Foto-Ausstellung

Warum ein Experte eine große "Häusser-Zeit" kommen sieht

Claude W. Sui ist Chef des Forums Internationale Photographie der Reiss-Engelhorn-Museen. Er kümmert sich dort auch führend um den Nachlass des deutschen Starfotografen Robert Häusser aus Mannheim - und zeigt jetzt die Schau "Die Welt am Oberrhein".

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Stefan M. Dettlinger
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Letzte Kontrolle: Robert-Häusser-Tochter Ina mit Kurator Claude W. Sui vor einem Werk der Ausstellung. © Manfred Rinderspacher

Er ist der Star der deutschen Fotografie-Szene. Eigentlich. Denn der Mannheimer Robert Häusser (1924-2013), erster deutscher Hasselblad-Preisträger bislang, ist immer noch zu unbekannt. Das wollen die Reiss-Engelhorn-Museen ändern und zeigen „Die Welt am Oberrhein“ mit Werken Häussers aus den 1960ern – ein Gespräch mit Kurator und Häusser-Experte Claude W. Sui.

Herr Sui, wie geht es dem Werk Robert Häussers rund zehn Jahre nach seinem Tod?

Claude W. Sui: Hinter den Kulissen ist einiges geschehen. Es wurde das sogenannte „Basis-Archiv“ mit Auftragsarbeiten von Robert Häusser umfassend bearbeitet. Ein wesentlicher Aspekt war die Digitalisierung der Bilder. Da haben wir viel Hilfe in fünfstelliger Höhe erhalten. Mit Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Kulturstaatsministerin konnten über 5000 Digitalisate erstellt werden, die zukünftig auf der Webseite der nutzerorientierten Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Das heißt, jeder kann die Sachen jederzeit ansehen?

Sui: Ja, diese weitreichende Online-Präsenz wird ein wesentlicher Schritt in der Sichtbarmachung des Werkes von Robert Häusser sein. Für die wissenschaftliche Forschung werden völlig neue Impulse und Möglichkeiten gegeben. Neueste Ergebnisse werden in der Ausstellung „Die Welt am Oberrhein – Fotografien von Robert Häusser aus den 1960er-Jahren“ präsentiert, die wir seit heute zeigen.

Klingt, als planten Sie noch mehr.

Sui: Ja, 2024 und 2025 finden zwei 100-jährige Jubiläen statt: 2024 jährt sich Häussers 100. Geburtstag, 2025 feiert Mannheim das Jubiläum „100 Jahre Neue Sachlichkeit“. Deshalb ist eine Ausstellung in den REM geplant, die ausgewählte Werke von Häusser mit den Vätern der Neuen Sachlichkeit gegenüberstellt und somit eine völlig neue Facette des Ausnahmefotografen zeigen wird.

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Und wie entwickelt sich sein Werk bei Sammlern vom Wert her?

Sui: Häusser hat einen festen Wert bei privaten Sammlern. Sie schätzen genau diese meditative, zuweilen melancholische, wenn nicht philosophische Bildsprache, die Fragen an das Sein stellt.

Sie sprachen von der Schau: Finden Sie, dass Häusser etwas mit der Neuen Sachlichkeit zu tun hat?

Sui: Aber ja! Sein Werk weist eine sehr starke Parallele zur Neuen Sachlichkeit auf. Dies lässt sich an Bildbeispielen wie „Kamine“, „Wäsche“ oder „Rennwagen“ wunderbar aufzeigen. Diese Bilder bekommen durch ihre strenge tektonische Symmetrie und Nahansicht eine Abstraktion und Verfremdung, so dass diese Objekte bei Häusser eine Aura des Un-Vertrauten haben.

Ließe sich das auch auf die „Zeitungslektüre“ mit dem Mainzer Dom im Hintergrund aufzeigen?

Sui: Vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor. Er ist kein Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit. In seinem Werk sind verschiedene Einflüsse und Stilmerkmale der Neuen Sachlichkeit zu finden. Es ist so facettenreich, dass sich Kunstströmungen wie Neues Sehen, Magischer Realismus, Straight Photography, Neue Sachlichkeit, Concern Photography darin finden. Aber nicht in jedem Bild ist gleichzeitig alles sichtbar.

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Wo steht die „Zeitungslektüre“?

Sui: Das ist ein bildjournalistisches Werk, das schon die Kompositionsmerkmale Häussers aufweist. Gleichwohl handelt es sich um kein Bild, das der Neuen Sachlichkeit zugeordnet werden kann.

Sie zeigen es auf: Häusser war schon ein universeller Fotograf. Finden Sie, das wird in Deutschland und der Welt anerkannt und honoriert?

Sui: Baudelaire sagte in etwa: „Die Masse ist wie eine Uhr, die nachgeht!“

Sprich: Sie glauben an eine große Häusser-Zeit?

Sui: Absolut!

Dagegen spricht, dass Fotografie durch die stete Erneuerung und Perfektionierung der Technik eine gewisse Inflation erlebt, oder?

Sui: Wenn dem so wäre – umso mehr sollten die Bilder aus der analogen Ära einen höheren Stellenwert bekommen. Aber die Entwicklung der Fototechnik ist immer daraufhin ausgerichtet, die Technik zu erneuen und zu perfektionieren. Von der Camera obscura bis hin zur Kodak Kamera, von der Mammutkamera bis zur Leica, von der Rolleiflex bis hin zum Smartphone. Die Fotogeschichte ist untrennbar mit der Entwicklung der Fototechnik verbunden.

Was sind die besten und berühmtesten Werke Häussers wert?

Sui: Als der berühmte Sammler und Fotopionier Helmut Gernsheim die erste Fotografie, die sogenannte Heliographie von Joseph Nicéphore Niépce, 1826, in England aufspürte, fragte die Besitzerin, Mrs. Pritchard, was für einen Wert diese hätte. Gernsheim erwiderte: „Wenn Sie zu einem Trödler gehen, wird er die Metallplatte aus den Rahmen rausnehmen, die Platte auf den Müll schmeißen und Ihnen für den Rahmen einige Pences geben.“ Das ist der Verkaufswert. Für die Fotogeschichte dagegen hat diese Fotografie einen unschätzbaren Wert!“ Daraufhin übergab Mrs. Pritchard ihm die Heliographie samt Empire-Rahmen.

Sie nennen partout keine Summe …

Sui: Der Wert ist in diesem Zusammenhang relativ. Aber die Auktionspreise können Sie online aufrufen oder sich an Galerien wenden, die Häusser anbieten. Da hätten wir in Mannheim gleich zwei.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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