Interview

Das zeichnet die Mannheimer Schillertage 2025 aus

Trotz eines „herben Rückschlages“ hat Schauspielintendant Christian Holtzhauer mit seinem Team das Programm für die diesjährigen Schillertage in Mannheim zusammengestellt.

Von 
Susanne Kaulich
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Schauspielintendant Christian Holtzhauer vor dem Alten Kino Franklin, Festivalzentrum der Internationalen Schillertage Mannheim © Susanne Kaulich

Mannheim. Plakate mit Universalien, die für alle Kulturen gelten, wie „Wir alle wollen mehr sein“ oder „Wir alle wollen träumen“ werben derzeit für die 23. Internationalen Schillertage in Mannheim. Das Festival findet vom 19. bis 29. Juni statt. Wir haben Schauspielintendant Christian Holtzhauer auf Franklin getroffen.

Herr Holtzhauer, die 23. Internationalen Schillertage sind bereits die vierten in Ihrer Verantwortung. Ist es mittlerweile schon Routine?

Christian Holtzhauer: Nein, weil jede Ausgabe des Festivals neue Herausforderungen mit sich bringt. Die äußeren Umstände sind immer ein bisschen anders. In meiner ersten Spielzeit 2019 auch das Festival zu machen, war schon sportlich. Die zweiten Schillertage waren eine Corona -Ausgabe. Da wussten wir bis vierzehn Tage vor Festivalbeginn nicht, ob es überhaupt Live-Veranstaltungen geben darf. Die letzten Schillertage 2023 waren dann die ersten, die wir hier draußen auf Franklin veranstaltet haben. Neu für uns und für das Publikum.

Und dieses Jahr?

Holtzhauer: … mussten wir einen herben Rückschlag verkraften, was die Finanzierung anbelangt. Der Bund hat zum ersten Mal seit zwanzig Jahren im vergangenen September seine Förderung zurückgezogen. Wir haben ein deutlich geringeres Festivalbudget. Dem ist auch die Streichung des Internationalen Stipendiatenprogramms geschuldet. Fatal, weil es eine Tradition abschneidet, die in den vergangenen Jahren zu fruchtbaren Ideen geführt hat. Ein Schaden, den man möglicherweise erst in Jahrzehnten spüren wird. Trotzdem wollen wir ein pralles und vielseitiges Festivalprogramm zusammenstellen. Von Routine kann also nicht die Rede sein.

Christian Holtzhauer und die Schillertage

  • Christian Holtzhauer, geboren 1974 in Leipzig, studierte Theater- und Musikwissenschaft in Berlin und Toronto. Er arbeitete unter anderem am Staatstheater in Stuttgart als Dramaturg und übernahm 2014 die künstlerische Leitung des Kunstfests Weimar.
  • Seit September 2018 ist Holtzhauer Schauspielintendant und Künstlerischer Leiter der Internationalen Schillertage am Nationaltheater Mannheim.
  • Die alle zwei Jahre stattfindenden Schillertage sollen das Werk sowie künstlerische und philosophische Ideen Friedrich Schillers weitertragen, des ersten „Hausautors“ des Nationaltheaters.
  • Die Schillertage beginnen am Donnerstag, 19., und enden am 29. Juni. Sie bieten Gastspiele, Gespräche, Lesungen, „Stadterkundungen“, Partys und „Schill-out-Konzerte“.
  • Karten und Info: www.nationaltheater-mannheim.de, Tel. 0621-1680-150. tog

Welche Funktion haben die Schillertage für Sie?

Holtzhauer: Zentraler Auftrag ist die Auseinandersetzung mit dem dramatischen Werk Friedrich Schillers. Der Anspruch, den die Gründer 1978 formulierten, war herauszufinden, „was von Schiller für die Gegenwart noch belebbar“ sei. Natürlich glaube ich, dass man aus Schiller inhaltliche theatrale Funken schlagen kann. Als Schauspielsparte stellen wir uns dieser Aufgabe mit der jeweiligen Eigenproduktion. Dieses Jahr ist das „Kabale und Liebe“.

Darüber hinaus versuchen wir einen Überblick zu bieten, was im deutschsprachigen Raum gerade los ist im Bezug auf Schiller und versammeln dazu jedes Mal einige spannende Projekte. Wobei es für uns in der Interimssituation die Einschränkung der Bühnengröße gibt. Große Stadttheaterproduktionen kriegen wir in Franklin nicht unter, auch der Orchestergraben im Opal ist speziell.

Drittens versuchen wir auch international eine Auseinandersetzung mit Schiller anzuregen. Vor vier Jahren hat eine polnische Regisseurin unsere Eigeninszenierung verantwortet. Vor zwei Jahren haben wir einen „Wilhelm Tell“ aus ukrainischer Perspektive erlebt und jetzt baten wir einen indischen Regisseur, „Kabale und Liebe“ vor dem Hintergrund der indischen Gesellschaft zu inszenieren. Oft wird vergessen, dass Schiller mit dem Anprangern des deutschen Ständesystems unglaublich sozialrevolutionäres Potential hatte. Vor dem in Indien noch virulenten Kastensystem bekommt „Still I Choose to Love“ eine ganz neue Bedeutung. Die deutsch-indische Koproduktion soll auch in Indien gezeigt werden. So können wir dazu beitragen, dass Schiller auch international weiter rezipiert wird.

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Im Programm gibt es einige Produktionen, die von Schiller inspiriert sind, um dann in eine ganz eigene Richtung zu gehen. Traut man heute Schillers Originaltexten nicht mehr?

Holtzhauer: Wir konzentrieren uns, wie unsere Vorgänger auch schon, nicht nur auf das dramatische Werk, sondern auch auf die Ideen und die Gedankenwelt Schillers. Unter dem jeweiligen Motto stellen wir dann ein Programm zusammen, das sich dazu verhält. Das müssen nicht zwangsläufig nur Schillerstücke sein. Unter dem diesjährigen Motto „Wenn Menschen nur Menschen sind“ können Arbeiten auch Fragen thematisieren wie „Was ist der Mensch?“, „Was verbindet, was unterscheidet uns als Menschen?“ Das kann man in verschiedenste Richtungen auslegen. So versuchen wir einen thematischen Zusammenhang herzustellen, der sich an Schiller anbinden lässt, aber weit über Schiller hinausreicht. Der uns erlaubt, Arbeiten einzuladen, die sich zu Themen, die uns gerade als Gesellschaft beschäftigen, ins Verhältnis setzen.

Wie entsteht denn so ein Motto?

Holtzhauer: Unterschiedlich. „Fieber“ war eine Assoziation zu Schillers Malaria-Erkrankung in Mannheim. Auch 2019 wurde schon von der Überhitzung gesellschaftlicher Debatten, von der Überhitzung unserer Städte gesprochen. „Zusammen“ passte als zentrale Idee genauso zu Schillers „Jungfrau von Orleans“ wie zu unser aller Wunsch während der Pandemie. Das Schiller-Gedichtzitat „Schöne neue Welt“, unter dem Eindruck des Besuchs der Mannheimer Antikensammlung entstanden, hob 2023 auf utopische Lebensentwürfe ab. Und bei der Lektüre von „Kabale“ sind wir auf das diesjährige Motto gestoßen.

Produktionen wie „Geld ist Klasse“ mögen auf den ersten Blick nicht gleich in den Schiller-Kontext passen…

Holtzhauer: Es ist eine Einladung an unser Publikum, selbst Bezüge herzustellen. Wir legen mit dem Motto eine Fährte aus, die wir bei Schiller entdeckt haben. Und denken eben etwas weiter, wenn wir bei dem Projekt „Geld ist Klasse“ von Marlene Engelhorn und Volker Lösch nach den Folgen des Überreichtums und der Ungleichverteilung von Eigentum fragen. Schillers emanzipatorisches Potenzial lässt sich in vielfältigen Kunstformen wiederentdecken. Ich finde es interessant, den Blick so über den Schillertellerrand zu weiten. Es ist ein Festival, das von Schiller ausgeht, sich aber nicht auf Schiller beschränkt.

Dass manche die Auseinandersetzung mit weiteren Schillerstücken vermissen, mag sein. Schiller gibt jedoch sehr konkrete Kommentare zu seiner Zeit. Nur wenn es uns gelingt, auf der Bühne Auseinandersetzungen mit unserer eigenen Zeit zu zeigen, hat das Theater Kraft. Ich finde es toll, wenn ich Schiller-Inszenierungen finde, die das können. Aber ich freue mich auch, wenn ich Arbeiten entdecke, die nicht auf einem Schillertext basieren, wo ich aber sehe, dass, was da behandelt wird, Schiller auch schon vor 250 Jahren behandelt hat.

Was wünschen Sie sich für die kommenden Schillertage?

Holtzhauer: Ich wünsche mir, dass unser Publikum neugierig ist auf die künstlerischen Arbeiten, auf die internationalen Gäste, die zum Motto beitragen, auf die Konzerte und verschiedenen Talkformate. Ich hoffe auf ein intensives stadtweites Gespräch über das, was wir hier zeigen. Ich wünsche mir, dass unser Publikum erkennt, dass Schiller ein spannender Autor ist, der viel über unsere Zeit zu sagen hat. Mein Anspruch ist, dass es hier brummt auf Franklin. Dass es uns gelingt, Mannheim mit dem Festivalfieber zu infizieren.

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