Festival - Bis 30. April feiern das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart die regionalen freien Darstellenden Künste beim Branchentreffen „6 tage frei“

Land feiert seine freie Theaterszene mit „6 tage frei“

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Installation, Performance, Konzert: „hands on aids“ von Frisch & Schick (Jasmin Schädler, Johannes Frick) beim Landesfestival 6 tage frei in Stuttgart. © Joe Pohl

Vom Berliner Theatertreffen sprach man früher gerne als der Leistungsschau deutschsprachigen Theaters. Beim Festival rund um den 1988 erstmals verliehenen Stuttgarter Theaterpreis, weiland ins Leben gerufen von Stuttgarter Zeitung und dem Theaterhaus, die Formulierung in „Landesleistungsschau“ zu übersetzen, lag also nahe. Doch die 1980er Jahre sind lange vorbei.

Selbstverständnis und Ästhetik der Freien Theaterszene haben sich ebenso verändert wie Finanzierungsmodelle und Strukturen. Seit 2005 wurde das im Südwest-Künstlervolksmund nur „Theaterpreis“ genannte Festival dann für zehn Jahre gemeinsam vom Kulturamt Stuttgart und vom (BW-finanzierten) Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg (LAFT) finanziert. Eine regionale Jury aus Kulturjournalisten, Dramaturginnen oder Theaterleiterinnen traf eine Vorauswahl, eine kleine, prominentere, eher überregional besetzte Hauptjury kürte die Preisträger. Heute soll trendgemäß mehr entwickelt, kuratiert, vernetzt werden. So ließen Stadt und Land 2015 vom Stuttgarter Theater Rampe ein zeitgemäßeres Festivalmodell suchen - und fanden es in „6 tage frei“, das nun pandemiebedingt um ein Jahr verschoben zum sechsten Mal stattfindet.

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Überschneidung der Genres

Unter der Künstlerischen Leitung von Martina Grohmann, einst bewährte Dramaturgin des Heidelberger Stückemarkts, und Produktionsleiterin Laura Oppenhäuser sind die „Preise“ ersetzt durch eine „kuratierte und koproduzierende Festivalplattform, die Freiräume für Austausch und Produktion schafft und künstlerische Prozesse initiiert“ - so heißt und macht man das heute.

Ein neunköpfiges Kuratorium, darunter Beata Anna Schmutz, Leiterin des Mannheimer Stadtensembles am Nationaltheater und des Kollektivs Rampig, planten, wie sie bei der Eröffnung sagten, „keineswegs eine Best-of-Show“, sondern diverse künstlerische Ansätze, die das breite Spektrum der Kunst im Ländle abbilden: Theater, Tanz, Installation, Figurenspiel, Schauspiel, Performance, Musik und Intervention - da kommt etwas zusammen.

Und wird zusammen gezeigt, wie etwa die (nebenbei bemerkt wenig gelungene und stark anmaßende) Produktion „hands on aids“ von „Frisch und Schick“, die sich - räumlich um Authentizität bemüht - im Schwulenclub Lehmann als ein Hybrid aus Party, Konzert, immersiver Performance und Installation versteht.

Ein weiteres Beispiel für die Bandbreite der Mittel und Formen bietet das vierwöchige Residenz-Projekt „Unsichtbar“ von Mütterkünste, das ebenso Performance, Installation und Film kombiniert, um den Blick für die Situation von Künstlerinnen zu schärfen, die Mütter sind. Drei Kuratorinnen suchten das Kollektiv mit dem sprechenden Namen aus, unter ihnen auch Eva-Maria Steinel, Dramaturgin am Mannheimer Eintanzhaus.

Was steht diese knappe Woche nun noch an? Neben zwei Koproduktionen, fünf Gastspielen, Publikumsgesprächen, Workshops und Vorträgen nichts Geringeres als die kritische Selbstanalyse der Freien Szene - und das ist das Spannendste. Wie funktioniert Macht in diesem liberalen, progressiven, vermeintlich politisch hyperkorrekten Kontext? Was und welche Strukturen wünscht sich die dann vielleicht doch nicht so freie Szene? Wir bleiben dran...

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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