Ballett

Die Prinzessin sitzt im Parkett des Mannheimer Capitols

In der Quadratestadt begeistert das jugendliche Grand Classic Ballet in je zwei Tournee-Vorstellungen mit „Der Nussknacker“ und „Schwanensee“ Freunde Klassischen Balletts - und ganze Familien

Von 
Ralf-Carl Langhals
Lesedauer: 
Disziplin, Anstrengung und Schwerkraft unsichtbar machen - die vier kleinen Schwäne können das. © Grand Classic Ballet

Es strömt, es wimmelt und wuselt: Nachmittagsvorstellung im Mannheimer Capitol. Auf dem Programm steht Tschaikowskys romantisches Märchenballett „Der Nussknacker“. „Auf die Plätze, fertig los“ heißt es da für kleine Ballettfans, was gar nicht so einfach ist, gibt es doch zunächst einige Platzierungsprobleme des Gastveranstalters.

Einige Jungs sind in Hemd und Fliege, nicht wenige der Mädchen in tutu-ähnlichen Kleidern in Tüll, in Rosa, Lila und natürlich Schwanenweiß. Um klarzustellen, wo hier die echte Prinzessin sitzt, hat manche Zuschauerin auch gleich die zum Tutu passende Krone aufgezogen. Vater trägt keine Krone, sondern ihrer Hoheit Sitzkissen, Oma den Zauberstab mit Stern, Mutter die Verantwortung. So lässt sich mit der ganzen Familie mädchenhaft Märchenhaftes erleben. Ein Weihnachtsgeschenk, von dem alle etwas haben. Und das Grand Classic Ballet hält Wort. Vor weihnachtlicher Kulisse entspinnt sich hochklassischer Buden-, äh Stubenzauber mit Christbaum und Festgewändern.

Klassischer geht es nicht, kommerzieller auch nicht.

Klassischer geht es nicht, kommerzieller auch nicht. So ist das mit den unter Kritikern (freilich nicht wenig despektierlich) „Reise-Russen“ oder „Russenbusse“ genannten Tourneen meist osteuropäischer freier, das heißt privater Ballettcompagnien, die um die Weihnachtszeit zumeist mit zwei und drei Unterveranstaltern mit „Nussknacker“, „Schwanensee“ und „Dornröschen“ im Gepäck durch die Lande reisen.

Wer tanzt da?

Bis vor einiger Zeit wurden die meist in den 1990er Jahren entstandenen Tourneetruppen auf Plakaten in großen Lettern mit „Bolschoi“-Ballett angekündigt, wo der westeuropäische Ballettfreund nicht selten in die Falle tappte, weil er nicht wusste, dass „bolschoi“ auf Russisch lediglich „groß“ bedeutet, und nicht zwangsläufig etwas mit dem legendären Moskauer Bolschoi Theater zu tun hat. Mit der Lupe konnte der Interessierte dann herausfinden, dass es nur das „große Ballett“ einer ost-usbekischen Kreisstadt war, das da angekündigt wurde.

Alles eine Frage der Perspektive, auch beim Tournee-Geschäft für Klassisches Ballett. © Grand Classic Ballet

Das Grand Classic Ballet versteht sich als eine „internationale Truppe“, was insofern stimmt, als das sie sich „aus Absolventinnen und Absolventen namhafter Ballettschulen zusammensetzt. Die Tänzerinnen und Tänzer arbeiten für berühmte Theater.“ Das muss genügen, vielleicht erfahren wir daher im Programmheft (5 Euro für Gemeinplätze und Wikipedia-Kopien) nicht mehr. Namen von Künstlern nennt es nicht. Nicht einmal Marie, Nussknacker, Mäusekönig oder Zuckerfee werden namentlich ausgewiesen.

Mehr zum Thema

Tanz

Kubanischer Expressionismus

Veröffentlicht
Von
Markus Mertens
Mehr erfahren
Tanz

Ein französisches Dornröschen zu Gast im Ludwigshafener Pfalzbau

Veröffentlicht
Von
Ralf-Carl Langhals
Mehr erfahren
Festspiele Ludwigshafen

Im Ludwigshafener Pfalzbau wird es dem Wiener Staatsballett zu bunt

Veröffentlicht
Von
Ralf-Carl Langhals
Mehr erfahren

Das ist schade, die Namenlosen sind nämlich wirklich gut, teils gar brillant. Das Grand Classic Ballet steht unter der Künstlerischen Leitung des kasachischen Tänzers, Choreographen und Ballettdirektors Hasan Usmanov, der 2004 die Körperschaft Classical Russian Ballet gründete, die sich aus „Absolventinnen und Absolventen führender russischer Ballettschulen und dem näheren Ausland“ speist. Was ebenso für sein „MC Ballet“ (Moscow Classic Ballet) und eben auch das Grand Classic Ballet zutrifft. Genug der informativen Vorrede, die über den Versuch einer Einordnung nicht hinausgehen will...

Exzellente Darbietung

Hasan Usmanov orientiert sich stark an den historischen Originalchorographien von Marius Petipa und Lew Iwanow, was ihm sehr gut gelingt. Gespür für Raumnehmen hat er. Und so gelingt ihm auch das nicht einfache Kunststück, etwa 25 tanzende Leute mit Sprüngen und Hebefiguren so auf die Capitol-Bühne (und die anderer kleinerer Häuser) zu setzen, dass das Gedränge nicht allzu groß, die Einschnitte nicht allzu offensichtlich sind. Das ist handwerklich sehr gut und homogen gemacht und nur in wenigen Tutti-Szenen mal erkennbar.

Schwanensee auf kleiner Bühne

Am Abend kommt dann „Schwanensee“ auf die Bühne. Gleiche Truppe, gleiche Kostümherrlichkeit, gleiches Kartenchaos - aber auch gleiche tänzerische Qualität. Für die großen Einzelauftritte (25 pfeilgeraden Pirouetten haut Prinz Siegfried weg wie nix und Odiles Grands Jetés beeindrucken nicht minder), den legendären Grand Pas de deux oder auch kleinere Ensembleszenen funktioniert die Bühne gut.

Grand Classic Ballet

  • Das Grand Classic Ballet besteht aus „Absolventinnen und Absolventen namhafter Ballettschulen. Die Tänzerinnen und Tänzer arbeiten für berühmte Theater.“
  • Das Grand Classic Ballet steht unter der Künstlerischen Leitung des kasachischen Tänzers, Choreographen und Ballettdirektors Hasan Usmanov, der 2004 die Körperschaft Classical Russian Ballet gründete,aus dem sich sein „MC Ballet“ (Moscow Classic Ballet) und auch das Grand Classic Ballet speist.
  • Die Tour wird produziert von Inhaber Konstantin Rain (mc-ballet) und seiner Berliner Agentur BE.entertained

Es herrscht konzentrierte Stille (auch bei den Kindern am Nachmittag), ja fast andachtartige Bewunderung für so viel Eleganz und Leichtigkeit. Denn das ist die Stärke dieser Truppe: filigrane Leichtigkeit und punktgenaue Synchronie durch exzellente Ausbildung und Routine.

Drill, Disziplin, körperliche Anstrengung und Schwerkraft unsichtbar zu machen, ist die oberste Tugend Klassischen Balletts. Hier wird die Anmut buchstäblich auf die Spitze getrieben. Nehmen wir exemplarisch das Allegro moderato aus dem 2. Akt, den berühmten Auftritt der vier jungen Schwäne. Die blitzschnelle Schrittfolge, der mit überkreuzten Armen tanzenden Ballerinen, mit den kleinteilligen Abfolgen aus pas de bourée, jeté, plié, échapée und Arabesken sind das eine. In der Königsklasse tanzt, wer hier auch die entsprechenden Kopfhaltungen in gebotener Synchronie mitliefert. Grand Classic Ballet liefert.

„Tänzer sind Athleten Gottes“

Die kleine Prinzessin mit der Krone ist zufrieden. Es sei alles ganz genau, wie in ihrem Buch und Film. Am liebsten würde sie am Abend noch die Schwäne sehen. Aber das sei zu anstrengend - für die Oma... Der Compagnie ist am Abend indes nichts anzumerken. Vermutlich hat Albert Einstein recht: „Tänzer sind die Athleten Gottes.“

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen