Mannheim/Berlin. Jetzt positioniert sich auch der Zentralrat der Juden in Deutschland kategorisch gegen ein Konzert des umstrittenen Popsängers Xavier Naidoo in Berlin: „Berlin darf Judenfeinden keine Bühne bieten, erst recht nicht in städtischen Räumen. Das Konzert muss untersagt werden“, schrieb Zentralratspräsident Josef Schuster über den Twitter-Account der Dachorganisationen der jüdischen Gemeinden und Verbände in Deutschland.
Er nimmt Bezug auf einen Bericht des „Tagesspiegels“ vom Mittwoch, demzufolge der Veranstalter des Konzerts am 1. August 2021 in Berlin auf einem Nachholtermin beharre und und gegen die die für die Zitadelle Spandau zuständige Bezirksregierung nichts unternehmen könne (wie online berichtet). Ebenfalls am Mittwoch hatte es in der Rostocker Bürgerschaft keine Mehrheit für ein Verbot des in der kommunal bewirtschafteten Stadthalle gegeben.
Agentur denkt um
In Berlin deutet sich unterdessen eine Wende an: Hatte der Veranstalter Trinity Music zunächst allein die Anfrage des „Tagesspiegels“ nach einer Konzertabsage als unprofessionell abgetan, muss Geschäftsführer Thomas Spindler über Nacht massiv umgedacht haben. Auf der Facebook-Seite steht seit Mittwochabend: „Wir, der Geschäftsführer Thomas Spindler und alle Mitarbeiter der Trinity Music GmbH, distanzieren uns ausdrücklich von den andauernden und erschreckenden Aussagen des Herrn Naidoo! Wir distanzieren uns ebenfalls klar von jeglicher Art von Antisemitismus, Rassismus und Faschismus.“
Das Künstlerportfolio von Trinity Music sei ist bunt und divers. Als weltoffene, engagierte und liberale Veranstaltungsfirma mitten aus Berlin teile man auf keinen Fall das Weltbild dieses Künstlers. Es folgt die bislang in der Veranstalterszene deutschlandweit einmalig klare Aussage: „Wir würden lieber heute als morgen von den Verträgen zurücktreten und arbeiten gerade daran. Nach über 15 Monaten ohne ein einziges Konzert, ist es eine große Herausforderung, eine Veranstaltungsagentur sicher durch diese Pandemie zu führen. Wir tragen die Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen, Partner und nicht zuletzt unsere Kundinnen und Kunden. Wir werden Xavier Naidoo keine Bühne geben!“
Rechtsextremismusexperte: Naidoos Telegram-Kanal "sehr gefährlich"
Naidoo hat sich zuletzt zunehmend extrem geäußert, auf seinem Telegram-Kanal werden nicht nur alle erdenklichen Verschwörungsfantasien rund um den Coronavirus und Quanon-Themen geteilt, auch von ihm persönlich wie Telegram Experte Josef Holnburger vom gemeinnützigen Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cema) auf Anfrage bestätigte. Seit Jahreswechsel gebe es auch vermehrt Inhalte, die den Holocaust infrage stellen. „Ich halte Naidoos Aktivitäten auf Telegram für sehr gefährlich, denn durch seine Prominenz macht er teilweise rechtsextreme Inhalte vielen Menschen zugänglich“, sagte der Antisemitismus- und Rechtsextremismus-Forscher Holnburger.
Auch die Corona-Maßnahmen bleiben im Visier Naidoos: In den sozialen Medien kursierte zuletzt ein Video, in dem er laut darüber nachdenkt, vor dem Berliner Reichstag in Hungerstreik zu treten.
Beim überregionalen Veranstalter Live Nation, geleitet von Marek Lieberberg, sind zwölf Konzerte von Xavier Naidoos „Hin und weg“-Tournee gelistet. Zehn davon haben den Status „verschoben“ ohne näheren Termin, darunter Berlin und Rostock. Noch steht der Regensburger Termin für den 23. Juli 2021 im Kalender. Der Auftritt in Ulm ist bisher der einzige der Tournee, der erfolgreich verlegt werden konnte, auf den 18. Juni 2022. Das ursprünglich auf der Ladenburger Festwiese geplante Konzert wurde exklusiv vom Hirschberger Veranstalter DeMi Promotion organisert. Die Verlegung dieses Open Airs auf den 9. Oktober in die SAP Arena hat auch in Mannheim eine äußerst kontroverse Diskussion darüber ausgelöst, ob man Naidoo noch ein Podium bieten dürfe.
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