Videomitschnitt - Private Aufnahmen eines Kleinkinds bieten im Hintergrund auch stadtgeschichtlich interessante Bilder

Erste Gehversuche im Herzogenriedbad

Von 
Peter W. Ragge
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Es krabbelt, es purzelt herum, es spielt und macht erste Schritte: Ein Kleinkind im Herzogenriedbad liefert dem Marchivum auch interessante Aufnahmen der ganzen Szenerie. © Marchivum

Er ist „ein schönes Beispiel dafür, dass sich auf privaten Aufnahmen auch Bilder von historischem Wert als Beiwerk befinden können“, wie Désirée Spuhler von Marchivum betont: Das hat nun nämlich einen Film aus den 1970er Jahren vom Herzogenriedbad als Leihgabe zur Digitalisierung für die Filmschätze des Mannheimer Archivs zur Verfügung gestellt bekommen.

Wie süß! Das denkt man sofort, wenn man diese Bilder sieht. Eine Frau im Badeanzug mit einem Kleinkind, das eine dicke Windelhose trägt. Es zerfleddert mit sichtlichem Vergnügen eine Zeitung. Es spielt noch etwas unbeholfen, aber sehr neugierig mit einem Ball. Es krabbelt, es purzelt auf der Wiese herum, steht vorsichtig auf, fällt lachend wieder hin, greift nach einer Flasche, ertastet sie, spielt mit ihr. Es sind die ersten Gehversuche eines Kinds, vom stolzen Vater mit der Kamera festgehalten. Aber nicht nur das. „Auch wenn im Fokus der Kamera eindeutig das Kleinkind ist, sind diese Aufnahmen nicht uninteressant“, ermuntert Désirée Spuhler andere Mannheimer, ebenso nach solchen Filmen zu suchen.

Schließlich könne man dadurch „im Hintergrund erahnen, wie das Freibad damals aussah“ – und davon wie von vielen anderen Mannheimer Institutionen gibt es eben wenig oder gar keine bewegten Bilder aus den vergangenen Jahrzehnten, bedauert das Marchivum. „Daher hoffen wir nach wie vor auf mehr solcher Filmspulen“, betont Spuhler.

Denn man sieht noch einen alten Gaskessel im Hintergrund, ferner Wohnblocks, die 1965 erbaute und 2004 für einen Neubau abgerissene Sporthalle am Herzogenried (vormals Carl-Diem-Halle genannt) sowie den Sprungturm des Bads, die weiten, große Liegewiesen und die seinerzeitigen Umkleidegebäude.

Über Generationen hinweg haben die Mannheimer sich im Sommer nur in den Flüssen, besonders aber am Strandbad und in den Flussbädern am Stephanienufer erfrischen können. Schon Ende der 1920er Jahre überlegte aber die Stadtverwaltung, ein Freibad zu schaffen. Als Standort war das Gelände neben der städtischen Sportanlage im Unteren Luisenpark vorgesehen. Die 1931 vorgestellten Pläne sahen ein Familienbadebecken, ein Planschbecken für Kleinkinder, ein Sprungbecken mit einem Zehn-Meter-Turm sowie ein eigenes Becken für Schwimm-Wettkämpfe mit Tribüne vor, ferner hohe Häuser für Verwaltung und sogar an Ärzte war gedacht. Oberbürgermeister Hermann Heimerich nannte das allerdings „Zukunftsmusik“ und fürchtete, es werde 20 Jahre dauern, bis man das realisieren könne.

Amerikaner helfen beim Bau

Es dauerte dann aber noch länger – durch den Zweiten Weltkrieg. Doch schon 1947, viele Teile der Stadt liegen noch in Trümmern, regt der Badische Sportverband einen Schwimmbad-Bau an. Da ist auch erstmals von einem Standort am Herzogenriedpark die Rede. Die Bauarbeiten beginnen aber erst 1955, wobei amerikanische Pioniereinheiten beim Aushub für die Becken helfen.

Am 20. Mai 1956 wird das neue Bad eröffnet. 50 Pfennig kostet der Eintritt für Erwachsene, Kinder zahlen die Hälfte. Von den alten, monumentalen Plänen von 1931 ist indes nichts übrig geblieben. Die Umkleiden errichtet man bewusst nicht auffallend-repräsentativ, sondern als schlichte, flache Pavillons. Einen Blickfang stellt dagegen bis heute der Sprungturm dar – „ein stolzes Wahrzeichen, Sinnbild und Ausdruck des Sportlichen“, so Willi Beirer, Leiter des Städtischen Hochbauamtes, im Eröffnungsjahr.

Ob 1969 der Einbau der Wasserheizung, 1977 die erste Rutschbahn oder zehn Jahre darauf die große Rutsche mit Wasserpilz – mehrfach hat das Herzogenriedbad seither sein Gesicht geändert. Auch wenn in den 1960er Jahren noch drei Vorort-Freibäder hinzukamen, ist es nach wie vor das am meisten frequentierte Bad Mannheims.

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Filmschätze retten: Erste Gehversuche im Herzogenriedbad

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Thema : Filmschätze retten

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    Er trägt Uniform mit Pickelhaube, die Herren um ihn herum Frack und Zylinder – den sie aber flink und ehrerbietig vor ihm ziehen. Schließlich lautet seine Anrede „Königliche Hoheit“. Es ist der Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden. Am 1. Mai 1907 kommt er nach Mannheim. Der Film davon sind die ältesten Bewegtbild-Aufnahmen, die es von Mannheim gibt. Sie stellte diese Zeitung im Oktober 2017 vor und begann damit die Serie „Filmschätze retten“. Heute endet sie, und alle Leser können zum Abschluss eine DVD mit historischen Streifen gewinnen. Die Aktion „Filmschätze retten“: hatten Marchivum und Freundeskreis Marchivum gestartet und als Unterstützer dafür diese Zeitung gewonnen. Zunächst ging es um Spenden für die Digitalisierung der rund 500 Filme umfassenden Sammlung. Den alten Rollen drohte das Essigsäure-Syndrom, sie lösen sich also durch chemische Prozesse auf. „Nur wenn der analoge Bestand digitalisiert wird, kann er für künftige Generationen gerettet werden“, so Marchivum-Direktor Ulrich Nieß. 67 500 Euro an Spenden Bis Juli 2018 haben wir jeden Donnerstag unter dem Motto „Filmschätze retten“ historische Aufnahmen aus den Beständen des Marchivum vorgestellt – auf dieser Seite im Kulturteil und im Morgenweb. Wegen der großen Resonanz setzten wir die Serie nach Abschluss der Spendenaktion fort, veränderten aber Ziel und Rhythmus. Ab September 2018 gab es jeweils am ersten Donnerstag im Monat Bilder und Informationen zu einem historischen Film – verbunden mit einem neuen Aufruf des Marchivum. Es bat darum, dass viele Mannheimer ihre privaten Filmschätze dem Marchivum anbieten, damit sie digitalisiert, fürs Archiv erschlossen und (auf Wunsch) zurückgegeben werden. Auf beide Aufrufe gab es sehr viele Reaktionen. Die Spendenaktion erbrachte 67 500 Euro. „Damit haben wir unseren Filmbestand komplett digitalisieren können“, so Désirée Spuhler, der die audiovisuelle Sammlung des Marchivum untersteht. Überwiegend handelte es sich um Stummfilmmaterial. Dazu verfasste dann Julia Scialpi vom Freundeskreis Marchivum Texte für eine Vertonung, die Stadträtin und Freundeskreis-Vorsitzende Helen Heberer als Sprecherin aufnahm. Technische Hilfe bei der Umsetzung leistete Andreas Etzold (RNF). 21 dieser Clips sind nun auch auf DVD verewigt. Aufnahmen vom Krieg, vom Wiederaufbau des zerstörten Mannheim, vom legendären Blumencorso des Einzelhandels 1967, der Tombola für den Wiederaufbau des Nationaltheaters 1957, vom alten Planetarium 1935, von der Überführung des Sargs des Kurfürsten in die Schlosskirche 1957, vom Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rosengarten 1953, vom Autohaus Kannenberg mitten im „Wirtschaftswunder“ 1956, von einer „Zeppelin“-Landung 1930, vom alten Eisstadion Friedrichspark 1938, aber auch seltene Luftaufnahmen von 1926, von Nazi-Propaganda und den bald darauf enteigneten jüdischen Geschäften weckten viele Erinnerungen und zeigten den beeindruckenden Wandel der Stadt. Außer den vielen Geldspenden sind zudem über 100 private Filmspulen abgegeben worden, die nun – digitalisiert – die Marchivum-Bestände bereichern und künftig auch für Ausstellungen verwendet werden können. Nieß spricht daher zufrieden von „einem höchst erfolgreichen Projekt“. Schauen und Staunen „Wir haben allen Spendern zu danken und sind von der Breite der Unterstützung und dem Engagement des „Mannheimer Morgen“ überwältigt“, so Nieß. Der Erfolg der Aktion „Filmschätze retten“ sei dabei „nicht in Geld aufzuwiegen“, betont der Direktor. „Nicht nur, dass die erforderliche Spendensumme für die Digitalisierung der Filme zusammen kam, vielmehr trägt die Aktion zur Identitätsstiftung mit dem Marchivum bei“, freut er sich. „Hier ist der Ort für eine breit aufgestellte audiovisuelle Sammlung, die eindrucksvoll Mannheims Geschichte in Bildern dokumentiert. Das animiert zum Schauen, Staunen, aber auch zur Nachdenklichkeit, wie wir mit unserem historischen Erbe umgehen wollen“, so Ulrich Nieß.

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