Ludwigshafen. Am Mittwoch heißt es erstmals „Film ab“ auf der Parkinsel, das 18. Festival des deutschen Films wird eröffnet. Direktor Michael Kötz spricht über Hintergründe der beliebten Veranstaltung und sagt, welche Herausforderungen sich in diesem Jahr stellen, das keine Corona-Auflagen mehr vorsieht.
Herr Kötz, die Umstände scheinen fürs Festival aktuell sehr günstig: Die Corona-Sommerwelle ebbt weiter ab und die des Herbstes ist noch fern. Die umweltbewussten Kritiker des Festivals halten sich derzeit eher zurück, und eine weitere extreme Hitzewelle ist auch nicht angekündigt …
Michael Kötz: Ja, jedes Jahr finden sich mühelos neue Probleme, die es zu bewältigen gilt. Und bei unserem ja weitestgehend frei finanzierten Filmfestival geht das schnell auch ins Existentielle. Um das mal – nun mit etwas Abstand – mit meiner langen Tätigkeit als Direktor des „Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg“ zu vergleichen: Neben der Verantwortung, ein gutes Programm zu machen, sind wir eben auch im echten Sinne ein Unternehmen, riskieren das eigene Einkommen und das der Mitarbeiter gleich mit. Es gibt keine Bestandsgarantie. Nur neun Prozent des Budgets sind subventioniert, von Stadt und Land, beim IFFMH waren es 80 Prozent. Ein gewaltiger Unterschied. Und durch die Pandemie hat uns im Wesentlichen die Treue der BASF gerettet, nicht die öffentliche Hand …
Michael Kötz und das Festival
- Michael Kötz (71), Germanist, promovierter Filmwissenschaftler und ehemaliger Kulturjournalist, ist Gründungsdirektor des Festivals des deutschen Films. Bis 2019 war er zudem Direktor des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg.
- Das Festival auf der Ludwigshafener Parkinsel beginnt am Mittwoch, 24. August, und läuft bis 11. September. Vorführungen finden in zwei großen Festivalkinos, außerdem auf einem Open-Air-Gelände statt.
- Das Programm umfasst in diesem Jahr insgesamt 56 Filme, überwiegend aus Deutschland. Produktionen für Kinder laufen in einer eigenen Reihe, ebenso internationale Produktionen.
- Das Festival erreicht man am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus-Shuttle ab Berliner Platz und Parkhaus Walzmühle).
- Infos zu Karten und Programm: festival-des-deutschen-films.de
Als Festivalorganisator möchte man sich doch wohl vor allem aufs Programm konzentrieren, aber im Falle des Festivals des deutschen Films ist das, wie auch von Ihnen soeben ausgeführt, längst nicht mehr das einzige Erfordernis. Ist das nicht allmählich zermürbend?
Kötz: Nein, ich empfinde das unternehmerische Element, einschließlich des hohen Risikos, als sehr bereichernd. Es passt zu mir, wenn ich mich durchschlagen muss. Und den Wert der eigenen Arbeit bewiesen zu sehen durch Tausende von Tickets, die gekauft werden, ist viel wahrhaftiger und schöner als hohe Fördersummen zu erhalten – zumal von Leuten, die das Geld pflichtschuldig geben, aber den Wert der Sache vielleicht gar nicht begriffen haben.
Sie organisieren und verantworten seit dreißig Jahren Filmfestivals in der Region. Haben Sie die Hoffnung, dass die Pandemie in absehbarer Zeit keine Erschwernisse mehr bringt und dem Publikum tatsächlich wieder unbeschwerte Festivaltage versprochen werden können?
Kötz: Natürlich wird es so sein! Wenn es nur irgendwie geht, sind die Menschen so unbeschwert wie möglich. Sie wollen ja leben! Wir haben jetzt schon über 30 Prozent mehr Tickets verkauft als im letzten Jahr.
Mit der Pandemie, dem Ukraine-Krieg und dem deutlicher gewordenen Klimawandel ist das allgemeine Krisenbewusstsein in diesem Jahr noch größer und spürbarer geworden. Hat Sie das bei der Programmplanung beeinflusst?
Kötz: Was Sie da ansprechen, wird meine Eröffnungsrede bestimmen. Unsere Gesellschaft ist krank. Sie leidet an einer grassierenden Ego-Kultur, einem eklatanten Verlust an Gemeinschaftssinn. Aber mit einer Gesellschaft von lauter Ego-Shootern, besonders unter den Bessergestellten, kann man weder die Öko-Krise meistern, noch eine Pandemie oder kriegerische Angriffe abwehren. Die größte Krise sind wir also selber. Unsere Einstellung ist krank. Kulturevents bilden Heilungschancen. Aber nur, wenn sie nicht nur für die jeweilige Ego-Shooter-Gruppe gemacht werden, sondern wirklich offen sind für alle – wie unser Filmfestival zum Beispiel. Dann können eben viele erleben, sinnlich erleben, wie lebenswichtig für uns andere Menschen und deren Geschichten sind – wie wichtig das gemeinsame Erleben der Kunst ist. Festivals sollten nicht dazu da sein, sich selbst zu beweisen, wie erhaben man ist und wie großartig anders als die Mehrheit. Sie sollten sie eher zu erobern versuchen.
Das Rahmenprogramm bietet die gewohnten Fixpunkte: Es gibt zwei Schauspielpreise, eine große Filmauswahl, deren herausragende Werke am Ende prämiert werden, und das alles auf dem atmosphärischen Festivalgelände am Rhein. Das klingt nach einem Festivalbetrieb ganz so, wie man es hier gewohnt ist …
Kötz: Wobei das Vertraute eben jedes Jahr mit anderen Herausforderungen erst hergestellt werden muss … Aber wir hatten auch Glück: Großartige neue deutsche Filme haben wir gefunden, sehr viele kluge schöne Komödien übrigens. Es darf wieder gelacht werden. Und sei es nur, um den Ernst der Lage zu erkennen. Aber selbst das macht man ja nur, wenn man zugleich auch gerne auf der Welt ist. Unser Filmfestival soll ein Glücksbringer sein.
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Vor der Pandemie besuchten fast 120 000 Menschen das Festival auf der Parkinsel, letztes Jahr waren es pandemiebedingt nur die Hälfte, was zu einem finanziellen Fehlbetrag führte. Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie jetzt?
Kötz: Wir brauchen 90 000 bis 95 000 Besucher, die ein Ticket kaufen, um die direkten Kosten zu decken. Trotzdem zeigen wir einige Filme, von denen wir jetzt schon wissen, dass sie wenig Zuschauer haben werden. Im Gegensatz zu einer Situation, wo man umfangreich subventioniert wird, ist das Bekenntnis zur Kunst kein Lippenbekenntnis mehr, sondern es kostet jetzt etwas. Das ist eine interessante persönliche Erfahrung.
Was dürfen die Besucher also erwarten?
Kötz: Über 50 neue Filme, zumeist Spielfilme – zahlreiche sehr intensive Filmgeschichten aus Deutschland, handverlesen ausgewählt, ergänzt durch neun internationale Beiträge. Aber unsere Gastronomie, Speisen und Getränke, gehört auch dazu – und Weinschorlen, unzählige Weinschorlen. Was uns besonders freut im Vorfeld: Wie gerne die Menschen aus der Branche, die man Filmstars nennt, zu uns kommen, wie man in der Branche in Deutschland von uns schwärmt, von der Gastfreundschaft, der Atmosphäre, dem neugierigen Publikum – das ist einfach schöner als alle Verdienstmedaillen.
Sie bleiben also, trotz aller Erschwernisse, von der Festivalidee, von der Notwendigkeit solch besonderer Kulturveranstaltungen als Fixpunkte im Jahreskalender weiterhin überzeugt?
Kötz: Sie sehen doch, wie viele Menschen zu unserm Festival wollen! Es wird ja derzeit viel von ihnen verlangt, Pandemie, Krieg, Verteuerungen. Da gibt es doch kaum etwas Wichtigeres, als die Menschen mental zu stärken, damit sie die kommenden Herausforderungen meistern. Und zwar mit Lebensfreude. Das ist eine wunderbare Aufgabe. Wir alle im Team freuen uns sehr darauf. Wir sind gerne Gastgeber, sind gerne ein bisschen Glücksbringer.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ludwigshafener Filmfestival: Warum Kultur in schwierigen Zeiten Zuversicht schafft