Manchmal wirkt alles wunderbar einfach, und doch hat es dann mitunter ausgesprochen komplizierte Konsequenzen. Die friedliche Revolution in der DDR, die zu deren Untergang führte, mag einem zumal im Rückblick (und im Westen) in solcher Weise erscheinen. Für Saskia Starke, Hauptfigur des vom RBB unter der Regie von Sven Bohse produzierten Spielfilms „Wendezeit“, hat sie aber sehr bedrohliche Folgen.
Test mit dem Lügendetektor
Klar, es wären einfachere Geschichten mitten aus dem Leben denkbar, um solches zu demonstrieren. Bohse indes hat ein Agentendrama inszeniert: Die von Petra Schmidt-Schaller gespielte Saskia ist nämlich Doppelagentin. Offiziell arbeitet sie für den US-Geheimdienst mit Diplomatenstatus bis zur Wende 1989/90 in West-Berlin; sie hat einen gütigen amerikanischen Ehemann (Harald Schrott) und zwei Kinder, doch in Wahrheit heißt sie Tatjana, ist überzeugte Sozialistin und spioniert im Auftrag der DDR den angeblichen Klassenfeind aus.
Das ist allein schon schwierig genug, wird aber erst recht dann zur tödlichen Gefahr, als in Folge des politischen Umbruchs ihre Tarnung aufzufliegen droht. Da muss die attraktive Frau um die vierzig auch mal schnell eine häusliche Party verlassen, um im Osten einen unzuverlässigen Kollegen auszuschalten – und zwar ohne, dass einer der Gäste sie, die eine Migräne vortäuschte, anderswo als im Bett vermuten würde. Oder es gilt, den Test mit dem Lügendetektor zu bestehen, eine Szene von erkennbar großem symbolischem Wert, denn im Grunde dreht sich der Film vor allem um die Frage, wie viel Unaufrichtigkeit und Lüge eine Beziehung, ja ein Leben überhaupt verträgt: Saskia liebt ihre Familie wirklich, auch wenn sie ihr so vieles verschwiegen hat.
Schauwerte mit Zeitkolorit
Aus diesem Umstand zieht der Film, dessen Zentrum stets die glaubhaft agierende Petra Schmidt-Schaller bleibt, seine innere Dramatik. Deshalb verzeiht man diesem Film auch gerne seine Wendungen und die Kompliziertheit der Handlung, die freilich typisch fürs Genre des Spionagethrillers ist. Man sieht auch über die zuweilen etwas angestrengt wirkende Absicht hinweg, zeitgeschichtliche Informationen mitzuliefern und zusätzlich auf der Ebene der Kinder zu spiegeln. Denn Weltgeschehen in einem kleinen, individuellen Ausschnitt zu analysieren, ist gewiss keine Kleinigkeit. Und Schauwerte mit Zeitkolorit bietet dieser Film in der Haupthandlung wie in einigen Rückblenden durchaus reichlich.
Ein Eröffnungsfilm nach Maß? Bei allen Wendungen und Windungen verliert Sven Bohses Drama doch nie seine Mitte. Um einen Sieg der Menschlichkeit wird hier gerungen, darauf läuft alles zu – und darum geht es schließlich nicht nur im Zeltkino auf der Parkinsel. Dass der Film als Weltpremiere gezeigt werden kann und dem Jubiläum des Mauerfalls vor bald 30 Jahren Rechnung trägt, erscheint da fast nur noch als nettes Detail am Rande.
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