Die Hallen der früheren Rheinischen Celluloid- und Gummifabrik haben 2008/2009 Schlagzeilen gemacht – weil hier ein „Museum Kesselhaus“ geplant war.
Joachim Mühling, Kunstsammler und Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie aus Heidelberg, hatte ab 1998 mehrere Hallen auf dem früheren Schildkröt-Gelände in Neckarau erworben, auf eigene Kosten sehr stilvoll restauriert und dort zunächst nur für sich eine Kunstsammlung aufgebaut. Er galt seinerzeit als größter Besitzer von Arbeiten des Malers und Bildhauers Anselm Kiefer in Deutschland. Zunächst sollten die Hallen dem Sammler, der stets völlig im Hintergrund bleiben und lange nicht genannt werden wollte, nur als privates Refugium dienen. Er hatte sich sogar ein Bett mit Motor konstruieren lassen, mit dem er vor die großformatigen, monumentalen Kunstwerke fahren konnte.
Als er aber den damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger zu Gast hatte, entstand die Idee, die Werke doch zumindest an einigen Tagen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – 900 Stunden im Jahr, wie es hieß. „Museum Kesselhaus“ war zunächst der Arbeitstitel, dann „Kunsträume Mannheim“. Betreiber des Museums sollte die Stiftung für Kunst und Kultur in Bonn sein, die seit 1999 auch das Museum Küppersmühle in Duisburg betreut.
Starkoch Amador und Insolvenz
Stadt und Land hatten schon zugesagt, die Betriebskosten zu bezuschussen und den Teil der Umbaukosten der Hallen zu übernehmen, die durch die öffentliche Nutzung anfallen – also Toiletten, Notausgänge oder Garderoben. Oberbürgermeister Peter Kurz versprach sich damals davon eine „Stärkung des gesamten Kulturstandorts“ und einen Schub für die – seinerzeit noch geplante – Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ 2020.
Bereits mit Blick auf das Museum eröffnete Starkoch Juan Amador in einer der Schildkröt-Hallen 2009 ein Restaurant. 2012 musste seine Firma zwar Insolvenz anmelden, bis 2015 kochte er aber in Neckarau weiter.
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Doch schon 2009 war der Kunstsammler nach schwerer Krankheit verstorben. Der Vertrag zwischen Stadt, Land und Stiftung war noch nicht unterzeichnet, und die Erben verfolgten die Idee nicht weiter. Lange standen die Hallen einfach leer. Die Anselm-Kiefer-Werke wurden abtransportiert. Die Installation einer Bettenspirale („Inferno“) von Rebecca Horn ging schon 2017 in die Kunsthalle, erworben vom Förderkreis. Ende 2018 verkauften die Erben des Arztes die Halle an eine private Gesellschaft, deren Geschäftsführer vorher schon im Bereich Event und Vermittlung von Servicepersonal tätig war. Die Kunst wurde nicht mit verkauft – soweit beweglich. Fest montierte Kunst wie der Steinkreis von Richard Long und insbesondere die Installation „Das letzte Hemd“ von Christian Boltanski blieben. Zuletzt wurden zwei Hallen und das frühere Restaurant, aber nicht die Räume mit der Kunst, für Kongresse, Tagungen, Hochzeiten und Konzerte von dieser privaten Gesellschaft vermietet.
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