Das Kulturamt einer mit großem kulturellen Selbstbewusstsein ausgestatteten Großstadt muss womöglich über Monate ohne offizielle Leitung auskommen – das ist keine Mannheimer Glanzleistung. Das eingespielte Team der scheidenden Sabine Schirra wird das im Tagesgeschäft voraussichtlich kompensieren können. Und natürlich gilt: Eine verspätete Lösung des Personalproblems ist besser als eine schlechte.
Aber zum Beispiel im Musikbereich steht noch ein Abgang eines kompetenten Kulturmanagers an. Auch der Wechsel an der Spitze des Kulturzentrums Alte Feuerwache bringt Abstimmungsbedarf mit sich – nicht alle der vier Kandidatinnen und Kandidaten für Sören Gerholds Nachfolge sind optimal mit der Stadt vertraut. Die Köpfe hinter Projekten der freien Szene für 2023, die jetzt geplant werden müssen, wirken teilweise verunsichert.
Viel schlimmer ist aber das absolut falsche Signal, das so gesetzt wird: Die Kulturlandschaft, vor allem die besonders mit dem Kulturamt verzahnte freie Szene, hat bis heute noch nicht den Schock verdaut, dass ihr in der Pandemie unbedacht das Etikett „nicht systemrelevant“ verpasst wurde. Wenn jetzt die Schirra-Nachfolge Monate auf sich warten lässt, erweckt das einen ähnlichen Anschein. Zumal: Seit 11. Juli ist klar, dass neu ausgeschrieben werden muss – warum passierte das nicht noch vor der Sommerpause? Nach hoher Priorität sieht das nicht aus. Zumal es in Zeiten pandemie-, kriegs- und inflationsbedingter Unsicherheit offensichtlich nicht ganz leicht ist, Topleute nach Mannheim zu locken.
Vielleicht ist auch der Zuschnitt speziell der Kulturamtsleitung nicht attraktiv. Sabine Schirra hat in 30 Jahren eine gewisse Meisterschaft darin entwickelt, geräuschlos den Motor des Kulturbetriebs nicht nur durch Förderung am Laufen zu halten. Sie verstand sich explizit als Ermöglicherin, weniger als Impresaria. Ihr Konzept vom Kulturamt als Partner der Kreativen, etwa durch Hilfe bei Anträgen oder Workshops, hat sich zuletzt in der Corona-Krise wieder bewährt. Ihr Spielraum war aber selten groß: 2020 betrug der Etat unter elf Millionen Euro. Große Teile davon gehen fix an Institutionen wie Technoseum (rund 3,9 Millionen Euro), Feuerwache (974 000 Euro), Planetarium (830 000 Euro) oder Popakademie (790 000 Euro). Vieles hängt ansonsten vom Gemeinderat ab, es gibt einen Kulturbürgermeister und einen OB mit Kulturkompetenz. Um die Bewerberlage zu optimieren, braucht die Position künftig wohl mehr Beinfreiheit.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Warum ein Mannheimer Kulturamt ohne Führung ein absolut falsches Signal ist
Dass die Position von Kulturamtsleiterin Schirra nicht besetzt werden konnte, schürt Unsicherheiten. Generell braucht der Posten mehr Handlungsspielräume, um attraktiv zu sein, findet Kulturredakteur Jörg-Peter Klotz