Tanz

Ein französisches Dornröschen zu Gast im Ludwigshafener Pfalzbau

Nur nicht stechen lassen, sonst wird 100 Jahre geschlafen. Märchenkenner wissen, dass es natürlich nicht zu vermeiden ist. Die baskische Comapgnie Illicite Bayonne Fábio Lopez zeigt das neoklassich in Ludwigshafen

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Tanzt hier mit Rosen und Dornen: die böse Fee Carabosse. © Stéphane Bellocq

„Sleeping beauty“, schlafende Schönheit, nennen sie die einen. Als die Schöne im schlafenden Wald („La Belle au Bois Dormant“) kennen Ballettfreunde französischer Zunge das durch Peter Iljitsch Tschaikowsky und Marius Petipa zum Ballett gewordenen Grimm’sche „Dornröschen“. Wahrlich eine märchenhafte wie internationale Karriere, die die tanzende Königstochter da machte. Vielleicht beantwortet dies die Frage, warum eine „unerlaubte“ französische (so der Name) Compagnie aus dem Baskenland mit der englischen Titelvariante auf Tournee geht, die sie an zwei Abenden auch auf die Bühne des Pfalzbaus führte.

Zu beschreiben, wie und von wem die klassische Geschichte um sie, eine rachsüchtige Fee und den obligaten Prinzen neu oder anders erzählt wurde, könnte Bücher füllen. Der Verlauf des 1890 in Sankt Petersburg uraufgeführten Märchenballetts in drei Akten war, sagen wir es offen, schon immer sehr kompliziert. Hofstaat, König und Königin, Zeremonienmeister, gute und böse Feen, Bäuerinnen, Stickerinnen, eine Jagdgesellschaft, vier fremde Prinzen und vielerlei Personal mehr. Bei einer einst üblichen Ausstattungsorgie mag eine Personenzuordnung möglich gewesen sein.

Wer ist wer und will was?

Im Pfalzbau wo die Compagnie Illicite Bayonne Fabio Lopez auf sechs Tänzer und fünf Tänzerinnen setzt, ist eine Nachvollziehbarkeit der Handlung schwierig bis unmöglich, weil die Reduktion der Reduktion eben nur noch irgendetwas mit Dornröschen ist. Dabei bemüht sich Fabio Lopez manchmal sogar etwas überdeutlich um die pantomimischen Anteile seiner Choreographie. So lässt er Juckreiz aufkommen, wenn sich eine Figur nicht wohl in ihrer Haut fühlt, klapperschlangenartig flattern Gliedmaßen bei Bedrohung und Aggression, an der das Stück nicht arm ist.

Auf eine namentliche Zuordnung seiner sehr jungen Compagnie verzichtet Lopez dabei und spricht darüber hinaus eine sehr neoklassische Sprache, bezieht sich gar explizit auf Hans van Manen. Ein wenig hochgegriffen vielleicht - ebenso wie bei der angekündigten Verknüpfung von Tradition und Gegenwart sowie einer „heutigen Perspektive“. Doch manchmal holt einen die Vergangenheit ganz modern ein. Die Hexe oder besser böse Fee Carabosse wurde einst „en travestie“, also mit einem Mann besetzt. Später aus emanzipatorischen Gründen von Frauen getanzt, um nun gendersensibel wieder einen (leider namenlosen) Herrn im Rosenkostüm zur Fee zu machen. Gut macht er sich.

In den Schrittfolgen brilliert das Ensemble auf hohem Akademieniveau, an der Synchronität wird sicher noch weitergearbeitet und bei den Hebefiguren ist auch noch ein bisschen Luft nach oben.

In und vor den (reisefreundlich) schlichten Bögen einer stilisierten Arkade machen sich Dorothée Laurents Kostüme ausnehmend hübsch aus. Mit Blick auf das Ensemble könnte man sich auch über die Besetzung der Solisten, konkret Prinz Désiré und der Titelfigur Aurora wundern, würde ihr finales (und sehr berühmtes) Grand Pas de deux Dornröschens Schönheitsschlaf nicht so anmutig beenden.

Wie es so eben ist im malvenfarbenen Arkadien: Unter Rundbögen und im romantischen Lichte erfolgt die Apotheose der Liebe, Prinz und Prinzessin müsste man sein. Freundlicher Applaus.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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