Mannheim. „Mit weit ausgebreiteten Armen“ will das Nationaltheater auf sein Publikum zugehen. Das hat der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs versprochen. Ein Ort dazu soll die Baubude sein, die nun an der Ecke Goethestraße/Friedrichsring und damit direkt neben der Baugrube als Anlauf- und Informationsstelle rund um die Generalsanierung dient. Oberbürgermeister Christian Specht hat sie jetzt eröffnet.
Er fährt täglich hier an der Baustelle vorbei, „immer mit gemischten Gefühlen“, wie der Oberbürgermeister gesteht. „Ich fühle jeden Tag mit“, sagt Specht mit Blick auf die derzeit größte städtische Baustelle, die „schon wegen der Dimension des Projekts“ mit reinen Baukosten von derzeit 247,08 Millionen Euro natürlich besonders in Focus der Öffentlichkeit stehe. Nicht ohne Grund habe er gleich an seinem ersten Arbeitstag als Oberbürgermeister am 4. August die Baustelle besichtigt und dabei das „große Engagement“ des Planungs- und Bauteams erlebt.
Anlaufstelle für Informationen über die Sanierung des Nationaltheaters früher gewünscht
Oft beobachte er Leute, die interessiert am Bauzaun stehen. Eine Anlaufstelle zur Information, wie sie auch die Zuschussgeber Bund (80 Millionen Euro) und Land (40 Millionen Euro) verlangen, hätte er sich daher früher gewünscht, gibt Specht zu erkennen. „Ich habe mir das so einfach vorgestellt, dass man einfach einen Container aufstellt“, meinte der Oberbürgermeister. „Aber am Theater dauert es manchmal ein bisschen länger, dafür wird es besser“, kommentiert Specht, dass der Baubeginn ja schon eineinhalb Jahre zurückliegt.
An das Nationaltheater formuliert Specht klare Erwartungen. Es befinde sich nicht nur durch den Umbau in einer „Phase der Transformation“ und müsse sich „neu aufstellen“ sowie als „Motor der Stadtgesellschaft wirken“. Die derzeitige Situation des Theaters bezeichnet der Oberbürgermeister als „extrem schwierig“, weil seit die Corona-Pandemie und wegen der Ersatzspielstätten die Zahl der Abonnenten zurückgehe. Umso mehr müsse das Haus auf das Publikum zugehen und klarmachen: „Es soll Euer Theater werden!“
Aber nicht nur der Information darüber diene die Baubude. Laut Specht ist sie auch als Vorbote der geplanten Umgestaltung des Goetheplatzes gedacht. Im Sommer entwickle er sich zu einem der heißesten Plätze der Innenstadt. „Er hat eine geringe Aufenthaltsqualität“, so Specht, „und das müssen wir ändern“. Geplant sei, ihn zu begrünen und dort auch Wasser so zu integrieren, dass die Menschen sich wohlfühlten. Wenn es gelinge, den Goetheplatz zum „Scharnier zwischen Innenstadt und dem Unteren Luisenpark zu machen, wäre das auch eine riesengroße Chance für das Nationaltheater“, so Specht.
Schließlich ist geplant, dass nach der Generalsanierung das Foyer tagsüber immer den Bürgern offen steht und es in der ehemaligen Kassenhalle auch dann eine Gastronomie gibt, wenn das Haus gerade nicht bespielt wird. Specht wünscht sich einen „Aufenthaltsort ohne Konsumzwang“, der belebt ist. Das halte er auch angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und der Einflüsse sozialer Medien für nötig. „Notwendig sind Plätze, wo sich die Menschen versammeln, treffen, austauschen und sinnliche Erfahrungen machen können, auch dafür steht das Nationaltheater“, so der Oberbürgermeister.
Darüber hinaus müsse das Nationaltheater auch einen Beitrag leisten zum „Erlebnis Innenstadt“. Auch dafür weist Specht dem künftigen Goetheplatz eine wichtige Rolle zu. „Wir müssen schauen: Wie kriegen wir Musik hier auf den Platz? Kann man die große künstlerische Leistung des Hauses hier erlebbar machen, kann man Proben erlebbar machen?“, formulierte der OB: „Auch das ist Ihre Aufgabe“, wandte er sich an die Theaterleute.
Nationaltheater Mannheim will sich Themen der Stadt annehmen
„Wir werden das abarbeiten“, reagierte der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs auf die Aufträge des Oberbürgermeisters. Nicht richtig sei aber, dass die Zahl der Abonnenten sinke - man habe sie nach Corona von unter 4000 auf etwa 5000 steigern können, sagte er. „Aber natürlich brauche wir viel, viel mehr“, so Pröllochs. Vor der Pandemie hatte das Theater selbst die Zahl der Abonnenten mit etwa 9000 angegeben.
Gerne werde das Nationaltheater „in die Stadt hineinwirken“, sagte Pröllochs, „das ist selbstverständlich für uns“. Zugleich wies er darauf hin, dass das Ensemble gerade auch auswärts - das Ballett in Stuttgart, das Schauspiel in Berlin - erfolgreich gastiert habe. Aber natürlich müsse man sich „den Themen der Stadtgesellschaft stellen“ und das Publikum gerade über die Generalsanierung informieren.
Dazu dient die Baubude, die vom Mannheimer Architekturstudio „Yalla Yalla - studio for change“ gestaltet worden ist. Sie besteht aus einem Seecontainer mit Theke sowie Wänden, die mit Texten, Grafiken, Schaukästen, Gucklöchern, die direkt auf markante Stellen der Großbaustelle gerichtet sind, oder periskopartigen Rohren Einblick in die Planungen und Bauarbeiten vermitteln.
Einmal wöchentlich - mittwochs um 14 Uhr - soll es hier eine öffentliche Sprechstunde mit Mitarbeitern des Hauses geben. Schließlich dient die Baubude ab sofort als Treffpunkt für die zweimal im Monat angebotenen Baustellenführungen. Das Theater plant von hier aus auch geführte Radtouren zu Ersatzspielstätten sowie Veranstaltungen für Vereine und Gruppen. „Wir wollen in einen Dialog gehen“, so Pröllochs.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Baubude des Theaters: Gut, aber viel zu spät