Wie groß die Kontraste auch im Ringen um den „Rheingold“-Publikumspreis beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen sind, zeigt sich beim Streifzug durch die Festivaltage. Obgleich das kuratorische Team einen Schwerpunkt auf Komödien gelegt hat, könnte die Melange aus Heiterkeit und Ernst kaum vielfältiger daherkommen.
An besonders prägnanten Beispielen dafür mangelt es nicht. Bereits der vielsagende Titel eines Films kann kritische Relevanz signalisieren. „So laut du kannst“ heißt ein bitteres Gesellschaftsmelodram von Regisseurin Esther Bialas, das den Finger in die Wunde von Macht und Verwerflichkeit legt. Beim „Gentlemen’s Evening“ diniert eine Gruppe (einfluss)reicher Männer gemeinsam - und nimmt dann die Dienste attraktiver Hostessen allzu gerne auch nach dem offiziellen Programm in Anspruch. Auch Kim und Maja, glänzend gespielt von Friederike Brecht und Nina Gummich, gehören zu den jungen attraktiven Damen, die an jenem Abend servieren - und zur Zielscheibe zweifelhafter Begierde werden. Eigentlich wollen sie das Geld aus Diensten wie diesen zum Aufbau ihrer gemeinsam Physiotherapie-Praxis nutzen, doch unfreiwillig wird aus diesem zweckgebundenen Einsatz viel mehr. Während Kim einer alten Jugendliebe begegnet, wird Maja von einem wohlhabenden Werftbesitzer unter Drogen gesetzt und brutal vergewaltigt.
Während Kim, der untätigen Polizei wegen, sofort mit ihren eigenen Recherchen in dem Fall beginnt, wirkt Maja wie paralysiert, muss das Geschehene erst einmal verarbeiten, um wieder zu sich und ihrem alten Selbstbewusstsein zurückzukehren. Es ist dieser hervorragend und auch bildlich stark erzählte Konflikt, der die beiden engen Freundinnen bis zur Zerreißprobe auseinandertreibt und erst später dafür sorgt, dass seine gerechte Strafe erhält, wer den freien Willen einer Frau mit Füßen tritt.
Stark besetzte Milieustudie
Solche beißende Gesellschaftskritik bei gleichzeitigem Tiefgang kann man von „Freibad“, dem jüngsten Werk von Doris Dörrie, leider nicht erwarten. Die Idee eines Freizeitbads, in dem Frauen verschiedenster Couleur den Ton angeben, mag als soziokulturelle Milieustudie interessant daherkommen: Die Umsetzung dagegen darf man nicht wirklich als gelungen bezeichnen. Stark besetzt ist der Film mit Miminnen wie Andrea Sawatzki, Maria Happel oder Nilam Farooq ohne Zweifel - doch den Inhalt macht das kaum besser. Zumal die Klischees wirklich offenkundig sind.
Die FKK-Wünsche der deutschen treffen auf Burkinis muslimischer Damen, der Streit um Schweinefleisch und Einweggrills als Konter, die Reibungspunkte zwischen sexueller Freiheit und erwünschter Monogamie: All das sorgt zwar für Lacher, sie enden aber eher in seichtem Geplätscher denn in heiterer Auseinandersetzung mit der großen Frage, warum die Frauen der Welt so herrlich divers sind. Oder wie die Bademeisterin eines Abends sinnträchtig fragt: „Noch ne Benzo zum Feierabend?“
Wem reißerische Komödien nicht gegen den Strich gehen, der kann auch die gut 100 Minuten mit einem Lächeln auf den Lippen verbringen. Allein, die Tatsache, wie viel mehr Doris Dörrie aus diesem kulturellen Verstärker hätte machen können, fällt ins Gewicht - und bleibt im Gedächtnis.
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