Mannheim. Ausgeschrieben waren zwei der attraktivsten Stellen der deutschen Musikszene eigentlich für den 1. April 2022. Wie es mit der Doppelspitze der Popakademie Baden-Württemberg weitergeht, ist aber erst seit der jüngsten Aufsichtsratssitzung klar: Nach Informationen dieser Redaktion liegt Michael Herberger seitdem das Angebot vor, ab dem kommenden Wintersemester Hubert Wandjo als Business-Direktor, Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Musik- und Kreativwirtschaft abzulösen. Der Ur-Großneffe der Trainerlegende Seppl Herberger sei dazu bereit, heißt es aus seinem Umfeld. Es gehe nur noch um Kleinigkeiten.
Der zweite Gründungsgeschäftsführer Udo Dahmen soll vorerst weitermachen und wird wohl bis ins Jubiläumsjahr der 2003 eröffneten Popakademie auf seinem Posten als Künstlerischer Direktor des Fachbereichs Populäre Musik bleiben. Da die Regelung noch nicht offiziell ist, wollten beide sie auf Anfrage nicht kommentieren.
Gleitender Übergang
Ein geeigneter Nachfolger oder eine geeignete Nachfolgerin für den 71-jährigen Dahmen konnte nicht gefunden werden: In den Bewerbungen fehlte entweder Erfahrung in puncto Geschäftsführung, in einer Lehrtätigkeit oder in der Popularmusikforschung. Der heißeste Kandidat sei „zu wenig Rock ’n’ Roll gewesen“, heißt es aus Kreisen der Findungskommission und des Aufsichtsrats. Letzterer besteht unter dem Vorsitz von Staatssekretärin Petra Olschowski vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und Mannheims Kulturbürgermeister Michael Grötsch als Stellvertreter aus Mitgliedern des Gemeinderats, Vertretern des Südwestrundfunks, der Landesanstalt für Kommunikation, des Landtags und des Finanzministeriums.
Dahmens Stelle soll neu ausgeschrieben werden. Er sei bereit, seinen Posten bis auf Weiteres auszuüben, ist zu hören. Wandjo wird die Einarbeitung seines Nachfolgers voraussichtlich im Herbst ebenfalls noch einige Wochen begleiten. Dass Herberger und Dahmen für einige Zeit eine Doppelspitze bilden, wird allgemein begrüßt, weil so ein gleitender Übergang in die neue Ära gewährleistet sei.
Die Kriterien für den Künstlerischen Direktor
- Laut Stellenausschreibung vom November 2021 gehört zur Position: Gesamtverantwortung für Lehre und Projektarbeit im Fachbereich Populäre Musik, Vernetzung des Fachbereichs mit Kreativen, Verbänden, Branchen oder Institutionen sowie (gemeinschaftlich mit dem Business-Direktor) die wirtschaftliche Unternehmensführung inklusive Ergebnis- und Personalverantwortung. Dazu kommt die eigene Lehrverpflichtung.
- Vorausgesetzt werden unter anderem herausragende berufliche Erfolge als Künstlerin/Künstler und Organisatorin/Organisator im popmusikalischen Umfeld mit Erfahrung in leitender Position.
Der voraussichtliche Wandjo-Nachfolger hat sich ursprünglich für Udo Dahmens Stelle beworben. Dazu wurden schon in der Findungskommission Bedenken laut, weil Herbergers größte Erfolge lange zurücklägen und zum größten Teil mit Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims zusammenhingen. Tatsächlich war der Studiobetreiber, Komponist, Produzent, Bandleader und Keyboarder der Söhne Mannheims seit Mitte der 1990er lange nicht nur der wichtigste Kreativ- und Geschäftspartner des heute politisch umstrittenen Popstars, sondern galt auch als sein bester Freund. Dass er 2017 nach dem Skandal um das Söhne-Lied „Marionetten“ begonnen hat, alle Beziehungen zu Naidoo abzubrechen, und mitten auf einer Festival-Tour aus der Band ausstieg, machte er erst nach dessen Entschuldigungsvideo auf Nachfrage dieser Redaktion öffentlich.
Bedenken wegen Xavier Naidoo
Da Herberger sich in Hintergrundgesprächen schon lange klar und überzeugend von Naidoos staatsfeindlichen und verschwörungstheoretischen Positionen distanziert hat, sieht der Aufsichtsrat darin keinen Hinderungsgrund. Als Pluspunkte werden seine praktische Erfahrung und Herbergers Netzwerk genannt, das etwa über die Produktion von „Sing meinen Song“ bundesweit enorme Reichweite hat.
Problematisch findet unter anderem der als Naidoo-Kritiker profilierte Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier die Personalie: „Die Popakademie ist ein Goldstück. Sollte sich die Personalie Michael Herberger bestätigen, so bleibt zu hoffen, dass von der leider langen Zeit der nicht klaren Distanzierung zu den rechten Schwurbeleien von Xavier Naidoo nichts hängen bleibt.“
Beide Direktorenposten waren Anfang November 2021 ausgeschrieben worden. Ende März hatte Petra Olschowski, die auch der Findungskommission aus Aufsichtsrat, Musik-Expertinnen und -Experten vorsitzt, noch mit einer Entscheidung im Mai gerechnet. Aufgrund der Pandemie hätten die Bewerbungsgespräche lange nur digital geführt werden können. „Weil wir auf dieser Basis nicht entscheiden wollen, hat sich alles ein wenig verzögert.“ Man hätte sich mehr Bewerbungen vorstellen können, räumte sie seinerzeit ein. „Aber es ist nicht so, dass es zu wenig qualifizierte Leute in der Endrunde gäbe.“ In dem Bereich sei die Auswahl an Topleuten, zumindest auf dem deutschen Markt, auch nicht sehr groß. Dafür sind es die Fußspuren der Vorgänger.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-mannheimer-michael-herberger-soll-popakademie-chef-werden-_arid,1982723.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/dossiers_dossier,-_dossierid,80.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Michael Herberger und sein Ballast Xavier Naidoo