Planungsstand - Neue Zahlen gehen von 247 Millionen Euro aus / Weitere Baukostensteigerung einkalkuliert / Beginn in 2022 unsicher

Es dauert länger und wird teurer

Von 
Peter W. Ragge
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„Wir sehen uns wieder“, verspricht das wegen der Corona-Pandemie geschlossene Nationaltheater seit ein paar Tagen auf neuen, großen Plakaten an der Fassade. 2022, spätestens 2023 wird es aber für die Generalsanierung geschlossen. © Thomas Tröster

Mannheim. Vorletzte Seite der Vorlage, vierte Zeile von oben, steht der entscheidende Termin: Herbst 2027. Erst dann sei die „geplante Wiederaufnahme des Spielbetriebs“ am Goetheplatz, steht da – und auch das ist nicht ganz sicher. Klar ist lediglich, dass die Generalsanierung des Nationaltheaters später anfängt, länger dauert und teurer wird als bisher weithin angenommen.

Schon seit Monaten steht auf der Internetseite des Nationaltheaters kein genaues Datum mehr, wann es losgeht. Die Dauer wird mit „mindestens vier Jahren“ angegeben. Das dürfte, so der Stand jetzt, nicht reichen. „Fünf Jahre, mindestens“, sagt auf Anfrage dieser Redaktion Kulturbürgermeister Michael Grötsch. Gemeint sei damit indes, präzisiert er, nicht nur die reine Bauzeit, sondern eingeschlossen auch die jeweils mehrere Monate dauernde Phase, in der das Theater alles ausräumt und später wieder einrichtet.

Herbst 2027 – das würde allerdings einen Baubeginn noch in 2022 voraussetzen. Lange war von einem Beginn der Generalsanierung zum Spielzeitanfang 2021/22 die Rede, dann wurde Mitte 2022 angegeben. Doch jetzt heißt es, „frühestens“ ab Spielzeitbeginn 2022 sei ein Bezug der Ersatzspielstätten realistisch – da gibt es zahlreiche Verzögerungen. Die Vorlage für die Sitzung des Kulturausschusses am Donnerstag dieser Woche spricht von einer „komplexen Gemengelage aus Einzelprojekten in gegenseitiger Abhängigkeit“ und einem „hochkomplexen Multiprojekt“.

Eigentlich drängt die Zeit: Die Betriebsgenehmigung für das Haus am Goetheplatz endet wegen zahlreicher Brandschutzmängel und Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften am 31. Dezember 2022 – „endgültig“, hieß es immer. „Darüber wird man reden müssen“, so Grötsch jetzt. Die Vorlage hält eine „frühzeitige Abstimmung mit den Genehmigungsbehörden“ für nötig, „um unter gegebenenfalls weiteren Auflagen den künstlerischen Weiterbetrieb zu ermöglichen“.

Tatsächlich sieht ein Szenario noch eine weitere halbe Spielzeit im Haus am Goetheplatz vor. Die könnte bis etwa März 2023 dauern, dann würde der Umzug beginnen, die neue Saison in den Ersatzspielstätten ab September 2023.

Nicht nur die Frage der Ersatzspielstätten birgt noch ein zeitliches Risiko. Offen ist derzeit die Vergabe der Aufträge. Gibt es einzelne Bauaufträge an Bau- und Handwerkerfirmen, getrennt nach Gewerken? Oder lieber einen Generalunternehmer? Die Stadt hat eine Anwaltskanzlei eingeschaltet, um Vor- und Nachteile zu prüfen. „Nach genauer Abwägung“ sei ein Generalunternehmer „vorzugswürdig“, sagt Grötsch. Ihn, so ergab das Gutachten, könne man leichter in die Pflicht nehmen, Terminplan und Kostenrahmen einzuhalten. Das setzt aber voraus, dass vorher jedes Detail festgeschrieben wird, „bis zur letzten Schraube“, so Grötsch. „Dadurch kann eine gewisse Verzögerung eintreten, die bis zu einem Jahr ausmachen kann“, formuliert er. Schon wäre man beim Baubeginn 2023.

In Sachen Kosten fühlt sich die Stadt indes jetzt auf der sichereren Seite. „Die mögliche Gefahr weiterer Kostensteigerungen durch eventuelle Verschärfungen im Baurecht, beim Brandschutz, Denkmalschutz, Arbeitsschutz sind bereits weitestgehend ausgeschlossen“, verweist die Verwaltung in ihrem Papier für die Stadträte darauf, dass es seit dem 18. Februar 2020 eine rechtskräftige Baugenehmigung gibt. Deren Basis bilden überarbeitete Pläne. Dies liegt in erster Linie an dem neuen Konzept für den Orchesterprobensaal. Zudem sind nun eingerechnet sogenannte „Drittmittel-Projekte“ – also nicht notwendige, aber aus Sicht der Theaterleitung wünschenswerte Vorhaben, für die Sponsoren gesucht werden.

Doch zumindest die „baulichen und technischen Voraussetzungen“ müssten geschaffen werden, unabhängig davon ob die Gelder eingeworben werden. Insgesamt handele es sich nun um die, so formuliert es Grötsch, „finale Entwurfsplanung“ vom Architekturbüro Schmucker. In der Architekten-Sprache bedeutet dies, dass die Leistungsstufe drei abgeschlossen ist. „Wir haben jetzt erstmals eine belastbare Kostenberechnung auf Basis einer detaillierten Planung“, so der Bürgermeister.

Diese Berechnung ist wiederum von einem Projektmanagement-Büro geprüft worden. Erst während dieser Prüfung habe man „erkannt“, so die Verwaltung, dass 2018 ein zu geringer Zuschlag für Baukostensteigerung einkalkuliert worden sei. Daher sei eine „konjunkturbedingte Korrektur“ nötig. Schließlich verursacht die Verschiebung des Baubeginns weitere Kostensteigerungen.

In der Summe bedeutet das, dass statt den im Mai 2018 genannten 200 Millionen Euro nun 247 Millionen Euro fällig werden – inklusive Risikozuschlag und Baupreissteigerung. Fünf Millionen Euro entfallen dabei auf den Orchesterprobensaal, 11,4 Millionen Euro auf Baupreissteigerungen und der Rest auf die jetzt erreichte detailliertere Planungstiefe, die wir vorher nicht hatten“, so Grötsch. Schließlich handele es sich „um sehr komplexes Bauen im alten Bestand“, so der Bürgermeister.

120 Millionen Euro davon haben Bund und Land als Zuschüsse zugesagt. Dazu musste der Gemeinderat beschließen, dass er in jedem Fall den ganzen Rest der Kosten trägt – was er im Dezember 2018 getan hat. Am 28. Juli soll der Gemeinderat nun dennoch die höhere Bausumme absegnen. „Das ist Voraussetzung für den Erhalt der Fördermittel“, erklärt Grötsch. Zugleich soll das Planungsteam unter Leitung vom Architekturbüro Schmucker den Auftrag erteilt bekommen, nun mit der Ausführungsplanung zu beginnen.

Redaktion Chefreporter

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