Heidelberg. Sie will von Saya erzählen und von Hani, ihren beiden Freundinnen. Und von einem folgenschweren Brand. Aber eines muss Kahsi zunächst feststellen: „Ich bin nicht: die Ausgeburt der integrierten Gesellschaft.“ Auch nicht „das Mädchen, das ihr euch anschauen könnt, um mitleidig zu erklären, ihr hättet euch mit Migrantinnen beschäftigt“, fährt sie fort. „Ich bin nicht: das Mädchen aus dem Ghetto. Ich bin“, sie stockt und lacht kurz auf: „das Mädchen aus dem Ghetto.“
Uraufführung der "Drei Kammeradinnen" auf dem Heidelberger Stückemarkt
Kahsi, Saya und Hani sind die „Drei Kameradinnen“, wie die Schauspieluraufführung nach dem gleichnamigen - 2021 für den Deutschen Buchpreis nominierten - Roman von Shida Bazyar heißt, mit dem das Staatstheater Darmstadt beim Heidelberger Stückemarkt gastiert. Die von Regisseurin Isabelle Redferns inszenierte Bühnenfassung von Goda Barton ist für den Jugendstückepreis des Theaterfestivals nominiert.
So verschieden Kahsi (gespielt von Süheyla Ünlü), Saya (Mariann Yar) und Hani (Naffie Janha) auch sind, so sehr sind sie einander verbunden. „Drei Kameradinnen“ erzählt viel vom Alltagsrassismus, den Ausgrenzungen, Bevormundungen und Vorverurteilungen, mit denen die drei intelligenten, kraft- und lebensvollen (das wiederum ist ihnen gemein) jungen Frauen konfrontiert werden.
Düstere Handlung mit Witz erzählt
Die auftretenden Figuren, die mit der weißen Mehrheitsgesellschaft assoziiert werden können, sind dagegen praktisch ausnahmslos lächerliche, stumpfe oder ignorante Gestalten. Es ist eine sehr subjektiv - und von Kahsi als unzuverlässiger Erzählerin - geschildert Geschichte. Und das ist auch eine ihrer Stärken: Sie muss nicht durch Relativierungen lavieren, multilaterale Befindlichkeiten sondieren, sich rechtfertigen. Sie kann wütend sein.
Dass „Drei Kameradinnen“ dabei nicht bleischwer, sondern voll von Witz, Verve und wunderbaren Skurrilitäten - wie ein Jobcenter-Mikro-Musical - ist, zeichnet die Inszenierung und ihr glänzend aufspielendes Ensemble aus.
„Als Eleonore eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich in ihrem Bett zu einer ungeheuren Katze verwandelt“, ist der Satz, den einem beim nächsten Gastspiel unwillkürlich durch den Kopf schnurrt - der bei der Uraufführung von Caren Jeß’ „Die Katze Eleonore“ durch das Staatsschauspiel Dresden so aber freilich nicht fällt. Sowieso ist es mehr ein Prozess als ein aufschreckender Paukenschlag, der die 40-jährige Eleonore (Karina Plachetka) in der Inszenierung von Simon Werdelis von der Immobilien-makelnden Menschenfrau zur Katze werden lässt.
Geräumige Katzenhöhle
Einen riesenhaften Kratzbaum und eine ebenso geräumig beschaffene Katzenhöhle sehen wir in ihrer cremefarbenen, mit reichlich Flokati-Flauschigkeit auskleideten Wohnung (Bühne: Max Schwidlinski). Und bald hat Eleonore auch ihre Kleidung bis auf einen hautfarbenen, nun ja: Catsuit abgelegt.
Wohlgesetzt und elegant ist die Sprache und von feinfühliger, feliner Bewegungsfinesse das Spiel von Karina Plachetka, die uns eine Wandlung miterleben lässt, die sich erfreulicherweise ohne erschöpfende Erklärungen vollzieht, dabei jedoch nicht die Widrigkeiten der Abkehr von der Außenwelt und Neuordnung des Ichs verleugnet.
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