Mannheim. Absagen auf Bewerbungen liest niemand gern. Aber im Fall der Leitungsposition im Mannheimer Kulturamt ist der Tenor der Absagen auch über den Kreis der enttäuschten Aspirantinnen und Aspiranten hinaus unerfreulich: Das Verfahren sei zum Abschluss gekommen, ohne dass ein geeigneter Bewerber gefunden wurde, heißt es sinngemäß im Absageschreiben der Stadt, das in der vergangenen Woche versandt wurde.
Erst Ende Juli, muss man sagen. Denn dass die Nachfolgesuche für Sabine Schirra, die Ende August nach 30 Jahren als Kulturamtsleiterin mit 67 Jahren in Ruhestand geht, gescheitert ist, steht seit 11. Juli fest. Die Stelle muss neu ausgeschrieben werden. Das bestätigte die Stadt am Dienstag auf Nachfrage: „Die Bewerberlage konnte die unterschiedlichen Erwartungen an die Anforderungen der Stelle nicht vollumfänglich erfüllen, so dass das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen und ohne Stellenbesetzung beendet wurde.“ Eine neue Ausschreibung werde aktuell vorbereitet.
Nach Informationen dieser Redaktion hat die Personalfindungskommission aus Kulturpolitikern der Gemeinderatsfraktionen, Kulturbürgermeister Michael Grötsch und Vertretern der Verwaltung zwei Kandidaten ins Finale gebeten. Der eine arbeitet seit Jahren auf verwandtem Terrain bei der Stadt, der andere in Bayern. Als sich eine knappe Mehrheit für den externen Bewerber andeutete, habe Oberbürgermeister Peter Kurz, ein Veto in den Raum gestellt. Ihm und anderen Mitgliedern der Findungskommission sollen dessen Vorstellungen nicht urban genug gewesen sein, heißt es.
Trotzdem arbeitsfähig
Bis die Schirra-Position besetzt ist, kann es naturgemäß dauern. Jetzt ist Urlaubszeit, auch Kulturbürgermeister Grötsch ist nicht im Dienst. Wichtiger noch: Seit Beginn der Pandemie ist die Bereitschaft, sich beruflich zu verändern, zurückgegangen. Zahl und Qualität der Bewerbungen auch auf attraktive Führungsjobs bleiben daher übersichtlich - das soll auch bei der Kulturamtsleitung der Fall gewesen sein. Dazu kommen bei Bewerbungen aus einer Festanstellung heraus womöglich Kündigungsfristen. Es kann also gut sein, dass das Mannheimer Kulturamt bis ins Frühjahr 2023 offiziell führungslos bleibt. Vakant ist aber nicht nur die Schirra-Position: Stellvertreter Wolfgang Biller ist schon seit 31. Juli im Ruhestand und wurde bereits verabschiedet.

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Arbeitsfähig sei das Kulturamt trotzdem, betont die Stadt: „Das Kulturdezernat hat zusammen mit dem Kulturamt eine Vertretungsregelung erarbeitet, die aktuell bereits umgesetzt wird. Die Erreichbarkeit der einzelnen Bereiche ist gewährleistet, könnte aber aktuell urlaubsbedingt beeinträchtigt sein.“ Ansprechpartnerin sei derzeit Stefanie Rihm, die den Bereich Literatur, Interkultur und Stadtteilkultur managt.
„Ein riesiges Problem“
Sollte der Zustand andauern, sei das „vor allem für die freie Szene, die auf Förderung einzelner Projekte durch das Kulturamt angewiesen ist, ein riesiges Problem“, sagt Saxophonist Olaf Schönborn. Der Musiker führt als Beispiel die Planung des renommierten Landesjazzpreises 2023 an, die zurzeit schon läuft. „Ohne verlässliche Zusagen wird das schwierig.“ Die Zusagen habe es informell schon gegeben, ohne die bislang verantwortlichen Akteurinnen und Akteure bestehe nun aber Unsicherheit. Zumal der für Musik zuständige Kulturamts-Mitarbeiter das Amt ebenfalls verlässt. Sascha Koal vom Theater Felina-Areal fände eine Vakanz an der Kulturamtsspitze dagegen „zwar für bedauerlich, aber für unser Theater nicht so dramatisch. In unserem Tagesgeschäft wirkt sich das nicht aus. Eine längere Nichtbesetzung wäre natürlich schlimm, weil das Kulturamt die freie Szene dann in anstehenden Haushaltsberatungen womöglich weniger nachdrücklich unterstützen kann.“
Der Kulturetat der Stadt Mannheim betrug 2020 insgesamt rund 55,1 Millionen Euro, knapp 30,4 davon entfielen auf das Nationaltheater. Das Kulturamt hatte 2018 für die Kulturförderung rund 10,9 Millionen Euro zur Verfügung. Knapp 90 Prozent davon entfallen auf institutionelle, jährlich wiederkehrende Posten etwa für die Alte Feuerwache, Popakademie, Technoseum, Planetarium oder Kulturhaus Käfertal.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Warum ein Mannheimer Kulturamt ohne Führung ein absolut falsches Signal ist