Nationaltheater

Warum beim Theaterfest auf Franklin eine rosa Kutsche fährt

Erstmals im Mannheimer Neubaugebiet Franklin vor und in der Ersatzspielstätte des Schauspiels - so lief das erste Theaterfest des Nationaltheaters an neuem Ort

Von 
Peter W. Ragge
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Das Matsch- und Klötzchenparadies vom Jungen Nationaltheater als Vorbote, dass auch diese Sparte bald auf Franklin spielt. © bei Christoph Bluethner

Mannheim. Ja sind wir denn hier auf der Mess? Es gibt Autoscooter, Pferdchen aus Kunststoff, sogar eine riesige rosa Kutsche, die sich alle zusammen wie ein Karussell drehen. „Aber auf der Mess ist es turbulenter“, sagt Kulturbürgermeister Michael Grötsch, als er aus dem Autoscooter steigt. Denn es ist das sich eher gemächlich drehende „Bühnen-Karussell“ auf der Bühne vom Alten Kino, der Ersatzspielstätte vom Schauspiel auf dem Franklin-Areal, das er mit den Intendanten zum Auftakt des Theaterfests startet – und das ein Teil der Generalsanierung finanzieren soll.

„Hat jeder seinen Platz? Jetzt geht es rund!“, ruft Berrin Seker vom Mannheimer Stadtensemble, die mit ihrer Kollegin Henriette Heinrich dieses ganz besondere Karussell moderiert. Die Bestandteile stammen aus Bühnenbildern, die Autoscooter-Wagen etwa aus der modernen Version von „Warten auf Godot“, die Kutsche aus „Aschenputtel“, der Hirsch vom „Mannheimer Sommer“.

Start für Spendenaktion

Zum Auftakt steigen neben den Intendanten auch Christian Haas, der Vorsitzende der Freunde und Förderer, sowie sein Vorgänger, Stadtrat Achim Weizel, zu. Zu Paul Linckes „Berliner Luft“ oder der „Promenade“ aus „Bilder einer Ausstellung“ dreht sich langsam, mit bis zu 7,5 Metern pro Minute, eine Scheibe, die es in dieser Ersatzspielstätte gibt und die schnelle Bühnenbild-Wechsel ermöglicht.

Theaterkasse

  • In O 7,18 an der Ecke Kunststraße/Kaiserring, wo bis Ende 2019 das MVV-Kundenzentrum war, sind während der Generalsanierung die Kasse des Nationaltheaters sowie das Abonnentenbüro untergebracht.
  • Montags bis samstags kann man da von 11 bis 18 Uhr Karten kaufen. Telefonisch (0621/1680-150) ist die Kasse sogar schon ab 9 bis 19 Uhr, samstags von 9 bis 13 Uhr erreichbar.
  • Derzeit gibt es nur noch dort Tickets im Vorverkauf, in den Ersatzspielstätten wird nur Abendkasse für die jeweilige Vorstellung angeboten. 

So etwas wünscht sich das Schauspiel auf Dauer auch im Spielhaus am Goetheplatz, denn es erleichtert die Arbeit der Bühnenhandwerker und ermöglicht mehr Dynamik bei den Aufführungen. Im Budget der Generalsanierung ist solch eine Drehscheibe aber nicht drin. „Da mussten wir die einen oder anderen Abstriche machen“, sagt Tilman Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant, der daher mit der originellen Karussell-Aktion beim Theaterfest zugleich eine Spendenaktion für diese Investition startet.

„Schön, dass es wieder stattfindet“, begrüßt Pröllochs die Gäste, denn seit 2019 konnte das Nationaltheater den Start in die neue Spielzeit nicht mehr feiern. Damals war das noch am zentral gelegenen Goetheplatz und der Andrang allerdings deutlich größer als jetzt auf dem Franklin-Areal, wohin sonntags nur alle 30 Minuten eine – dann auch noch überfüllte – Stadtbahn fährt.

Beim gemeinsamen Singen mit Chordirektor Alistair Lelley unterstützt klanglich Noah Engler vom Kinderchor. © Christoph Blüthner

Der Goetheplatz ist derzeit eine Großbaustelle. „Hier führen Bagger und Bauarbeiter Regie“, meint Pröllochs, empfiehlt aber dringend, dass sich das Theaterpublikum auch diese „Inszenierung“ ansehen sollte. „Wir sind dabei, die Zahl der Baustellenführungen aufzustocken“, teilt er mit. Doch für die Übergangszeit sei das Nationaltheater froh, das alte Kino der US Armee nutzen zu können. „Wir bringen Kultur in den Stadtteil“, so Pröllochs. Aber natürlich brauche man, um in einem komplett neuen Stadtteil zu spielen, auch Pioniergeist, ergänzt Schauspielintendant Christian Holtzhauer: „Hoffentlich lassen sie sich davon nicht abschrecken“, geht er auf sich ständig ändernde Verkehrsführungen in das Neubaugebiet ein.

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„Für uns ist es angenehmer, überschaubarer“, sagt sogar Bühnentechniker Hakan Pürgül, der eine der vielen Besuchergruppen durch die Ersatzspielstätte führt, über die Arbeit in dem alten Kino. Büros, Maske, Garderoben, die Räume von Beleuchtern, Seiten- und Schnürmeistern sind alle in Containern hinter dem umgebauten früheren Lichtspielhaus, wo 2011 der letzte Film für Soldaten und ihre Angehörige lief, untergebracht. Viele Besucher finden es hier aber eher eng, als er mit den Gästen durch die schmalen Gänge läuft. Seine Gruppe ist eine Besondere – seine Frau übersetzt nämlich auf Türkisch. Auch auf Ukrainisch und Polnisch werden erstmals Führungen angeboten.

Monika Schleicher macht bei ihrer Führung die Unterschiede zwischen dem Spielhaus am Goetheplatz und der Ersatzspielstätte auf Franklin deutlich. Die Bühne im früheren Kino sei nur halb so groß, doch daher brauche man keinen „Eisernen Vorhang“, denn der sei nur bei Bühnen mit mehr als 200 Quadratmetern vorgeschrieben, erläutert sie. Doch wegen der anderen Dimensionen könnten alte Stücke hier nicht übernommen werden, erklärt sie. „Wir haben hier auch keinen Bühnenturm, es muss also bei jedem Wechsel alles auf die Bühne geschleppt werden“, erklärt sie.

Karussellfahren auf der Bühne im Alten Kino auf Franklin, der Ersatzspielstätte von Schauspiel und Tanz. © Christoph Blüthner

Neben den Führungen durch die Ersatzspielstätte gibt es ebenso Rundgänge, um den neuen Stadtteil Franklin kennenzulernen. Wer sich dem anschließt, verpasst aber viel, was vor dem alten Kino geboten wird. Ein Blechbläserquintett des Nationaltheaters gibt da mit „Fanfare and Processional“ von Komponist David Amram das Signal für viel Spaß und Abwechslung auf dem Theatertruck. Da begeistert der von Anke-Christine Kober geleitete Kinderchor – „für mich der Höhepunkt“, wie Opernintendant Albrecht Puhlmann die jungen Akteure lobt, die zudem mit ihrem Kuchenbuffet viele Festgäste anlocken.

Ein neuer Chor

Noah Engler (14) spielt dann gleich noch eine wichtige Solorolle bei einer besonderen Premiere. Der neue Chordirektor Alistair Lilley bildet aus Festbesuchern spontan einen Chor, studiert mit ihm aus Verdis „Il trovatore“ den Zigeunerchor ein. „Chi del gitano i giorni abbella? La zingarella!“ (Wer verschönert die Tage des Landstreichers? Sein Mädchen!) singen da die Gäste, und der Chordirektor ist begeistert. „Absolut super!“, lobt er, „da habe ich ja einen Ersatzopernchor“. Noah Engler schlägt den Amboss, wenn es heißt „All’opra, all’opra! Dàgli, martella“ (Ans Werk, Schlage, mein Hammer!)

Derweil stöbern andere Besucher in den Kostümen, welche aus dem Fundus aussortiert worden sind und nun zum Verkauf stehen. Besonders attraktiv ist da das Kostüm einer riesigen Krake, das mal im Jungen Nationaltheater zum Einsatz gekommen war und nun für 100 Euro zu haben ist. Bis zum Nachmittag findet es indes keinen Käufer. . .

Viel los ist indes bei den Kinderangeboten des Jungen Nationaltheaters. Der Renner ist die Ecke, wo mit Matsch gespielt werden darf oder im Klötzchenparadies viele Türme entstehen. „Das war eine großartige Idee“, lobt Ulrike Stöck, die Intendantin vom Jungen Nationaltheater, die Auszubildenden der Schreinerwerkstatt, die vor Jahren viele Säcke der Holzklötzchen angefertigt haben. Diesmal dient der Spielplatz als eine Art Vorbote: „Ab November spielen wir auch hier, damit Kinder und jugendliche endlich hier ins Theater gehen können“, kündigt Ulrike Stöck an, auch das Alte Kino auf Franklin zu nutzen.

Redaktion Chefreporter

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