Ludwigshafen. Selbst sein Werk ist nicht so vorteilhaft gealtert wie das ihre. Seine dicht am Geist der Zeit geschriebenen Theaterstücke und Romane wirken heute kaum mehr aktuell, im Gegensatz zum zeitlosen Charakter ihrer bildmächtigen Lyrik. Hier muss also von Ingeborg Bachmann und Max Frisch die Rede sein. Die beiden führten eine toxische Beziehung, immerhin vier Jahre lang, obgleich sie ahnten, dass das nicht auf Dauer funktionieren konnte. Doch Verzicht war auch keine Option.
Toxische Beziehungssaga
Der Briefwechsel von Frisch und Bachmann, erst im Herbst 2022 publiziert (der Titel heißt: „Wir haben es nicht gut gemacht“), wurde als Sensation gefeiert. Über 1000 Seiten dick ist dieses Buch - das auch die Frage, wer die „Schuld“ am Scheitern der Beziehung hatte, neu zu bewerten hilft.
Als Margarethe von Trotta, mittlerweile 81-jährige Grande Dame nicht nur des deutschen Kinos, ihren Film zu diesem Thema drehte, kannte sie besagten Briefwechsel noch nicht. Das ist ein Manko. Doch vielleicht hätte die Kenntnis auch gestört.
In „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“ sind die Rollen klar verteilt: Da gibt es Frisch, ein Riesenbaby, das an seiner Pfeife nuckelt und nach Lob und Zuspruch giert - von Ronald Zehrfeld breit und seltsam starr verkörpert. Doch in seine Schreibmaschine hämmert er die Satz-Salven so unablässig, dass sie aus einer Kalaschnikow zu dringen scheinen. Während sie, die Dichterin, um jede kleine Formulierung ringt und bangt. Gespielt wird Bachmann von der attraktiven und auf Nuancierung abzielenden Vicky Krieps - die ja schon in „Corsage“ auf preisgekröntem Level die berühmte „Sisi“ neu erfunden hat.
Über die Letztgenannte hat von Trotta zwar noch kein Porträt erstellt, aber ihr Bachmann-Werk reiht sich natürlich ein in ihre Filme über weibliche Ikonen, ob sie Hannah Arendt, Rosa Luxemburg oder auch Hildegard von Bingen heißen. Filmästhetisch und formal läuft alles in berechenbaren Bahnen. Requisiten schreien ihre Requisitenhaftigkeit manchmal geradezu heraus. Und auch die Dialoge - oft sind es Zitate, aber eben nicht aus dem genannten Briefwechsel - wirken bisweilen hölzern.
Kultverdächtige Sprüche
Viele Sprüche aus dem neuen „Tatort“ mit Murot, also mit Ulrich Tukur, sind dagegen äußerst kurzweilig, das muss man zugeben. Der BKA-Ermittler hadert mit dem deutschen Durchschnittsdasein, klagt: „Kein Sex, nur Rentenansprüche!“ Da hilft der neue Fall, der ihm sogar das „Paradies“ verspricht. Die Pforte dahin ist „die geilste Party westlich von Schanghai“, auf der sich koksende Investment-Banker treffen - und Murot als „stellvertretender Filialleiter der Kreissparkasse Butzbach“ auftritt. Dennoch wird er auserwählt und von den mörderischen Damen, die an diesem Ort das Sagen haben, über einen kleinen Eingriff im Bereich des Bauchnabels mit halluzinatorischen Spezialeffekten grundversorgt. In einer Dosis, wie es sie noch nie gegeben hat.
Murot träumt sich das Glück zurecht, saugt an der Mutterbrust, führt ein geglücktes Attentat auf Hitler aus und schwebt im Weltraum. Letztere Sequenz erinnert stark an Stanley Kubricks Sci-Fi-Klassiker „2001“, zumal sie mit dem „Donau-Walzer“ untermalt wird. Das, was der Regisseur und Drehbuchautor Florian Gallenberger hier mit seinem Hauptdarsteller Tukur vorführt, ist also ein neuerlicher Cineasten-„Tatort“ in Murot-Manier: der Fernsehkrimi als Zitatensammlung.
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