Filmschätze - Private Luftaufnahmen vom Bau der Kurt-Schumacher-Brücke aus 1970 beenden die Serie

Kurt-Schumacher-Brücke: Werk moderner Ingenieurskunst

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
Hier wächst sie über den Rhein: Luftaufnahmen von einem Hobbyfilmer zeigen die Entstehung der Kurt-Schumacher-Brücke, rechts Mannheims Hafen. © Marchivum

Mannheim. Wie aktuell einem das gerade heute vorkommt! Von 1970 stammen die Luftaufnahmen, mit denen wir die Artikelserie „Filmschätze retten“ beschließen. Sie zeigen eindrucksvoll den Bau der Kurt-Schumacher-Brücke, damals zunächst nur „Nordbrücke“ genannt, über den Rhein nach Ludwigshafen – und viele andere spannende alte Ansichten der Stadt.

Friedrich-Ebert-Brücke, Kurpfalzbrücke, Jungbuschbrücke – zunächst überfliegt der Kameramann den Neckar. Es ist Hobbyfilmer Wolfgang J. Blättner („Wolfner Film“). Seinen von ihm „Mannheim von oben“ genannten Super-8-Film hat Bruder Reimund Blättner dem Marchivum als Schenkung überlassen.

Man hört das Brummen des Motors des Kleinflugzeugs, aber er kommentiert seine Aufnahmen auch. Freilich legt er das Augenmerk besonders auf die Brücken. Heutigen Betrachtern fällt viel, viel mehr auf.

So fahren auf den Planken noch Autos, das Quadrat N 1 ist unbebaut, es gibt noch kein Collini-Center und anstelle der Neckaruferbebauung Nord östlich der Alten Feuerwache viel auffallend helle Freifläche, im Volksmund „Weißer Sand“ genannt. Hinter dem Jugendstilbau des Rosengartens ist gerade das ganze Quadrat einschließlich des heutigen Dorint-Hotels eine riesige Baustelle – zu der Zeit entsteht die Tiefgarage und später der Neubau des Mozartsaals.

Auch in Ludwigshafen kann man erkennen, wo der neue Hauptbahnhof entstanden ist und wo noch die alten Gleisanlagen verlaufen – ab 1979 Standort des Rathaus-Centers und eben auch benötigt für die Zufahrten zur „Nord-Brücke“. Erst zwei Tage vor der offiziellen Einweihung erhält sie, nach gemeinsamem Beschluss der Stadtparlamente von Mannheim und Ludwigshafen, den Namen des ersten SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden nach dem Zweiten Weltkrieg, Kurt Schumacher (1895-1952).

Wunsch nach Rheinquerung

Lange gibt es ja nur eine Rheinquerung. An der Stelle der heutigen Konrad-Adenauer-Brücke kennt die Geschichte „fliegende Brücken“ oder „Schiffsbrücken“ – eine Art Fähren – und ab 1868 ein festes Bauwerk. Es wird indes im Zweiten Weltkrieg zerstört, und erst 1959 erfolgt der Wiederaufbau. Schon in den 1930er Jahren diskutiert man indes eine zweite Rheinquerung – durch den Zweiten Weltkrieg wird sie indes nicht mehr realisiert. Nach langer Diskussion gehen Ludwigshafen und Mannheim das Thema in den 1950er Jahren aber wieder an, auch ein Tunnel wird zwischenzeitlich erwogen.

Klar ist schon früh, dass eine einzige Rheinquerung „nicht reicht, um den Verkehr zwischen beiden Städten zu bewältigen“, führt Mannheims Tiefbauamts-Chef Eberhard Völkel 1972 vor einem Gremium des Deutschen Städtetages aus. Bis zur Inbetriebnahme der Schumacher-Brücke konzentrierten sich 72 000 Autos pro Tag auf den einzigen Übergang, die Adenauer-Brücke.

Der Neubau, 1969 in Angriff genommen und 1972 beendet, ist viel komplizierter als die erste Rheinquerung und mit 1,5 Kilometern auch viel länger. Sie umfasst eigentlich drei Brücken, überspannt sie doch den Mannheimer Handelshafen mit Verbindungskanal (Länge 296 Meter) und Mühlauhafen (287 Meter), dann erst den Rhein (433 Meter). Auf Mannheimer Seite sind zwei Anschlussstellen für – nie realisierte – Abfahrten in den Hafen vorbereitet, in Ludwigshafen mündet die Brücke in die Hochstraße. Die 288 Meter lange Stahlbrücke über den Rhein, an Schrägseilen an einem Pylonen aus zwei Stahlbetonpfeilern aufgehängt, steht seinerzeit – laut Eberhard Völkel – „unter den deutschen Spannbetonbrücken der Spannweite nach an dritter, in der Welt an sechster Stelle“.

Am 28. Juni 1972 wird die 130 Millionen D-Mark teure Konstruktion vom damaligen Verkehrsminister Georg Leber eingeweiht. Mit dabei ist, als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl. Er äußert den Wunsch, dass es „nicht wiederum 13 Jahre dauern möge, bis die nächste Brücke in unserem Raum zwischen Altrip und Speyer dem Verkehr übergeben wird“. Doch daraus wird nichts. Und dass die Schumacher-Brücke, seinerzeit als „Werk auf der Höhe der modernen Ingenieurkunst“ gerühmt, nicht einmal 50 Jahre später ein schwerer Sanierungsfall wird, kann sich damals auch niemand vorstellen.

Lokales

Filmschätze: Bau der Kurt-Schumacher-Brücke aus 1970

Veröffentlicht
Laufzeit
Mehr erfahren

Redaktion Chefreporter

Thema : Filmschätze retten

  • Mannheim Es ging los mit dem Großherzog

    Er trägt Uniform mit Pickelhaube, die Herren um ihn herum Frack und Zylinder – den sie aber flink und ehrerbietig vor ihm ziehen. Schließlich lautet seine Anrede „Königliche Hoheit“. Es ist der Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden. Am 1. Mai 1907 kommt er nach Mannheim. Der Film davon sind die ältesten Bewegtbild-Aufnahmen, die es von Mannheim gibt. Sie stellte diese Zeitung im Oktober 2017 vor und begann damit die Serie „Filmschätze retten“. Heute endet sie, und alle Leser können zum Abschluss eine DVD mit historischen Streifen gewinnen. Die Aktion „Filmschätze retten“: hatten Marchivum und Freundeskreis Marchivum gestartet und als Unterstützer dafür diese Zeitung gewonnen. Zunächst ging es um Spenden für die Digitalisierung der rund 500 Filme umfassenden Sammlung. Den alten Rollen drohte das Essigsäure-Syndrom, sie lösen sich also durch chemische Prozesse auf. „Nur wenn der analoge Bestand digitalisiert wird, kann er für künftige Generationen gerettet werden“, so Marchivum-Direktor Ulrich Nieß. 67 500 Euro an Spenden Bis Juli 2018 haben wir jeden Donnerstag unter dem Motto „Filmschätze retten“ historische Aufnahmen aus den Beständen des Marchivum vorgestellt – auf dieser Seite im Kulturteil und im Morgenweb. Wegen der großen Resonanz setzten wir die Serie nach Abschluss der Spendenaktion fort, veränderten aber Ziel und Rhythmus. Ab September 2018 gab es jeweils am ersten Donnerstag im Monat Bilder und Informationen zu einem historischen Film – verbunden mit einem neuen Aufruf des Marchivum. Es bat darum, dass viele Mannheimer ihre privaten Filmschätze dem Marchivum anbieten, damit sie digitalisiert, fürs Archiv erschlossen und (auf Wunsch) zurückgegeben werden. Auf beide Aufrufe gab es sehr viele Reaktionen. Die Spendenaktion erbrachte 67 500 Euro. „Damit haben wir unseren Filmbestand komplett digitalisieren können“, so Désirée Spuhler, der die audiovisuelle Sammlung des Marchivum untersteht. Überwiegend handelte es sich um Stummfilmmaterial. Dazu verfasste dann Julia Scialpi vom Freundeskreis Marchivum Texte für eine Vertonung, die Stadträtin und Freundeskreis-Vorsitzende Helen Heberer als Sprecherin aufnahm. Technische Hilfe bei der Umsetzung leistete Andreas Etzold (RNF). 21 dieser Clips sind nun auch auf DVD verewigt. Aufnahmen vom Krieg, vom Wiederaufbau des zerstörten Mannheim, vom legendären Blumencorso des Einzelhandels 1967, der Tombola für den Wiederaufbau des Nationaltheaters 1957, vom alten Planetarium 1935, von der Überführung des Sargs des Kurfürsten in die Schlosskirche 1957, vom Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rosengarten 1953, vom Autohaus Kannenberg mitten im „Wirtschaftswunder“ 1956, von einer „Zeppelin“-Landung 1930, vom alten Eisstadion Friedrichspark 1938, aber auch seltene Luftaufnahmen von 1926, von Nazi-Propaganda und den bald darauf enteigneten jüdischen Geschäften weckten viele Erinnerungen und zeigten den beeindruckenden Wandel der Stadt. Außer den vielen Geldspenden sind zudem über 100 private Filmspulen abgegeben worden, die nun – digitalisiert – die Marchivum-Bestände bereichern und künftig auch für Ausstellungen verwendet werden können. Nieß spricht daher zufrieden von „einem höchst erfolgreichen Projekt“. Schauen und Staunen „Wir haben allen Spendern zu danken und sind von der Breite der Unterstützung und dem Engagement des „Mannheimer Morgen“ überwältigt“, so Nieß. Der Erfolg der Aktion „Filmschätze retten“ sei dabei „nicht in Geld aufzuwiegen“, betont der Direktor. „Nicht nur, dass die erforderliche Spendensumme für die Digitalisierung der Filme zusammen kam, vielmehr trägt die Aktion zur Identitätsstiftung mit dem Marchivum bei“, freut er sich. „Hier ist der Ort für eine breit aufgestellte audiovisuelle Sammlung, die eindrucksvoll Mannheims Geschichte in Bildern dokumentiert. Das animiert zum Schauen, Staunen, aber auch zur Nachdenklichkeit, wie wir mit unserem historischen Erbe umgehen wollen“, so Ulrich Nieß.

    Mehr erfahren
  • Serie "Filmschätze" (mit Video) Kurt-Schumacher-Brücke: Werk moderner Ingenieurskunst

    Von 1970 stammen die Luftaufnahmen, mit denen wir die Artikelserie „Filmschätze retten“ beschließen. Sie zeigen eindrucksvoll den Bau der Kurt-Schumacher-Brücke, damals zunächst nur „Nordbrücke“ genannt.

    Mehr erfahren
  • Filmschätze (mit Video) Im Galopp durch Seckenheim

    Private Aufnahmen zeigen ein Pferderennen in Seckenheim 1926 und die Rückkehr der siegreichen Reiter in das damals noch selbstständige Dorf.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen