Mannheim. Kult trifft Kult: Mannheims Musiker der Stunde, Gringo Mayer, spielt zum Höhepunkt der Geburtstagsfeierlichkeiten des Kiosk am Neumarkt ein kleines Open Air. Das Wetter ist gut, Resonanz und Stimmung sind noch besser. Das passt perfekt zum Anlass der Feierlichkeiten: Vor fünf Jahren haben die Kommunikationsdesigner Julian Bender und Ricarda Rausch aus dem traditionellen Kiosk im Zentrum der Neckarstadt-West eine Art Bar gemacht, die als Hipster-Treff durchgeht, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verleugnen. Wie's dort früher teilweise zuging, hat es sogar in Chako Habekosts aktuelles Programm "Life Is Ä Comedy" geschafft, in dem er auch aus seiner Zivildienst-Zeit als Rettungssanitäter in Mannheim berichtet.
Für Mayer, den in die Nachbarschaft gezogenen Indie-Mundart-Songwriter mit Bloomaul-Qualitäten, schließt sich am Kiosk ein Kreis, wie er von der Bühne aus erzählt: Ein Auftritt vor vier Jahren an gleicher Stelle ("da wurde ich noch ausgebuht") habe ihm quasi den letzten Kick gegeben, im als Band 2015 gestarteten Projekt Gringo Mayer eine Zukunft zu sehen. In "Akkorden mit Dummgebabbel", wie er es in einer Ansage selbstironisch formuliert. "Ein weiterer Kick war, als ich ebenfalls 2018 auf der Hohen Loog beim Pfälzerwald Verein gespielt hab'. Als Zugabe gab's meinen damals völlig unbekannten Mundartsong ,Ahjoo'." Noch Stunden nach dem Auftritt sei der Song vom Publikum gesungen worden.
Zweites Album in Sicht
Sein gut 90-minütiges Solo-Konzert startet mit "Rollenda Stä" zur Reisegitarre im Mini-Format, das noch aus der eigentlich "hochdeutschen Zeit" mit der Vorgängerband Die Felsen stammt. Dann kann er sich quasi blind auf das mitreißende Material seines Debütalbums "Nimmi normal" verlassen: Nicht nur beim Fußballsong "Gibt's do net", sondern auch zum Klassiker "Ahjoo" und dem kleinen Sozialdrama "Viel zu arg" herrscht Stadionatmosphäre an der sehr gut gefüllten Kiosk-Ecke des Neumarkts. Die bitterbösen "Nimmi normal" und "Ru' da driwwe" werden vom Stammpublikum textfest gefeiert, neue Zuhörerinnen und Zuhörer staunen amüsiert über die Textschärfe. Mit "Kumm nommo' her", "Elafonisi" und "Am Rhoi" wird die herzlich-emotionale Seite bedient. Die charmant versponnenen, autobiografisch anmutenden Ansagen des 1988 als Tim G. Mayer geborenen Sängers machen das Entertainment-Paket komplett: "Ich komm aus Ludwigshafen am Rhein. Vielleicht kennt's der eine oder andere. Ist wie Heidelberg. Nur ohne Schloss. Und Neckar. Und alles", berichtet der Wahl-Neckarstädter trocken. Und holt so nicht die einzigen großen Lacher des Abends.
Im neuen Stück "De Deiwel soll se hole" wird es politisch: "Überall Verbrecher, dabbische Rapper und geldgeile Politiker" heißt es dazu. Auf Nachfrage berichtet Mayer über seine Pläne: "Das zweite Album ist sowas von in Sicht. Ich schreibe es gerade fertig, Ende des Jahres geht's ins Studio und nächsten Sommer soll es rauskommen." Zeit wird's: Im Kiosk gingen die allerletzten Vinyl-LPs von "Nimmi normal" über die Theke, viele Fans mussten auf CD umschwenken oder sich auf die Nachpressung vertrösten lassen. Allein das zeigt, wie viel sich seit der im Alleingang betriebenen Veröffentlichung im November 2021 getan hat. "Im März diesen Jahres ging die Livesaison los, im Café Central in Weinheim. Das war ziemlich ausverkauft und die Leute haben von Anfang bis Ende mitgesungen. Selbst bei komplett neuen Stücken", erinnert er sich.
Übernächste Station: Benzbaracken
Es folgten noch einige Highlights hinzu, wie Supportshows für die Band Kettcar in Leipzig und Graz - "wo man nix verstanden, es aber trotzdem übelst gefeiert hat". Maifeld Derby, Shows in der Pfalz ("Hambach und Edenkoben!"), diverse Kurzauftritte im Capitol, das allererste Konzert mit Band auf der Sommerbühne des Nationaltheaters schon 2020 - Gringo Mayer spielt die Ochsentour.
Am nächsten Wochenende geht es damit schon weiter: Auf ein Auswärtsspiel beim Seapopgo Festival im Taunus am 15. Juli folgen tags drauf ein kultverdächtiger Solo-Auftritt ab 14 Uhr an den Mannheimer Benzbarracken und um 20 Uhr ein Kurzkonzert beim Herzogenried Stadtteilfest. Der gleiche Anlass führt den "Mannheimer Bob Dylan" (Wolfgang Niedecken) am 17. Juli zum Stadtteilfest auf die Rheinau. Am 23. Juli ist er beim Lanz-Park-Fest auf der Rheinau zu hören, am 29. als Teil des Programms der Sommerbühne der Alten Feuerwache.
Vormerken sollten sich Gringo-Mayer-Fans seine Gastspiele beim Festival Vogel der Nacht in Bensheim (26. August, 21.30 Uhr) sowie beim Mannheimer Brückenaward am 27. August. Am 1. Oktober lässt er wieder in der Neckarstadt von sich hören - zur Feier des 150-jährigen Bestehens des Stadtteils auf dem Alten Messplatz. Nicht zu vergessen: Am heutigen Sonntag endet die kleine Festwoche "5 Years Anniversary" des Kiosk mit dem Thema Schorleschoppen.
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