Riehle-Nachfolge

Capitol-Pläne: Kriegen wir mal Herbert Grönemeyer ins Capitol?

Die Nachfolge von Thorsten Riehle am Mannheimer Capitol ist geklärt - die Aufgaben des ehemaligen Geschäftsführers und OB-Kandidaten werden auf drei Personen übertragen. Ein Gespräch über die Pläne

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Hat es von der Garderobe in die Spitze geschafft: Capitol-Geschäftsführerin Yvonne Geiger. © René van der Voorden

Frau Geiger, Sie haben einst im Capitol an der Garderobe angefangen und folgen nun Thorsten Riehle als Geschäftsführerin nach. Wie fühlt sich das eigentlich an?

Yvonne Geiger: Nicht anders als vorher. Es war ein langer Weg. 23 Jahre. Und ich freue mich einfach, Teil dieses Wegs gewesen zu sein.

Aber Sie müssen schon an der Garderobe exzellent gearbeitet haben.

Geiger: (lacht) Da müssen Sie Thorsten fragen. Aber ich habe wohl einen guten Eindruck hinterlassen.

Und Sie, Herr Krebs, sind Sie auch schon so lange im Haus?

Sascha Krebs: 21 Jahre, wobei ich erst seit 1. Februar angestellt bin. Ich stehe seit 21 Jahren als Künstler auf der Bühne und dem Capitol und Thorsten schon seit zehn, 15 Jahren mit Rat und Tat zur Seite. Beispiel: Als es darum ging, „Jesus Christ Superstar“ zu machen, wurde ich gefragt, wer ein guter Jesus-Darsteller wäre.

Jetzt übernehmen Sie das Booking. Da sind Kontakte nach außen das A und O. Woher haben Sie die?

Krebs: Ein großer Teil ist über Jahre gewachsen, weil Künstler und Agenturen hier her kommen. Und ich habe natürlich - und das ist programmatisch vielleicht eine kleine Kursänderung - durch meine Arbeit im Musical und Classic Rock gerade dort Kontakte geknüpft. Auch Tribute-Bands sind ein Thema, das mich interessiert. Also das ist schon ein Geben und Nehmen. Viele kontaktieren uns auch einfach, weil sie das Haus überregional kennen.

Tribute-Bands - das erinnert mich an unsere alternde Gesellschaft, die irgendwann nach Ihrer Jugend sucht. Ist das der Markt? Steckt so eine Überlegung dahinter?

Krebs: Das ist der Markt, ja. Ich bin ja selbst Frontmann von The Queen Kings, die größte deutsche Queen-Tribute-Band. Wir merken, was ja auch tragisch ist, dass Tributebands wie wir Häuser vollmachen und Newcomer das nicht schaffen. Und da sind wir bei der wirtschaftlichen Frage: Können wir uns das leisten, eine Band langfristig aufbauen? Es geht eben nicht immer so gut wie bei Gringo Mayer und Jonathan Zelter.

Mit mehreren Abenden etwa?

Krebs: Ja, mit einem langen Atem und irgendwann ausverkauftem Haus. Wir haben hier etwa das Konzertformat „Dead Men’s Poetry“ am 1. November, mit dem wir den im Jahr davor verstorbenen Künstlern gedenken. Die ersten Jahre lief das nicht gut, aber Thorsten hat gesagt: Wir glauben an das Format und machen weiter. Und jetzt haben wir schon im Sommer 450 Tickets verkauft.

Sie leiten das Capitol (v.l.): Sascha Krebs, Thorsten Baumann, Yvonne Geiger und Julia Wütscher. © R. van der Voorden

Womit wir bei den Finanzen sind, Frau Geiger. Wie steht es damit?

Geiger: Da gehe ich mal zurück in die harten Jahre. Ich denke, wir haben während Corona einen guten Job gemacht. Die Hilfen sind hier wirklich angekommen. Jetzt ist es so, dass wir wieder an 2019 andocken können. Die Umsätze bei Tickets und Theke sind denen von damals sehr ähnlich. Das zeigt uns, dass wir die richtigen Kanäle und Formate bedienen und die Menschen nach Kultur dürsten.

Das Capitol ist als GmbH ein Wirtschaftsunternehmen, das auch Profit machen will. Tragen Sie den Kurs von Herrn Krebs so mit?

Geiger: Natürlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen. Aber das Genre Kultur verbietet es, zu sehr in solchen Mustern zu denken. Das musste ich auch lernen, als ich hierher kam. Wenn wir nur aufs Geldverdienen schauen würden, müssten die Karten 95 Euro kosten. Deswegen steht das bei uns nicht im Vordergrund. Das muss schon wirtschaftlich auskömmlich sein. Aber wir sind auch da sehr auf viele Sponsoren angewiesen. Und was die Formate und das Programm angeht, sind Sascha Krebs und ich in stetem Austausch.

Die neue Führung im Capitol

  • Sascha Krebs: Geburtsjahr: 1976. Ausbildung: Nach dem Abitur Gesangs- und Schauspielausbildung in Heidelberg und Hamburg. Im Capitol seit: 2002 (als Künstler im Ensemble). Funktion in Zukunft: Programmplanung/Booking
  • Yvonne Geiger: Geburtsjahr: 1976. Ausbildung: Bürokauffrau, mehrere Weiterbildungen zur Finanzbuchhalterin, Lohn- und Gehaltsbuchhalterin, Ausbildung für Ausbilder. Im Capitol seit: 2000. Funktion in Zukunft: Geschäftsführerin, Leitung Finanzen und Verwaltung.
  • Julia Wütscher: Geburtsjahr: 1980. Ausbildung: Studium (M.A.) Germanistik, Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Im Capitol seit: 2012. Funktion in Zukunft: Leitung Marketing, Pressesprecherin.

Da sind wir im Spannungsfeld von eigenem Anspruch und Rentabilität. Mit bekannten Bands verdient man das Geld, aber eigene Produktionen will man unbedingt machen und damit selbst Kunst ermöglichen. Aber die kosten viel …

Krebs: Für mich als Künstler, aber ich denke, auch für das Publikum, sind die Eigenproduktionen das Aushängeschild. Das hebt uns von anderen Konzerthäusern ab. Wenn Kim Wilde hier spielt, ist das schön, aber die spielt auch in Karlsruhe und sonst wo. Aber „Dead Men’s Poetry“ sehe ich nur hier. Und zu unserem „Jesus Christ Superstar“ hatten wir teils Leute aus Wien und dem Ruhrgebiet hier. Gerade durch die Eigenproduktionen sind wir so bekannt und haben so ein positives Image. Und sie machen wahnsinnig Spaß als Künstler. Aber das kostet. GEMA. Strom. Künstlersozialkasse. Unendlich viel.

Gibt es einen Paradigmenwechsel?

Krebs: Es werden sich schon Sachen ändern. Dinge, die Thorsten noch geplant hat und die noch stattfinden, werden und müssen wir uns im Nachgang immer unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit anschauen und dann entscheiden, wie wir damit umgehen. Meine große Hoffnung ist auch, durch meine Kontakte Bands ins Capitol zu holen, die normalerweise in größeren Häusern spielen. Aber einen Paradigmenwechsel - nein. Das Haus ist künstlerisch fantastisch aufgestellt - von Kindertheater, Comedy, Kabarett, Chor, Klassik, Pop, Rock, Metal, Indie - hier findet jeder Gast etwas, das ihm gefällt. Und das muss so bleiben.

Frau Geiger, wie ist Ihr Geschmack? Und sind Sie jemand, der Herrn Krebs in die Planung reinredet?

Geiger: Ich persönlich bin sehr breit aufgestellt. Also wenn Sie mich im Auto erleben würden … Aber die Frage stellt sich nicht.

Aber ich habe sie doch gestellt.

Geiger: Aber für das Haus will ich sie nicht beantworten. Es geht darum zu schauen: Was hat in der Vergangenheit funktioniert? Und da müssen wir kein neues Konzept erstellen, weil wir aus gut funktionierenden Strukturen kommen. Aus meiner Sicht läuft alles gut, wir können hier alles machen.

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Die Gesellschaft wird immer älter und auch migrantischer geprägt. Stellen Sie sich da ganz gezielt auf spezielle Gesellschaftsteile ein?

Julia Wütscher: Wir probieren da in jedem Fall immer wieder Neues aus, um neues Publikum anzusprechen. Vor einiger Zeit haben wir die Independent-Reihe „//Cin//Cin//“ gestartet, um wieder Jüngere auf das Haus aufmerksam zu machen. Unser Kernpublikum ist mittlerweile älter als 50. Und dann machen wir auch immer wieder Vermietungen an Veranstalter etwa aus dem türkischen Bereich. Auf diese Weise erreichen wir als Haus auch nicht nur den typisch deutschen Gast.

Sie decken sehr viel ab. Aber was ist mit dem Tanz. Da erreicht man ganz gut jüngeres Publikum.

Geiger: Es gibt Tanz-Formate, die hier funktionieren. Aber unsere Bühne ist zu klein dafür. Die ist nicht tief genug. Da geht vieles nicht.

Herr Krebs, Sie träumen von großen Namen. Wollen Sie in die Zukunft blicken und welche nennen?

Krebs: Wir sind mit Namen in Verhandlung. Es sieht gut aus, aber ich kann noch nichts sagen. Unter anderem könnte es sich auf den finnischen Hardrock zubewegen. Und dann die große Frage: Kriegen wir einmal Herbert Grönemeyer ins Capitol für ein intimes Konzert nur mit Klavier? Dasselbe mit Chris de Burgh, den ich so schon selbst erlebt habe. Warum nicht fragen? Auch Peter Maffay. Das fände ich fantastisch. Das ist auch für die Künstler fantastisch, mal ein ganz anderes Konzept zu probieren. Und das Publikum ist mal ganz nah dran.

Und die Karten kosten 250 Euro?

Krebs: Ganz sicher nicht. Natürlich müssten wir in so einem Fall die Ticketpreise in der Spitze anpassen, aber es muss auch Plätze geben, die sich jeder leisten kann. Kultur ist immer auch Teilhabe. Man kann so etwas nicht um jeden Preis machen.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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