Mannheim. Im dunklen Rauschen des Windes treiben dichte Nebelschwaden über eine Gebirgslandschaft und verhüllen das Bild. Dann ertönt ein Donnerschlag, der wie aus dem Nichts kommt, und führt ins Dämmerlicht eines beginnenden Tages. Ein Mann trägt eine Frau über Steine. Deren herzzerreißende Schreie künden von einer Niederkunft. Am folgenden Morgen finden Sanitäter den Mann zwischen Bienenstöcken. Von der Frau fehlt jede Spur. Schließlich wird in einem Ziegenstall der Säugling gefunden und geborgen.
Schon die ersten Bilder aus Angela Schanelecs neuem Film „Music“ eröffnen einen mythologischen Raum, belebt von statischen Figuren, symbolischen Handlungen und vagen Bedeutungen. In langen Einstellungen gewinnen Räume und die Natur einer südlichen Landschaft an Gewicht. Dazwischen betonen kurze Schnitte auf Details die sorgsame Arbeit der Hände, die Körperlichkeit der Dinge oder nicht weiter ausgedrückte Gefühle. Denn die meist schweigenden Figuren sind weder Träger psychologischer Charaktere noch primär über ihr Handlungen zu verstehen. Ihr „Spiel“ aus starrer Mimik, Präsenz und wenigen Gesten ähnelt einem Ritual. Der ungreifbare, gewissermaßen transzendente Gehalt resultiert aus der sehr stilisierten, theatralischen Mechanik der Ereignisse.
Vom Mythos inspiriert
Was dann jenseits einer realistischen Erzählung gezeigt wird, ist, so die Vorinformation, vom Ödipus-Mythos inspiriert. Demnach tötet der thebanische Königssohn unwissentlich seinen Vater, schläft mit seiner Mutter und blendet sich, als er seine schicksalhafte Schuld erkennt. Auch Jon (Aliocha Schneider), der an seinen „Schwellfüßen“ erkennbare Ödipus aus Schanelecs „Nicht-Tragödie“, wird durch eine unglückliche Tat zum Mörder und landet deshalb im Gefängnis. Dort verliebt sich die Wärterin Iro (Agathe Bonitzer) in den Gefangenen. Sie pflegt seine wunden Füße und heilt seinen Schmerz mit Musik.
Doch dann, Jahre nachdem sie ein Paar und Eltern geworden sind, heißt es in einem der ausführlich dargebotenen barocken Lieder: „Die Freuden der Liebe/ Sie währen nur einen Augenblick/ Das Herzens Leid dafür ein Leben lang.“ Doch in „Music“ geht es weniger um Schuld und die Determination des Menschen nach dem ewigen Ratschluss der Götter, sondern um die heilende Kraft der Kunst angesichts einer leidvollen Existenz.
Cinema Quadrat, Mannheim, K 1, 24. Mai, 17.30 Uhr.
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