Kulturpolitik - Mannheim

Mannheims neuer Musikpark soll in Dorf aus Fertighaus-Modulen ziehen

Mannheims Musikszene empfand es als Schlag in Gesicht als bekannt wurde, dass der Musikpark künftig als Gründerzentrum für Green Tech dienen soll.  Jetzt gibt es einen Plan für eine Art Campus in der Hafenstraße

Von 
Jörg-Peter Klotz
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So könnte der Musikpark künftig aussehen: Solche Fertighaus-Module sollen nicht nur als Büros funktional sein, sondern auch für Proberäume oder Studios. © Adrian Fuchs

Mannheim. Der Aufschrei war enorm, als Mannheims Wirtschafts- und Kulturbürgermeister Michael Grötsch Mitte Oktober das Ende des bisherigen Musikparks bekannt gab. Aus dem extrem sanierungsbedürftigen Gebäude in der Hafenstraße 49 soll - inzwischen ist es auch vom Gemeinderat beschlossen - ein Green-Tech-Zentrum werden.

„Die Szene war total schockiert“, berichtet Musikerin Julia Nagele alias Listentojules in ihrer Funktion als Sprecherin des RATs für Kunst und Kultur. Da war schnell vom Ende des Mannheimer Modells aus Popakademie und nahe gelegenem Existenzgründerzentrum für Kreativwirtschaft die Rede. Und wie so oft von einer Bankrotterklärung für die von der Unesco offiziell geadelte Rhein-Neckar-Metropole als Musikstadt.

Zusätzliche politische Empörung entstand dadurch, dass der CDU-Politiker Grötsch vorab keinen Abstimmungsbedarf gesehen und so einige Gemeinderatsfraktionen auf die Barrikaden gebracht hatte. Der verbale Pulverdampf war aber schnell verzogen. Spätestens nach mehreren Präsentationen der Idee für eine mögliche Nachfolgelösung, die den Musikpark ersetzen soll und die unserer Redaktion zugetragen wurde. Christian Sommer, als Geschäftsführer von Next Mannheim seitens der Stadt hauptverantwortlich für das Projekt, bestätigt sie auf Nachfrage.

Speziell für Proberäume ausgelegte Fertighaus-Module

Den Vorstellungen des Teams um den obersten Koordinator der Mannheimer Kreativwirtschaftszentren zufolge sollen im Umfeld der Hafenstraße 49 ab Ende 2023 Lösungen in Form einer Art Musikpark-Campus entstehen. „Wir planen ein Village mit Produktions-Suiten in Fertighausmodulen aus Holz, ein kleines Musikdorf. Die Module sind speziell darauf ausgelegt, dass man darin laut Musik machen kann.“

Der Leiter des Mannheimer Musikparks: Christian Sommer. © Musikpark

Die einzelnen Zellen verfügten über extreme Schallabsenkung, anders als die Räume im Musikpark. Sie seien energetisch vernünftig ausgelegt, nachhaltig, mit Photovoltaik auf dem Dach, viel Grün und einem kleinen Zentrum zwischen den Gebäuden als Treffpunkt geplant. „Die Lösung ist enorm flexibel.“ Das heißt: Das Modular-Konstrukt kann nach Bedarf vergrößert, verkleinert oder auch verlegt werden. Als Standorte sind angedacht: zunächst das stadteigene Grundstück am Musikpark 2, fast direkt gegenüber in der Hafenstraße. Und das frühere Gelände der Firma Testra zwischen Musikpark-Parkplatz und Jungbuschbrücke.

Noch viele Fragezeichen in der Konzeptionsphase

Der Plan sei eigentlich noch nicht spruchreif, betont Sommer, und mit zahlreichen Fragezeichen versehen: Kosten, Finanzierung, Standort(e), Mehrheiten. Aber er ist optimistisch. Denn: „Das könnte wieder etwas in der Musikstadt Mannheim sein, das keine andere Stadt hat.“ Und für die Bestandsparteien im Musikpark, die für die neue Lösung in Frage kommen (und umgekehrt) könne eventuell ein fließender Übergang am Musikpark 2 organisiert werden.

„Die Module sind schnell aufgestellt. Da geht es nur um die Lieferzeit - drei, vier Monate, schätze ich. In der Zwischenzeit können wir das Testra-Gelände prüfen und entwickeln.“ Für die weiteren Mieter fänden sich Lösungen in anderen Gründerzentren, oder sie sind schon so lange Mieterin oder Mieter des Musikparks, dass sie auch auf dem freien Markt etwas finden müssten.“

"Es wird teurer werden"

Jetzt stehe auf der Agenda erstmal Kalkulieren, auch, was man an Miete verlangen könne. „Klar ist: Es wird teurer werden. Ganz ohne städtischen Zuschuss wird es wohl nicht möglich sein.“ Diese laufenden Kosten setzen zurzeit das noch größte Fragezeichen. Sommer möchte der Ausschreibung nicht vorgreifen, bestätigt aber, dass die hessische Firma MEOM Proberaum Concepte als Anbieter in Frage komme.

Christian Sommer und der Musikpark

  • Christian Sommer wurde am 3. Juni 1966 in Mannheim geboren. Er arbeitete als Musikmanager für die Band Masterboy und bei Intercord.
  • 2003 übernahm er die Leitung des Musikparks Mannheim, des ersten deutschen Existenzgründerzentrums für die Musikbranche. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der Gründungszentren Next Mannheim, zu denen unter anderem C-Hub, Mafinex, GiG 7, Altes Volksbad und Textilerei zählen.
  • Einer der Anbieter von schallisolierten Fertighaus-Modulen ist die Firma MEOM Proberaum Concepte in Groß-Umstadt. Ein Standard-Modul bietet 18 Quadratmeter Nutzfläche und kann beliebig kombiniert werden, um auch größere Ensembles zu bedienen. Geschäftsführer Oliver Schulte beziffert den Quadratmeterpreis auf 2000 bis 3000 Euro je nach Ausstattung. jpk

Deren Geschäftsführer Oliver Schulte ist bei der Anfrage dieser Redaktion sofort im Bilde. Kein Wunder: Als früherer Mitarbeiter der auf Bühnenkopfhörer spezialisierten Firma InEar, hat er selbst eine Zeit lang im Musikpark gearbeitet. Seine Firma sei noch jung, ein ähnlich großes Projekt wie es in Mannheim zustande kommen könnte, sei noch nicht realisiert worden. Die modularen Proberäume wären zwar ein neu Produkt, „aber da ist Know-how von Musikerseite eingeflossen. Außerdem hat unsere Zimmerei viel Erfahrung im Bau von großen modularen Gebäudekomplexen wie Kasernen, Schulen, Kindergärten oder Flüchtlingsunterkünften.“

Spezialfirma auch in Freiburg gefragt

Schulte verweist auch auf ähnliche Pläne in Freiburg. Die Funktionalität der Modular-Proberäume könne Sebastian Berg, Drummer der Metal-Band Kissin’ Dynamite, bestätigen. „Da hatten wir in Dillingen gerade Richtfest.“ Dank angemessener Preise seien die Lieferketten so stabil, dass die zurzeit üblichen Lieferschwierigkeiten nicht zum Tragen kämen. Drei bis spätestens sechs Monate nach Bestellung könnten die stabilen modularen Proberäume „mit bestem Raumklang und Wohlfühlatmosphäre“ montiert werden.

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Das klingt wie eine Lösung nicht nur als neuer Musikpark, sondern auch für den akuten Mangel an Proberäumen, der Mannheim wie fast jede Großstadt plagt - wobei die Schmerzen für eine Unesco City of Music etwas größer sein sollten. Zumal sich die Lage nach dem Aus für den Großteil der Proberäume im Power Tower enorm verschärft. Hier kann Sommer mit dem Modul-Dorf keine Wunderheilung versprechen: „Das kann nur ein Anfang sein, und das auch nur für Profis. Aber da suchen wir mit Hochdruck nach Lösungen“, so der Next-Mannheim-Chef.

Musikszene pocht auf Mitsprache

Wer sich in der Musikszene Mannheims umhört, trifft auf enorm viel Skepsis und Enttäuschung - auf der Basis einer hohen Erwartungshaltung an die selbst ernannte und von der Unesco als solche titulierte Musikstadt. Man hört von Studierenden der Popakademie, die sich nach den Schlagzeilen um die Umwidmung des Musikparks regelrecht getäuscht fühlen. „Es kann ja nicht im Sinn der Stadt sein, dass fast alle nach dem Studium an der Popakademie oder der Musikhochschule direkt nach Berlin ziehen“, betont Julia Nagele.

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Nach einer ersten Präsentation der Modul-Pläne von Musikpark-Chef Steffen Baumann sagt sie aber auch: „Das könnte ein guter Baustein auf dem Weg dahin sein, sich dem Bedarf der lokalen Musikerinnen und Musiker anzunehmen. Ob das Konzept funktioniert, sollten Sachverständige entscheiden.“ Sehr positiv findet sie den Ansatz, zum Beispiel den Bedarf nach dringend benötigten Proberäumen durch eine Umfrage zu ermitteln. Auch der soziokulturell gut vernetzte Rainer Döhring vom Jugendkulturzentrum Forum empfiehlt „den Akteuren dringend: Nehmt die regionale Szene frühzeitig mit.“

Waum ging es im alten Musikpark nicht weiter?

Dass „sein“ Musikpark als Green-Tech-Gründerzentrum zweckentfremdet wird, sieht Next-Mannheim-Geschäftsführer Christian Sommer unsentimental: „Da wird für mich aus der Not eine Tugend gemacht.“ Das Gebäude sei von 2002 bis 2004 für 950 Euro pro Quadratmeter gebaut worden. „Damals mussten wir die günstigsten Materialien verwenden, die es gab.“ Damit sei klar gewesen, dass diese Gewerke nicht bis in alle Ewigkeit halten. Hauptproblem sei immer die Fassade gewesen, um deren Konstruktions- und Montagefehler es juristische Auseinandersetzungen gegeben habe. Die Folge: „Es war immer zu heiß. Der Fehler ist nicht behebbar. Die Fassade muss ausgetauscht werden“, so Sommer.

Synergy mit "grüner" Kreativwirtschaft denkbar

Es mache also sehr viel Sinn, das von der Stadt gewünschte Green-Tech-Zentrum in das sanierte Bestandsgebäude zu platzieren. „Statt noch mal neuen Beton zu verbauen“. Dort sollen künftig unter anderem Startups und wissenschaftliche Einrichtungen an oder mit innovativen Umwelt- und Energietechnologien arbeiten - Synergieeffekte in Richtung grüner Kreativwirtschaft wären ein positiver Nebeneffekt.

So könne das Problem mit der Fassade gelöst und ein Konzept für den neuen Musikpark erarbeitet werden. Für Letzteres hätte sich Sommer mehr Zeit gewünscht und eine gleichzeitige Präsentation mit den Green-Tech-Plänen. „Aber es musste unfassbar schnell gehen, damit Fördermittel fristgerecht beantragt werden können.“ Dass man gar keinen Musikpark mehr benötige, weil auch im Bereich kleiner Start-Ups die Vorteile von Home-Office, mobilem Arbeiten und/oder Co-Working-Spaces verstärkt genutzt werden, sieht Sommer „überhaupt nicht. Der Bedarf hat sich halt verändert: Wir brauchen keine 4500 Quadratmeter mehr.“

Musiker und Anwalt David Banks, mit der Vibra School of DJing seit 2009 Mieter im Musikpark, verfolgt die Entwicklung unaufgeregt: „Wir wissen zu schätzen, dass uns nicht einfach gekündigt wird, wonach es anfangs aussah.“ Es sei jetzt genug Zeit, nach einer Alternative zu suchen oder zu schauen, ob sich der neue Musikpark anbiete.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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