Interview

Nach in Mannheim gestarteten Popländ-Prozess: Land fördert Pop mit 1 Million Euro

Baden-Württembergs Kulturstaatssekretär Arne Braun erklärt die Ergebnisse des vor zwei Jahren in Mannheim angestoßenen Popländ-Prozesses und bedauert, dass sie für das Maifeld Derby wohl zu spät kommen

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Jörg-Peter Klotz
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Kulturstaatssekretär Arne Braun (vorn) bei der letzten von vier Popländ-Konferenzen in Stuttgart. Im Hintergrund: Hubert Wandjo (3.v.l.) und Udo Dahmen (3.v.r.). © MWK BW/Jan Potente

Mannheim/Stuttgart. Herr Braun, vor knapp zwei Jahren haben Sie in Mannheim den Popländ-Prozess angestoßen, um Erkenntnisse zu gewinnen, welche Probleme Kreative und Veranstaltende im Bereich Popularmusik in Baden-Württemberg auf den Nägeln brennen. Landesweit vorangetrieben wurde er u.a. von den früheren Popakademie-Chefs Udo Dahmen und Hubert Wandjo. Was ist das Ergebnis? Der Hauptbedarf ist vermutlich Geld …

Arne Braun: Im Grunde gibt es zwei wesentliche Ergebnisse. Zum einen ist unsere politische Botschaft: Wir haben es geschafft, in diesen Zeiten, in denen die Haushalte immens unter Druck stehen, ein Kulturthema neu zu gestalten. Es gab harte Haushaltsverhandlungen mit Sparvorgaben – wie überall, auch in den Kommunen, siehe Mannheim. Der zweite wesentliche Punkt: Der Prozess an sich. Wir haben ein Jahr lang intensive Gespräche geführt, vier große Konferenzen veranstaltet. Dieser Austausch mit der Szene, die gegenseitige Wertschätzung und der Informationensautausch darüber, was benötigt wird, hat uns gute Argumente in die Hand gegeben. Auch der Koalitionspartner war am Ende von Popländ überzeugt. So kam es zum Beschluss über eine Million Euro pro Jahr.

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Mit Verlaub: Das ist nicht wenig, aber gerade mal der ungefähre Etat eines einzigen kleineren Festivals.

Braun: Wie gesagt, es geht um das Signal. Und es ist ein Einstieg, den wir nutzen wollen, um inhaltliche Akzente zu setzen.  Es passt gut in unsere Kulturpolitik, denn es erweitert die klassische Förderung, wie wir sie jetzt zum Beispiel  in der Breitenkultur haben oder an anderer Stelle wie Literatur, Theater, Jazz und Soziokultur. So steigen wir jetzt bei Pop ein. Wir dürfen auch nicht verkennen, dass Grundlagen der Popmusik – etwa das Erlernen von Instrumenten auch einen bildungspolitischen Aspekt haben. Gerade im ländlichen Raum sehe ich die Chance mit der Aufwertung von Popmusik, dass wir auch Brücken bauen, etwa in die Blasmusikszene, und die Musikvereine als wichtige Akteure des Zusammenhalts stärken. Und das Entscheidende und die große Stärke ist ja: Wir haben es gemeinsam mit der Szene entwickelt, der Beraterkreis hat uns Empfehlungen übergeben, was die Grundlage für unser Paket ist.

Wie wird das Geld denn verteilt? 1000 Mal 1000 Euro wären ja eher 1000 Tropfen auf den heißen Stein…

Braun: Wir haben den Beschluss erst kurz vor Weihnachten gefasst. Wir entwickeln die Programmlinien. Wichtig ist: Wir wollen ein Förderprogramm aufsetzen, Perspektive Pop 2.0., das zwei klassische Bereiche im Pop anspricht: Zum einen soll es klassische Förderung von Künstlern und Künstlerinnen im Bereich Musikproduktion ermöglichen.

Das bedeutet Geld für Aufnahmen und Alben, ähnlich wie beim Bundesprogramm Neustart Kultur in der Pandemie, für das die Kreativen sich bewerben müssen?

Braun: Wir orientieren uns am Corona-Programm „Perspektive Pop“, da wir positives Feedback aus der Szene bekommen haben Die zweite Förderlinie im Programm wird auf die Live-Musik-Veranstaltende abzielen: junge Kollektive ebenso wie Clubs und Festivals.

Arne Braun (rechts) und Udo Dahmen (Mitte) an der Mannheimer Popakademie im Gespräch mit Kreativen. © MWK BW / Uli Regenscheit

Das kommt zu spät für das Mannheimer Maifeld Derby

Braun: Das werden wir in der Zukunft sehen: Ich war auch mit Maifeld-Derby-Veranstalter Timo Kumpf im intensiven Gespräch und kenne das Festival als Besucher. Aber natürlich gilt auch da: Wir müssen Förderkriterien definieren und die öffentliche Hand kann nicht alles leisten: Festivals müssen auch nach Wirtschaftlichkeit arbeiten. Das Maifeld Derby bringt viel mit beim Thema Qualität, Nachhaltigkeit, Diversität, Nachwuchsförderung und so weiter. Wir gestalten das jetzt aus: Das betrifft auch Fragen wie Förderdauer. Wie schaffen wir da die Balance zwischen Anschubfinanzierung und längerfristiger Förderung?  Dazu kommt, dass wir die Popbüros über das RegioNet-Programm der Popakademie besser ausstatten wollen. Wir wollen perspektivisch die weißen Flecken auf der Landkarte der Popförderinfrastruktur füllen – im gesamten Popländ.  Ich habe auch das Festival About Pop in Stuttgart im Blick. Ziel ist: Eine Art Reeperbahnfestival des Südens, auf dem es spannende Musik zu entdecken gibt, vor allem aber auch die Szene zusammenkommt und über aktuelle Entwicklungen diskutiert. Sprich: ein Think Tank der Branche sozusagen.

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Das klingt sehr, sehr ambitioniert, mit einer Million Euro …

Braun: Wir werden es sinnvoll aufteilen, aber das Wie ist noch nicht in Stein gemeißelt.  Eine Million Euro – das ist schnell verteilt. Aber es ist wie gesagt immerhin ein Einstieg, auf dem man aufbauen kann.

Sie waren ja sehr begeistert vom Maifeld Derby, das vom Popakademie-Absolventen Timo Kumpf mit viel Selbstausbeutung zu einem der renommiertesten Festivals in Europa gemacht hat. Dass man dieses Vorzeige-Event der hiesigen Kulturpolitik nicht am Leben halten kann, muss Sie als Kulturpolitiker doch schmerzen, oder?

Braun: Ich finde, es ist tatsächlich eines der ambitioniertesten Indie- oder unabhängigen Musikfestival Deutschlands. Es hat ja auch international einen exzellenten Ruf, da es ja auch ein Schaufenster ist, in dem Dinge ermöglicht werden, die an anderer Stelle nicht mehr zu sehen waren. Britische Bands wie Slowdive oder in diesem Jahr Franz Ferdinand, die hier nur noch selten zu sehen sind, u.a. aus Brexit-Gründen: Zu teuer, zu schwierig und so weiter, diese Art von Bands  möchte kaum jemand veranstalten. Dieser Mix ist beim Maifeld Derby stimmig – lokal verankert, nachhaltig und wirksam auch als Nachwuchsbühne – das ist schon ziemlich großartig. Es hat mir wirklich gut gefallen, weil es zudem ja auch ein neugieriges Publikum dafür gibt.

Wobei Festivals ja generell kriseln….

Braun: Die Kostenexplosionen durch Inflation, Gagen, Personal, Mieten und das zunehmend zögerliche Publikum hat ja das Konzept Festival grundsätzlich in die Krise gefahren. Da müssen die Veranstalter aber auch ein Stück weit eigenverantwortlich schauen, wo kann man neue Partner gewinnen, wie müssen Konzepte angepasst werden? Da ist das Maifeld Derby nicht allein, wir haben es auch beim Hip-Hop Open in Stuttgart gesehen. Unabhängige Festivals brauchen eine andere Art von Unterstützung. Aber auch selbst die ganz großen – wie etwa das Southside oder Rock am Ring – haben Probleme. Sogar Rock am Ring. Das Publikum kommt nicht mehr ganz so selbstverständlich in großen Massen. Dann gibt es noch Konkurrenz Richtung Wohlfühl-Festival, wie Lukas Podolskis Glücksgefühle auf dem Hockenheimring.

Was hätte denn das Maifeld Derby aus dem neuen Fördertopf zu erwarten gehabt – 2000 Euro? Das hätte nicht viel genützt.

Braun: Nein, es muss ja Sinn machen. Über die Vergabe soll ähnlich wie bei vergleichbareren Förderprogrammen wie Perspektive Pop oder bei Stiftungen entschieden werden: Man muss Projektanträge stellen, eine Jury prüft diese und entscheidet anhand Transparenter Kriterien.

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Peter W. Ragge
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Nun ist es nicht allen Veranstaltenden und Kreativen gegeben, Förderprogramme ausfindig zu machen und Anträge korrekt zu formulieren. Die Leute sind ja oft fokussiert auf Musik. Müsste man da nicht zuerst logistische Hilfestellungen schaffen?

Braun: Wir müssen zwei Themen auseinanderhalten: Einerseits Partnerschaften zum Beispiel  mit den Kommunen, wenn es um Logistik oder Genehmigungen geht. Das haben die meisten Veranstaltenden drauf. Auch die Fragen nach dem Sponsoring muss geklärt werden. Andererseits geht es um die Antragsverfahren: So haben wir in der Corona-Zeit erlebt, das bestimmte Antragsteller eine gewisse Meisterschaft darin entwickelt hatten, Anträge einzureichen. Experten, die das gut konnten, haben Erfolg gehabt. Auch deshalb wollen wir die regionalen Popbüros stärken, die auch in diesen Fragen beraten können.  Abgesehen davon wird es auch eine Antragsberatung des Ministeriums geben. Dazu hat das Zentrum für das Zentrum für kulturelle Teilhabe auch die Aufgabe, Kultureinrichtungen stark zu machen. Aber grundsätzlich ist eine Frage der Haltung, auch bei den Kommunen: Es muss der Grundsatz gelten: Wir wollen ermöglichen, nicht verhindern. Das ist wichtig. Da geht es auch um die Genehmigungen, da geht es ganz banal auch um die Zahl der Dixie-Klos oder was auch immer.  

Die eine Million klingt natürlich noch mal anders, im Vergleich zu den dreistelligen Millionenbeträgen, die beispielsweise für die Sanierung des Mannheimer Nationaltheaters anfallen. Wie erklärt man als Politikern Normalsterblichen, die auch Architekten und Handwerker im kleineren Maßstab engagieren, dass in Deutschland Kosten für Großprojekte regelmäßig völlig aus dem Ruder laufen?

Braun: In Mannheim kam ja vieles zusammen, der Bauherr hat mit immensen Kostentreibern zu kämpfen, wie bei allen Großvorhaben, auf die er nicht immer Einfluss hat, so wurde hier zu allem Überfluss auch noch eine Weltkriegsbombe gefunden. Und beim Nationaltheater, das ein kommunales Theater ist, beteiligen sich auch Bund und Land an der Sanierung. Das Land zahlt immerhin 40 Millionen Euro. Die Mannheimer Probleme am Bau können wir nicht beurteilen.

Könnten Sie aufgrund der Mehrkosten nachlegen?

Braun: Nein. Das war sowieso eine freiwillige Leistung. Wir sind unserer Verantwortung nachgekommen.

Popländ

  • Die Landesregierung Baden-Württembergs will die Populäre Kultur in den Jahren 2025 und 2026 mit einer Million Euro stärken. Wie und wofür die Mittel verwendet werden, konnte die Szene im Dialogprozess Popkultur mitbestimmt. Der Diskussionsprozess Popländ startete im Mai 2023 an der Mannheimer Popakademie.
  • Der Popdialog unter dem Stichwort POPLÄND wurde von Mai 2023 bis Mai 2024 vom Kunstministerium durchgeführt. In vier Konferenzen in Mannheim, Freiburg, Reutlingen und Stuttgart diskutierten mehr 400 Akteurinnen und Akteure Potentiale, Herausforderungen und Bedarfe von Popmusik und Clubkultur.
  • Begleitet wurde der Strategieprozess von einem zwölfköpfigen Beratungskreis um die ehemaligen Leiter der Popakademie Baden-Württemberg, Udo Dahmen und Hubert Wandjo.
  • Die Stärkung der Popkultur und die Durchführung des Strategieprozesses zur Populären Kultur stehen im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU.
  • Filme, Games und Popmusik bilden die Schwerpunkte der Popkulturförderung in Baden-Württemberg. Darüber hinaus umfasst die Popkultur noch viele weitere Kunstformen, etwa Poetry Slam, Graffiti, Comics, Breakdance oder Videokunst. Popmusik meint dabei alle Genres und Subgenres wie HipHop, Techno, Rock`n`Roll, Blues, Pop, Jazz, Heavy Metal, Kraut, Punk, New Wave, Indie und Grunge.
  • Eine Publikation zu Popländ kann man hier als pdf downloaden.

 

Wie verhindert man solche Kostenexplosionen?

Braun: Komplett verhindern wird man besondere Umstände wie Inflation oder Kriege nie können. Wir haben aber gelernt: Vorausschauende Planung ist die Grundlage das macht das Land bei eigenen Projekten auch: Wir müssen die Kostensteuerung stärker in den Blick nehmen. Risikopuffer mitdenken, die Projektsteuerung verbessern und mit Transparenz immer wieder für Akzeptanz werben. In Stuttgart wurde genau dafür die Projektgesellschaft Württembergische Staatstheater gegründet. Hier werden auf sachlicher und fachlicher Ebene die Baumaßnahmen geplant und umgesetzt. Das haben wir aus anderen Baumaßnahmen gelernt. Das ist eine gute Sache.

Nach Plan läuft es in Stuttgart aber auch nicht, oder?

Braun: Stuttgart ist nochmal komplexer, weil wir ja drei Teilprojekte haben: Die Sanierung des Standorts selbst, die Planung und den Bau der Interimsspielstätte und die Werkstätten in der Zuckerfabrik. Es gibt jetzt aktualisierte Zeitplanungen für den Interimsstandort, weil die Projektgesellschaft, die es seit 2024 gibt, hier im Monitoring den Planungsstand überprüft hat. Die Verzögerung bedeutet aber jetzt erstmal keine belastbaren Mehrkosten, im Moment gibt es nur Schätzungen. Es ist klar, dass wir bei einem solchen Mammutprojekt die Umsetzung engmaschig begleiten, dabei müssen alle Partner verantwortlich mit Steuergeldern umgehen und die Stadtgesellschaft mitnehmen. Was aber überall klar sein muss: Wir brauchen das Theater, um unsere Demokratie und Gesellschaft stark zu machen. Dafür brauchen wir Kultur, eine freie Kultur und eine starke Kultur. Dafür brauchen wir auch die Heimat für Kultur – wie unsere Theater.

In Mannheim diskutitierte unter anderem Songwriterin Listentojules bei Popländ mit. © MWK BW / Uli Regenscheit

Die Umfragezahlen für populistische Parteien, die auch Kultur ganz anders bewerten, setzen da einige Fragezeichen, oder?

Braun:  Es verschiebt sich schon jetzt etwas fundamental. Das sieht man nicht nur in Italien, Ungarn oder der Slowakei, sondern auch in Deutschland. In Sachsen-Anhalt, wo in Dessau das Bauhaus in Frage gestellt wird. Oder in Aalen, wo die AfD gefordert hat, das Stadttheater einfach dicht zu machen, weil es Geld kostet. Da herrscht große Unsicherheit. Und man merkt: Da kommt was auf uns zu. In Italien machen sie es übers Personal. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sucht sich ein paar Sachen raus, wie den Film oder Museen und besetzt diese Posten mit Personal. In der Slowakei wurde der Theaterleiter ohne Vorwarnung gekündigt – der stand dabei in seiner Wohnungstür im Schlafanzug, als ihm die Kündigung überreicht wurde. Die Nationalgalerie in Bratislava wird jetzt von einem Geschäftsmann geführt, der zugibt, nichts von Kultur zu verstehen. So macht man das in den Ländern.

Wie konkret?

Braun: Was wir da erleben: Es wird unverhohlen in die Programmautonomie der Kulturinstitutionen eingegriffen. Die Drohung: Finanzierung gibt es nur noch für politisch gewogenes Programm. Hier wird offen und rigoros die Kunstfreiheit als zentrales Verfassungsrecht angegriffen. Da müssen wir ran und fragen: Was bedeutet denn dieser Begriff von Kultur, den die Rechten haben? Bedeutet es Lederhosen, bedeutet es Weißwurst und Jägerzaun? Bedeutet es der Freischütz, der ja auch toll ist – aber es ist entlarvend, wenn die AfD sagt, Kunst muss gefallen oder sich aus einer völkisch definierten „ursprünglichen“ Vergangenheit speisen. Das ist das Narrativ der Rechtspopulisten. Kunst kann gefallen, muss aber nicht gefallen. Das ist nämlich der Unterschied.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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