Das Porträt

Tobias Frindt erliegt in Mannheim dem Zauber der Großstadt

Er stammt aus Fürth im Odenwald und lebte lange in Bensheim. In Mannheim ist der Kommunikationsdesigner nun Leiter des Community Art Centers in der Neckarstadt-West, wo er entspannende Kunst für einen spannenden Stadtteil sucht...

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Der künstlerische Leiter Tobias Frindt in seiner Wirkungsstätte Community Art Center. © Manfred Rinderspacher

Ein wenig schüchtern wirkt er noch vor der Kamera, der neue Leiter des Mannheimer Community Art Centers in der Mittelstraße. Zumindest wenn er fotografiert wird. Hinter der Kamera und auch im Gespräch ist der 39-Jährige wesentlich gelöster. Kein Wunder. Der gebürtige Odenwälder studierte Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim und merkte schnell, dass ihn Filmisches mehr interessierte als grafische Kunst.

Aber immer der Reihe nach. Zunächst die Nachricht: Tobias Frindt ist seit Jahresbeginn Nachfolger von Annette Dorothea Weber, die sich, wie berichtet, nach zehn Jahren Aufbau- und Leitungsarbeit zum Jahreswechsel aus der Neckarstadt-West verabschiedete, um sich wieder mehr eigenen Kunstprojekten zuzuwenden.

Nun ist Frindt, der aus Fürth im Odenwald stammt, als ihr Stellvertreter aufgerückt zum Leiter des Instituts für „Community Art“, eine in den 1960er Jahren aufgekommene Form von „Dialog- und Veränderungskunst“, die den sozialen Zusammenhalt stärken will. Generell ist dies eine sinnvolle Absicht, in Mannheims westlicher Neckarstadt gar eine höchst notwendige und anerkannte. Die erfolgreiche Kunst-, Vermittlungs- und Vernetzungsarbeit wurde mittlerweile mit der Anerkennung als Soziokulturelles Zentrum gewürdigt.

Lesungen in Kindergärten, Fotoausstellungen über migrantisches Leben vor Ort, filmische Einblicke in die lokale Arbeitswelt, Musik- und Theaterprojekte mit Schülern und Anwohnern, so sieht das aus, was, geht es nach Frindt, künftig zunehmend auch in andere Mannheimer Stadtgebiete wirken will.

Tobias Frindt

  • Geboren wurde Tobias Frindt 1983 in Lindenfels, aufgewachsen ist er in Fürth-Ellenbach im Odenwald, wo er die Heinrich-Böll-Schule besuchte und danach an die Karl-Kübel-Schule in Bensheim wechselte, wo er 2001 die Fachhochschulreife ablegte.
  • 2004 schloss er eine Ausbildung zum Erzieher an der Darmstädter Alice-Eleonoren-Schule ab.
  • Den Studiengang Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim schloss er 2017 als Bachelor ab, machte dann im nordenglischen Leeds einen Master in „Design Future Society“ (2020).
  • 2020 kam Tobias Frindt zunächst als Krankheitsvertretung an das Community Art Center unter Leitung von Annette Dorothea Weber, die sich 2022 zurückzog.
  • Seit 1. Januar 2023 ist Tobias Frindt nun Leiter des Soziokulturellen Zentrums. 

Kunst, Musik und Jugendarbeit

Tobias Frindt, der mit Studienbeginn längst Neckarstädter wurde, hat die besten Voraussetzungen, im Schnittfeld aus Kunst, Kommunikation und Soziokultur zu arbeiten. Nach den Kindertagen im Weschnitztal macht er seine Fachhochschulreife auf der Karl-Kübel-Schule in Bensheim, wo er während seiner Ausbildung zum Erzieher in Darmstadt auch fünf Jahre wohnte. „Intensiv, aber leider erfolglos“ habe er hier versucht, musikalische Jugendarbeit voranzubringen, Probenräume zu finden, etwas auf die Beine zu stellen. Ablehnung und politischer Wankelmut hätten ihn dazu bewogen, die Heimat zu verlassen, war er zudem doch auch als Punk-Fan und Konzertbesucher „längst dem Zauber der Großstadt erlegen“. Die Frage lautete Frankfurt oder Mannheim. „Und Mannheim hat gewonnen“, grinst Tobias Frindt breit.

In der Neckarstadt wurde er schnell heimisch und setzte sein musikalisches Interesse und die Erfahrungen aus der Erzieher-Ausbildung, während der er in Werkstätten für Menschen mit Behinderung bereits Kunstprojekte verwirklicht hatte, für andere Zwecke um: Über zehn Jahre arbeitete er ehrenamtlich im Mannheimer Jugendzentrum JUZ, „dort habe ich viel gelernt, über Musikveranstaltung, Jugendarbeit und das Leben“, erinnert er sich gern.

„Soziale Arbeit“ an der FH Ludwigshafen zu studieren, war dann der Plan, wenn auch einer, der nicht aufging. Der Weg führte schließlich zum Kommunikationsdesign an der Fakultät Gestaltung der Hochschule Mannheim, deren Offenheit und Haltung zur Selbstverantwortlichkeit er schätzen lernte. So konnte Frindt bei einem Praxissemester in Berlin bei Regisseur und Produzent Dietmar Post an der 3Sat-Produktion „Deutsche Pop-Zustände“ mitwirken und die rechte Musikszene dokumentarisch aufarbeiten.

„Spannend wie frustrierend“ sagt er im Hinblick auf die Ergebnisse. „Wir stellten über diese Arbeit hinaus fest, dass wir beide über die Jugendhausszene sozialisiert wurden“, erinnert er sich. Diese entwickelte aus der 68er-Bewegung heraus die Forderung nach institutioneller Selbstverwaltung und wurde politisch sukzzesive in der kommunalen Sozialarbeit verankert. „Das Miteinander dort hat mich geprägt, ich kam in Kontakt mit Kunst. Besonders die Musik hat mir Horizonte eröffnet – und auch geholfen, als Teenager im Odenwald klarzukommen“, setzt er schmunzelnd nach.

Besuche in der Darmstädter Oetinger Villa, im Mannheimer JUZ oder in vergleichbaren Institutionen im Südwesten zwischen Karlsruhe und Frankfurt wurden prägend – und so wurde Tobias Frindt vom Besucher zum Organisator von Konzerten, Lesungen und partizipativen Kunstprojekten.

Mehr als sozialarbeiterische Kunst

Sein Weg führt somit eigentlich kerzengerade in das Mannheimer Community Art Center, das sich als Zentrum für Dialog- und Veränderungskunst, eben künstlerisch genau an den Schnittstellen von Gesellschaftskritik, Integration und Gemeinschaftsbildung bewegt, ohne rein sozialarbeiterische Kunst zu zeigen. Das klingt komplizierter, als es ist, und Tobias Frindt ist bodenständig genug, um dies mit praktischen Beispielen zu belegen. Anfang Februar befasst man sich in der Laurentiusstraße etwa in einer Ausstellung von Hannah Wagner mit „Feindlicher Architektur“, und Schauspielerin Hedwig Franke zeigt mit „Kein Dach über dem Leben“ ein Klassenzimmerstück zum Thema Wohnungslosigkeit. Tobias Frindt macht Kunst bei und für Menschen. Diese ist der Kitt der Großstadt – und auch Teil ihres Zaubers.

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Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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