Soziokultur

Community Art Center in der Neckarstadt-West feiert zehnjähriges Bestehen

Pionierarbeit: Das erste Community Art Center Deutschland hat Geburtstag. In der Mannheimer Neckarstadt-West wird dort ergründet, was einen Stadtteil eigentlich verbindet und wie Kunst eine Gemeinschaft bilden kann.

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Wollen durch Kunst Begegnungen schaffen: Annette Dorothea Weber und Tobias Frindt. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Manchmal weiß man gar nicht, was man so alles vor der eigenen Haustür hat. Zum Beispiel Pioniere in der Frage nach der Kunst, eine Gemeinschaft zu werden. Das klingt komplizierter, als es ist und fängt ganz klein an: Wie ergründet und verbindet man einen Stadtteil? Welche Menschen leben dort, welchen Hintergrund, welche Ziele und Probleme haben sie?

„Erzähl mir deine Geschichte“ forderte etwa Künstler Valentin Krayl in Mannheims Neckarstadt-West auf. Dem gleichen Zweck dienten vor Ort viele oft kleinteilige und niederschwellige, dabei aber auch höchst ambitionierte Projekte, etwa die Aktionsinstallation „Gerüchte-Küche“ des Künstlerduos Illig&Illig.

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„Community Art“ nennt sich diese Form von „Dialog- und Veränderungskunst“, die im englischsprachigen Sprachraum seit den späten 1960er Jahren den sozialen Zusammenhalt stärken will. In Mannheim gibt es seit zehn Jahren ein höchst aktives Zentrum für diese soziokulturelle Kunst, das sich folgerichtig Community Art Center nennt – und noch folgerichtiger – seit 2021 auch offiziell als soziokulturelles Zentrum anerkannt wurde. Es geht hier um Integrationsprozesse, um Teilhabe und friedliches Zusammenleben in einem schlecht beleumundeten „Problemstadtteil“, den manche alarmierend und medienwirksam zur „No-Go-Area“ machten.

Für sozialen Zusammenhalt

Regisseurin Annette Dorothea Weber ist hier an der Ecke Mittelstraße/Laurentiusstraße seit zehn Jahren engagiert dabei, den Stadtteil als soziales Konstrukt künstlerisch zu erforschen und zu gestalten. Mit Projekten in ihren Räumen, aber eben besonders auch auf Plätzen und Straßen, in Kirchen und in Schulen – und dabei stets in Kooperation mit Quartiermanagement, Einrichtungen, Stiftungen und Institutionen, die sich im Stadtteil engagieren.

Ob Campus oder RomnoKher, Open Society Foundations, Heinrich-Vetter-, Freudenberg- oder Spickschen-Stiftung – man ist stets im Dialog mit privaten, städtischen wie politischen Initiativen.

Mittlerweile wird Annette Dorothea Weber bei dieser Kunst- und Vernetzungsarbeit von Tobias Frindt tatkräftig unterstützt. „Begegnungen durch Kunst zu schaffen“ – und dabei auch politische Themen und soziale Vorbehalte ganz sicher nicht auszusparen, ist beider vorrangigstes Ziel. Beim Dekaden-Rückblick die über 100 Projekte aufzuzählen, ist schier unmöglich. Auffallend ist dabei aber die Vielfalt der künstlerischen Genres: Fotoausstellungen, Schauspiel, Konzertreihen. Oder auch von Web-Ausstellung („Labor: Arbeit 4.0“) über die Web-Serie „#Stress“bis hin zum experimentellen Musikangebot für Mädchen im Grundschulalter („Kabelsalat im Klanglabor“) – niederschwellig Generationen und Gruppen verbinden, lautet die selbstgestellte Aufgabe.

Picknick und Diskussion

Angefangen hat alles mit einem Projekt im Rahmen des vom Mannheimer Kulturamt ausgerichteten Freie-Szene-Festivals Schwindelfrei, das jetzt auch von 7. bis 10. Juli wieder stattfindet: „Elizabeth Tudor“ hieß damals die Produktion mit Schauspielerin Monika-Margret Steger in der Herz-Jesu-Kirche. Mehr kleinteilige, verbindende Projektarbeit im Stadtteil wollte man machen. Weber, die schon davor etwa mit dem Geflüchteten-Projekt „Medea“ oder den „Neckarstadt-West Side Stories“ im lokalen Kulturbetrieb positiv aufgefallen war, regte an, diese Kunstform vor Ort zu institutionalisieren. Da kam eine Ausschreibung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, aus dem sich ein zweijähriger Modellversuch ergab, gerade recht. Über ein aktives Jahrzehnt ist die Zahl der Kooperationspartner und Unterstützer kräftig gewachsen und wird von einem Trägerverein getragen.

Wie gefeiert wird? Zusammen mit der Neckarstadt natürlich, die dieses Jahr 150 Jahre alt wird. Los ging der Reigen Anfang Juni mit der Ausstellung „Tracing West – Eine fotografische Spurensuche“ (wir berichteten) mit Werken von Jennifer Petzold, Jonathan Funk und Arthur Bauer. Ab 17. Juli nimmt sich in einer weiteren Schau Fotojournalist Christian Weidner den Stadtteil als soziales Konstrukt in der politischen Diskussion vor. Am 24. Juli, 16 Uhr, folgt dann ein „Musikalisches Picknick mit dialogischem Konzert“ auf dem Neumarkt, dem Herzstück der Neckarstadt mitten im Stadtteil, wo die Gemeinschaftskunst nun mal hingehört.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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