber illustren Schar“. Und wenig überraschend: die wird gefordert. Beim Zuhören der in englisch geführten Unterhaltung zwischen Arditto und Moderator Daniel Joshua Busche und auch bei dem, was musikalisch geboten wird.
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Wer und was hat die Komponistin geprägt und beeinflusst? Da fallen - viel zu beiläufig - Namen wie Morton Feldman, John Cage, Iannis Xenakis und Nikolaus A. Huber. Freilich sind die Kennern der musikalischen Nachkriegsavantgarde und der Musique concrète vertrauter als einem Opernpublikum. Aber, so wundert sich die Komponistin, sogar Helmut Lachenmann sei 2002 am Konservatorium in Amsterdam, an dem sie ihre Studien fortsetzte, noch niemandem ein Begriff gewesen. Ein Hinweis zur Einordnung dieser Ungeheuerlichkeit hätte dem Publikum sicher geholfen: Lachenmanns 1997 in Hamburg uraufgeführte Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ war damals bereits in Stuttgart, Paris, Berlin, Frankfurt und Salzburg zu sehen.
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Was Arditto an klangtypischen Texturen, Strukturen und Fluktuationen fasziniert, ist an praktischen Beispielen ungleich leichter nachvollziehbar: an einer Passage aus Liszts Spätwerk „Nuages gris“ demonstriert Pianist Gábor Bartinai das Gefühl, dass die „Zeit angehalten wird“, wenn das Tremolo stoppt, während die Melodie fortfährt. Diese Spannung aufzulösen, diese Klanggruppe anzuhalten, klang für die Zeitgenossen „very strange“, erläutert die Komponistin.
Die experimentellen Klänge von Cecilia Arditto Delsoglio
So geht es einem auch mit ihrer eigenen 2015 entstandenen „Musique concrète Nr.1“ für Nähmaschine, Schere, Nägel, Klebeband und Kurbelprojektor. Es tickt, schnibbelt, rattert, blobbt und klirrt, wenn Percussionist Jens Knoop und Arditto die Geräuschobjekte bedienen, während als optischer Effekt helle Punkte senkrecht unregelmäßig über eine Säule flimmern. Wie auch das später erlebbare „Electricity“ für Saitentelefon, Tonband und zwei Diaprojektoren: Musik performativer Art.
Zum akustischen Vergleich hämmert Gábor Bartinai minutenlang Clusterakkorde und einzelne Töne rauf und runter bei fast durchgängig einheitlichem Metrum im zweifachen fortissimo in den Flügel: Galina Ustvolskayas Klaviersonate 6 bedeutet physische Schwerstarbeit.
Was diese Klangsprachen mit Johann Sebastian Bach zu tun haben, wird überraschend sinnfällig, wenn Bartinai die Fuge in Es-moll, BWV 853 spielt: mathematische Klarheit, architektonische Struktur, chromatische Skalen und vorwärts strebende Kontinuität. Kombiniert mit Alltagsgeräuschen, Objekten, traditionellen Satztechniken, akustischen und optischen Effekten aller Art ergeben sie den dichten Klangkosmos von Cecilia Arditto Delsoglio.
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