Mannheim/Rostock/Berlin. Doch kein Konzertverbot für Xavier Naidoo in Rostock: Die Bürgerschaft der Hansestadt wird einem Ersatztermin für das am 22. August geplante Konzert des umstrittenen Mannheimer Popsängers in der Stadthalle nicht unterbinden. Das hat die Bürgervertretung am Mittwochnachmittag denkbar knapp entschieden: Bei 20 Ja-, 20-Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen hat der Antrag keine Mehrheit erhalten und ist damit abgelehnt.
Am 19. Mai hatte sich die Bürgervertretung noch mit knapper Mehrheit für einen Antrag der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD entschieden, die einem „staats- und demokratiefeindlichen Künstler wie Naidoo“ kein Podium bieten wollten. Ein Veto von Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) hatte eine Wiederholung der Debatte nötig gemacht. Im Vorfeld der neuerlichen, insgesamt dritten Abstimmung hatte der grüne Fraktionschef Uwe Flachsmeyer signalisiert, sich jetzt enthalten zu wollen, weil ein langwieriger Rechtsstreit zwischen OB und Bürgerschaft nicht zielführend sei. "Stattdessen sollte die Bürgerschaft in dieser Angelegenheit ein klares Statement für Weltoffenheit und Vielfalt beschließen", hieß es in seinem Antrag. Sein Fraktionskollege Andreas Tesche betonte zu Beginn der Sitzung die Gemeinsamkeiten in der Ablehnung von Naidoos politischen Positionen, und plädierte für ein differenziertes Bekenntnis zu „schrankenloser Kunstfreiheit und zur wehrhaften Demokratie“.
In der Stellungnahme sollte festgestellt werden, dass zahlreiche Äußerungen und Handlungen Xavier Naidoos nicht mit den Werten der Hansestadt Rostock vereinbar seien. „Dazu zählen u. a. Bekenntnisse Naidoos zu gemeinsamen Zielen und Positionen mit der Reichsbürgerbewegung, die offene Solidarität mit rechtsextremen Akteuren und eine klare Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Auf Naidoos Kanal im Messengerdienst Telegram werden u.a. antisemitische Positionen gepostet, die Auschwitzlüge vertreten und holocaustleugnende Propagandavideos als ,Wahrheit‘ verbreitet“, heißt es im Änderungsantrag der Grünen. Trotz Meinungs- und Kunstfreiheitsei klar, „dass Naidoos Positionen dem demokratischen Grundkonsens unserer Stadt diametral entgegenstehen.“
Kontroverse Debatte
Der Änderungsantrag fand nach gut einstündiger, kontroverser Debatte nur zwölf Befürworter. SPD, Linke und Teile der Grünen-Fraktion ließen sich nicht überzeugen und bestanden weiterhin auf einer klaren Ablehnung des Naidoo-Konzerts: „Wir bleiben dabei: Keine Bühne für Xavier Naidoo in städtischen Veranstaltungsräumen“, sagte Anke Knitter (SPD). Sie möchte dem Mannheimer nicht durchgehen lassen, dass er seine politischen Äußerungen mit der Kunstfreiheit decken wolle. Wie ihr Parteifreund Christian Reinke, der vorschlug, Naidoo und seinem Veranstalter eine Vertragsstrafe zu zahlen, sieht sie einen höheren Schaden für die Gesellschaft, wenn das Konzert stattfinde. Für Eva-Maria Kröger (Linke) habe sich Naidoo in seinen jüngsten Videos noch weiter dem militanten Rechtsextremismus angenähert. Deshalb scheue ihre Partei keine juristische Nachbetrachtung durch das Innenministerium, das als nächster Schritt notwendig geworden wäre.
Daniel Peters (CDU/UFR) sorgte für einen kleinen Eklat, in dem er die bisherigen Ausführungen mit dem Ton des Kulturreferats des SED-Politbüros verglich. Trotzdem distanzierte er sich von Naidoos Inhalten: „Wir lehnen die künstlerischen Einlassungen ab, sind aber gegen ein Verbot und gegen ein Bekenntnis.“ Er sehe einen massiven Eingriff in die Meinungs- und Kunstfreiheit. Auch Sibylle Bachmann vom Rostocker Bund sah keinem Grund den Anträgen zuzustimmen. Grünen-Fraktionschef Flachsmeyer beschloss die inhaltliche Debatte: „Das Ziel, Xavier Naidoo nicht auftreten zu lassen, ist nicht zu erreichen, und wir wollen nicht in einen Rechtsstreit mit dem OB gehen“, begründete er seine Enthaltung.
Der OB hatte seinen Widerspruch damit begründet, dass ein Vertragsanspruch von Naidoo auf ein Konzert 2022 in der Stadthalle trotz der Terminverlegung weiterbestehe: „Würde ich dem Beschluss gemäß die Geschäftsführung der inRostock GmbH anweisen, ein solches Angebot nicht zu unterbreiten, ein darauf gerichtetes Angebot nicht anzunehmen bzw. die bereits vorgeschlagenen Ausweichtermine zu widerrufen, würde ich die Gesellschaft zum Vertragsbruch zwingen“, begründete Madsen seinen Widerspruch. Außerdem sieht das Stadtoberhaupt unter anderem einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes: „Es ist keine Bestimmung erkennbar, aus der heraus der von den Antragstellern reklamierte ,Ruf‘ der Stadthalle eine Ungleichbehandlung von Naidoo mit anderen Künstlern, die in der Stadthalle auftreten dürfen, rechtfertigen könnte.“
Widerstand gegen Berliner Konzert wohl zwecklos
Widerstand gegen Naidoo-Konzerte rührt sich in vielen Städten, auch in Mannheim mit Blick auf das Konzert am 9. Oktober in der – privat betriebenen – SAP Arena. Über den Auftritt in der Berliner Zitadelle, für den derzeit auch ein neuer Termin gesucht wird, berichtet der Tagesspiegel am Mittwoch, dass der Veranstalter Trinity Music auf jeden Fall daran festhalte. Die Zeitung zitiert Urte Evert, die Museumsleiterin der Zitadelle, die sich nur als Privatperson gegen das Naidoo-Konzert aussprechen dürfe: „Seiner Menschenverachtung und seinem Hass sollte keine Bühne mehr geboten werden, zumal er durch seine Berühmtheit großen Einfluss hat.“ In ihrem Team arbeiteten zudem Menschen, die „aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens und/oder Ansichten zum direkten Angriffsziel Naidoos gehören“, auch sie selbst leide unter dem Auftritt des Sängers, weil dieser „unsere gesamte Arbeit, die Zitadelle als weltoffenen Ort zu etablieren, integrativ für alle, die Demokratie stärkend durch Bildung, überschattet“.
Eine Möglichkeit, das Konzert zu unterbinden, habe Urte Evert nicht, so der „Tagesspiegel“. Sie müsse, im Gegenteil, sogar die überschwänglichen PR-Texte für den Auftritt des Sängers unverändert auf die offizielle Homepage der Zitadelle übernehmen, wie sie vom Veranstalter Trinity Music geliefert werden.
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