Interview

Direktor des Internationalen Filmfestivals Keilholz: "Filme sensibilisieren uns"

Zum Kulturprogramm der Buga23 trägt das Internationale Filmfestival eine eigene Reihe bei. Über die Gründe dafür und die Möglichkeiten der Filmkunst, uns zu sensibilisieren, spricht Festivaldirektor Sascha Keilholz

Von 
Thomas Groß
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Hier gibt’s dicke Luft: Zur Eröffnung des Filmprogramms auf der Buga läuft der zivilisationskritische Experimentalfilm „Koyaanisqatsi“. © Park Circus

Mannheim. Zum Kulturprogramm der Buga 23 trägt das Internationale Filmfestival ab 29. Mai eine Open-Air-Reihe bei. Auch diese soll sich um Leitthemen der Mannheimer Großveranstaltung drehen - um Klima und Umwelt. Festivaldirektor Sascha Keilholz erläutert Einzelheiten im Interview.

Herr Keilholz, als Sie hörten, dass sich am Kulturprogramm der Buga regionale Akteure beteiligen können und sollen, war es da für Sie gleich klar, dass auch Ihr Festival etwas beitragen sollte?

Sascha Keilholz: Absolut! Die Buga ist ein tolles Projekt, das viele der wichtigen Ziele Mannheims, mit denen wir als IFFMH uns identifizieren, zum Ausdruck bringt. Wir sind sehr gerne mit an Bord!

Wenn Filme die Wirklichkeit ihrer Entstehungszeit spiegeln, dann lässt sich in ihnen auch das jeweilige Verhältnis zu Natur und Umwelt wiederfinden. Das versteht sich. Was ergibt sich aus einer auf diese Aspekte konzentrierten Betrachtung noch darüber hinaus?

Keilholz: Für das IFFMH sichte ich ja in der Regel Filme, wenn sie „brandneu“ sind. Die Filme erblicken gerade das Licht der Welt, und man kann sie völlig unvoreingenommen als das schauen, was sie sind und was sie sein wollen. Wenn man mit einem inhaltlichen Fokus eine historische Sektion kuratiert, entsteht eine ganz neue Spannung. Das Erleben wir auch jedes Jahr bei der Retrospektive. Nun ein Programm orientiert an Leitthemen zusammenzustellen, war auf jeden Fall eine Herausforderung, weil wir normalerweise nicht so vorgehen. Entsprechend war es uns wichtig, eine große ästhetische Bandbreite abzubilden. Im inhaltlichen und räumlichen Kontext der Buga, dazu Open Air, werden die Filme eine neue Dynamik entwickeln. Darauf bin ich selbst gespannt.

Sascha Keilholz leitet seit 2019 das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. © F. Greiner

Worin sehen Sie insgesamt die besonderen Möglichkeiten von Film und Kino, um für die entsprechenden Themen zu sensibilisieren?

Keilholz: Kino ist eine besonders niedrigschwellige Kunstform. Es lebt weniger von dem Live-Moment, von der Eventhaftigkeit oder von der Performanz als andere Künste. Meine Rolle als Zuschauer ist dadurch eine andere. Da gibt es ein spannendes Vexierspiel zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit. Der narrative Film präsentiert mir jedes Mal eine neue abgeschlossene Welt. Aber je nachdem, wie ich rezipiere, gibt es Schnittstellen zu meiner Welt. Oder aber es wird ganz zu meiner Welt. Wenn es sich nicht gerade um Propaganda handelt, haftet dem Spielfilm auch nichts Pädagogisches an, was ein ästhetisch orientiertes Publikum zu Recht nicht interessieren oder vielleicht sogar abschrecken würde. So gelingt es dem Film dann zu sensibilisieren. Für andere soziale Verhältnisse, andere Wahrnehmungen von Welt, für Missstände. Für Mitmenschen und die Umwelt, die wir uns teilen.

Internationales Filmfestival auf der Buga23

  • Der promovierte Filmwissenschaftler Sascha Keilholz (45) leitet das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg seit 2019 als künstlerischer und kaufmännischer Geschäftsführer.
  • Zum Kulturprogramm der Buga trägt das Festival eine Filmreihe auf der Freilichtbühne Parkschale bei. Von 29. Mai bis 3. Juni werden ab 21.30 Uhr Filme gezeigt, in denen die Buga-Themen Klima, Energie und Nahrungssicherheit eine Rolle spielen.
  • Zum Auftakt läuft der bildstarke, zivilisationskritische Experimentalfilm „Koyaanisqatsi, außerdem werden etwa die Dokumentation „Cow“ und der Actionfilm „Mad Max: Fury Road“ gezeigt.
  • Das 72. Internationale Filmfestival (IFFMH) findet von 16. bis 26. November in verschiedenen Kinos in Mannheim und Heidelberg statt. Die Retrospektive ist dieses Jahr dem „Method Acting“ gewidmet, das eine Verschmelzung zwischen Darstellern und der jeweiligen Rolle anstrebte. 

Es macht da natürlich einen Unterschied, ob man auf Dokumentationen oder Spielfilme schaut …

Keilholz: Es war uns wichtig, beides zu zeigen. Dokumentarfilm scheint immer erstmal naheliegender, wenn man ein Programm nach Themen zusammenstellt. Uns ist aber immer auch die Form besonders wichtig, deshalb haben wir uns bemüht, formal starke, außergewöhnliche Dokumentarfilme zu finden, echte Kinoerlebnisse. Mit „Koyaanisqatsi“ haben wir einen Klassiker im Angebot, der ohnehin die Grenzen zwischen Doku und Fiktion vermischt.

Das ist ein episches Bilderspektakel mit unvergesslichem Sound und beeindruckender Musik von Philip Glass.
Sascha Keilholz

Das ist ein episches Bilderspektakel mit unvergesslichem Sound und beeindruckender Musik von Philip Glass. Aber eben auch inhaltlich visionär. Andrea Arnolds „Cow“ und „Leviathan“ vom Regieduo Castaing-Taylor/Paravel wiederum sind Beispiele engagierten Kinos, das ganz nah an seinen (tierischen) Protagonisten ist und ohne Kommentar die Bilder sprechen lässt.

In Ihrer Auswahl kommt auch die jüngste Folge der „Mad Max“-Reihe vor. In diesen Action-Filmen ist die Welt wüst und brutal, der Sprit knapp und begehrt. Da hätte man besser früher auf Nachhaltigkeit gesetzt … Was sehen Sie in „Mad Max: Fury Road“, das über reines Adrenalin-Kino hinausgeht?

Keilholz: „Mad Max“ liegt mir schon deshalb am Herzen, weil er physisches Kino ist, perfektes Handwerk. Schon meinen Kindern fallen die nicht immer gelungenen digitalen Effekte in Fantasyfilmen auf. Und da habe ich ihnen gleich von „Mad Max“ vorgeschwärmt. Hier passiert wirklich, was wir auf der Leinwand sehen - vieles zwar von Stuntleuten durchgeführt, aber wundervoll choreografiert und geschnitten. Die Reihe verortet sich klar im dystopischen Kino, das per se unsere Wahrnehmung von Gesellschaft hinterfragt.

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Können Sie von sich sagen, dass durch die intensive Beschäftigung mit Filmen auch Ihr Verhältnis zur Umwelt sensibilisiert wurde?

Keilholz: Puh, schwierige Frage. Wir erklären uns die Welt auch durch Kunstwerke. Und ich würde auf jeden Fall sagen, dass mich Musik, dazu besonders Literatur und Film, geprägt und sensibilisiert haben, neben den Menschen, die einen begleiten. Im Übrigen ist das zweischneidig: Die Filme sensibilisieren uns, aber andere Erlebnisse lassen uns auch verändert auf Film schauen. Bei manchen Sequenzen, die mich früher visuell überwältigt haben, sehe ich heute eher Ressourcenverschwendung. Auch als Festival beschäftigt uns der Umgang mit Ressourcen sehr. Die Umwelt, das ist ja Mensch und Natur. Das sind wir.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dem Filmangebot?

Keilholz: Das wird eine ganz besondere Atmosphäre, Open-Air-Kino auf diesem Areal, unter Sternen, mit den Gerüchen der Jahreszeit und der Pflanzen in der Nase. Dazu dieses Programm, das es in dieser Zusammenstellung noch nie gegeben hat und auch nicht wiederkommen wird. Ich werde jeden Abend da sein, nicht nur als Gastgeber, sondern auch als Buga- und Kinofan. Das Signal: Dies ist unsere Stadt, unsere Buga. Beides gestalten wir, die Bürgerinnen und Bürger. Als Kulturschaffende sind wir Teil dessen und nutzen unsere Möglichkeiten, Dinge sichtbar zu machen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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